Das Modeunternehmen Wöhrl feiert in diesem Jahr seinen 80 Geburtstag. Seit der Gründung lenkt Familie Wöhrl – nunmehr schon in der dritten Generation – die Geschicke des Nürnberger Unternehmens. Vom Kapitalmarkt hielt man sich bis zuletzt fern. Anfang des Jahres öffnete sich Wöhrl dann doch dem Kapitalmarkt – wenn auch nur ein wenig.
Im Jahr 1933 legte Rudolf Wöhrl den Grundstein für das heutige Modeunternehmen. Damals gründete er ein Geschäft für Herren- und Knabenbekleidung, das Zetka (Zuverlässige Kleidung). Den Zweiten Weltkrieg übersteht der Laden jedoch nicht: Anfang 1945 wurde das Wöhrl-Geschäftshaus in Nürnberg bei Luftangriffen vollkommen zerstört. Rudolf Wöhrl ließ sich davon nicht entmutigen und wagte zusammen mit seiner Frau Berta einen Neustart. Aus Uniformen, Decken und Zeltplanen wurden neue Kleidungsstücke hergestellt. 1949 errichtete Wöhrl das Stammhaus der Firma: Was auf 60 qm begann, ist heute eines der größten Mode- und Sporthäuser in Deutschland.
In den 1950er Jahren trieb Wöhrl die Expansion weiter voran, eröffnete Filialen in Regensburg und Erlangen und wuchs auch in den folgenden Jahren weiter. 1970 übergab Rudolf Wöhrl das Modehaus an seine beiden Söhne Gerhard und Hans Rudolf Wöhrl. Diese leiteten das Unternehmen in der zweiten Generation bis zur Umwandlung in eine Familien-AG im Jahr 2002.
Im Zuge der Umwandlung wechselten die beiden Wöhrls in den Aufsichtsrat und zogen sich damit aus dem operativen Geschäft zurück. Dieser Rückzug währte jedoch nicht lange: Nur zwei Jahre später erwarb Gerhard Wöhrl die Aktienmehrheit und leitete die Neuausrichtung des Unternehmens ein: Von 2007 bis 2010 übernahm der ältere Sohn des Gründers den Vorstandsvorsitz und führte das Unternehmen mit Restrukturierungsmaßnahmen durch die Krise.
Generationenwechsel
2010 zog sich Gerhard Wöhrl wieder von der Vorstandsspitze zurück. Im gleichen Jahr übernahm Olivier Wöhrl den Aufsichtsratsvorsitz. Anfang 2012 wechselte er dann in den Vorstand und lenkt seitdem die Geschicke des Unternehmens. „Aus der Einheit von Unternehmen und Familie kann sehr viel Stärke und Vertrauen entstehen. Es ist eine Aufgabe, die ich mit Freude übernehme, und eine Rolle, in die man hineinwächst. Ich bin stolz darauf, auf die Geschichte zurückzublicken und das Unternehmen in die Zukunft zu führen“, beschreibt der heutige Vorstandsvorsitzende Olivier Wöhrl die Bedeutung der Familie für das Unternehmen in einem Interview mit der Unternehmeredition.
Aktuell betreiben die Franken Modehäuser an 38 Standorten in Deutschland mit Fokus auf bekannte Modemarken für die ganze Familie. Der geografische Schwerpunkt liegt weiterhin in Bayern, aber Wöhrl betreibt auch weitere Modehäuser in Baden-Württemberg, Berlin, Sachsen und Sachsen-Anhalt.
Kapitalmarktluft schnuppern
Um das weitere Wachstum zu finanzieren, hat Wöhrl Anfang 2013 eine Anleihe begeben. Mit diesem Schritt öffnete sich das Familienunternehmen zum einen dem Kapