So groß war der Auftrieb bei den Hauptversammlungen der DAX-Größen noch nie: Die Aktiengesellschaften verzeichneten in diesem Jahr eine Rekordbeteiligung. Fast zwei Drittel des Kapitals waren vertreten. Seit Beginn der Teilnehmererfassung im Jahr 1998 war die Beteiligung noch nie zuvor so hoch ausgefallen. Die digitalen Mitwirkungsmöglichkeiten für die Aktionäre sind dabei noch ausbaufähig.

Kleine Unterschiede gibt es bei der HVTeilnahme zwischen bekannten und anonymen Aktionären: Während wieder rund drei Viertel der Besitzer von anonymen Inhaberaktien vertreten waren, war es bei den Besitzern von Namensaktien nur etwas mehr als die Hälfte. Was die Anteilseigner zu den Versammlungen treibt, ist sowohl das Bemühen um eine gute Unternehmensführung (Corporate Governance) auf Emittentenseite als auch die stärkere inhaltliche Interessenverfolgung durch Investoren (Corporate Stewardship).

Die Besitzstrukturen haben sich gewandelt. Gewachsen ist der Anteil institutioneller Investoren, die häufig großen Wert auf Corporate Governance, also auch auf verantwortungsvolles und sozial, ethisch und nachhaltig einwandfreies Handeln legen. Dazu gehört, das eigene Stimmrecht wahrzunehmen. Zugleich steigen auch die Anforderungen an die Emittenten, den Aktionären die Teilnahme an den Hauptversammlungen zu erleichtern und möglicherweise online zu ermöglichen.
Trotz des großen Zustroms setzen viele Unternehmen bei ihren Hauptversammlungen immer noch auf bewährte Prozedere. Digitale Technologien, die die Teilnahme einfacher und effizienter machen, werden längst noch nicht flächendeckend eingesetzt. Aber die Interaktion mit den Aktionären wird zunehmend um digitale Kanäle erweitert.
Computershare hat sich bei seinen Kunden umgehört.


„Grundsätzlich gilt, dass die im DAX30 vertretenen Konzerne weiter bei der Digitalisierung ihrer Hauptversammlungen sind als die anderen Aktiengesellschaften.

Investorenportal – der direkte Draht zum Anteilseigner
Grundsätzlich gilt, dass die im DAX30 vertretenen Konzerne weiter bei der Digitalisierung ihrer Hauptversammlungen sind als die anderen Aktiengesellschaften. Besonders deutlich zeigt sich das beim Einsatz eines Investorenportals. In der Kundenanalyse wurde die Verbreitung solcher Portale bei den 26 DAX30- Konzernen untersucht, für die Computershare bereits die Hauptversammlung ausgerichtet hat. Davon verwenden knapp 85% ein Investorenportal. Bei den mehr als 100 weiteren in der Analyse betrachteten Unternehmen, die ebenfalls von Computershare betreut werden, sind es nur rund 15%.
Digitalaffinen Aktionären bietet ein Investorenportal eine flexible Lösung von der Stimmabgabe im Vorfeld bis hin zur ollmachterteilung am Tag der Hauptversammlung. Darüber hinaus können sich Besitzer von Namensaktien online anmelden und ihre Eintrittskarte auf das Smartphone herunterladen. Die DAX30-Unternehmen, bei denen ein Investorenportal heute die Regel ist, haben die Vorteile erkannt: Sie profitieren von Kosten einsparungen, da die Prozesse komplett papierlos laufen und somit keine Eintrittskarten oder Stimmbelege mehr ausgedruckt werden müssen. Gleichzeitig steigert das die Nachhaltigkeit. Für die Aktionäre bieten die Portale jede Menge Komfort: Von der Anmeldung bis zur Online-Teilnahme machen die Portale alles möglich. Und der Datenschutz ist entsprechend den Vorgaben durch die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) mit hilfe von SSL-verschlüsselter Kommunikation garantiert.
Für die Emittenten stellen Online-Angebote eine Möglichkeit zur Investor-RelationsArbeit dar – ebenfalls verbunden mit der Chance, die Teilnehmerzahlen bei den Hauptversammlungen weiter zu steigern. Auch durch die Stimmabgabe im Vorfeld über die IT-Anwendung lässt sich eine deutlich höhere Beteiligung erreichen.
Tablet-Abstimmungen ersetzen Zettelwirtschaft
Trotz vieler Vorteile, die digitale gegenüber analogen Abstimmungen haben, herrscht auf den meisten Hauptversammlungen noch immer „Zettelwirtschaft“. So nutzt weniger als ein Drittel der von Computershare betreuten DAX30-Konzerne Tablet-Abstimmungen. Bei den anderen Aktiengesellschaften lassen weniger als 10% elektronisch abstimmen. Dabei bringt die Nutzung von Tablets für die Abstimmung bei großen, publikumsstarken Hauptversammlungen deutliche Vereinfachungen und Kosteneinsparungen. Die dicken Stimmblöcke mit vielen Stimmkarten, die bereits sechs Wochen vor der Hauptversammlung in Produktion gehen und regelmäßig im Überschuss gedruckt werden, können ersetzt werden. Der Aufwand – ebenfalls mit Kosten verbunden – des Auszählens der Stimmkarten kann entfallen. Bei der Abstimmung per Touchpad kann das Ergebnis unmittelbar ausgegeben werden.
Livestream verschafft Aufmerksamkeit im Netz
Weit verbreitet ist hingegen bei den DAX30-Konzernen die Ausstrahlung der Reden von Vorstand und Aufsichtsrat. Ein Großteil überträgt die Statements bereits live. Bei den anderen Aktiengesellschaften beträgt der Anteil lediglich knapp 20%. Die DAX30-Konzerne haben erkannt, dass sie mit dem Streamingangebot ein öffentlichkeitswirksames Angebot schaffen, während sich der Aufwand für die Übertragung in Grenzen hält. Mit der Verfügbarkeit der Videos auf der Homepage on demand können sie ihren Investoren und der interessierten Öffentlichkeit sogar längerfristig ein interessantes Angebot machen. Weniger offen sind die DAX30-Konzerne wiederum gegenüber einer Übertragung der Generaldebatte im Internet. Rund ein Drittel von ihnen und weniger als 10% der anderen Aktiengesellschaften bieten einen Livestream an. Möglicherweise befürchten die Firmen Imageschäden, wenn bei der Generaldebatte auch kritische Fragen gestellt werden. Dabei kann die Konzernführung gerade durch die souveräne Beantwortung auch unbequemer Fragen Profil gewinnen.
Einfachere Organisation der Rednerliste durch Q&A-Tools
Um einen strukturierten Ablauf der Generaldebatte zu garantieren, ist entweder eine immense Menge an Papier nötig oder ein digitales Q&A-Tool. Nahezu alle durch Computershare betreuten DAX30-Konzerne haben die Papierflut zur Organisation der Rednerliste und Beantwortung von Fragen bereits abgeschafft. Bei den anderen Aktiengesellschaften ist erst ein Viertel so weit. Mithilfe des Tools kann nicht nur die Organisation erleichtert werden, sondern bereits im Vorfeld der Versammlung können Fragen und Antworten erfasst und kategorisiert werden. Über eine integrierte Datenbank können dann selbst unvorhergesehene Fragen und Hintergründe schnell recherchiert werden. Im Backoffice teilt ein Koordinator die Fragen Expertengruppen zu, die Informationen bündeln, Hintergründe klären und gegebenenfalls auch rechtlich prüfen. Auf dem Podium erhält der Vorstand schließlich die Informationen zur Beantwortung elektronisch zur Verfügung gestellt.
Gehört Online-Hauptversammlungen die Zukunft?
Medien und Öffentlichkeit wünschen sich Transparenz, Investoren drängen darauf, ihre Verantwortung wahrzunehmen und ihr Stimmrecht auszuüben. Damit wird der Digitalisierungsdruck auch in Zukunft weiter zunehmen. Denn die digitale Hauptversammlung vereinfacht die Teilnahme. Aktionäre aus dem Ausland können sich die Anreise sparen – und damit Zeit und Geld. Längst sind vollständig digitale Hauptversammlungen nicht mehr Zukunftsmusik.

Unter den DAX-Konzernen bieten SAP und die Münchener Rück eine Online-Hauptversammlung an. Dafür gibt es viele gute Argumente. Denn letztlich liegt die Digitalisierung auch im eigenen Interesse der Gesellschaften, ihre Hauptversammlungen kostengünstiger zu machen. Zudem sendet die Konzernführung ein wichtiges Signal an Anteils eigner und Öffentlichkeit: Wir sind Vorreiter der Digitalisierung und nicht Getriebene.

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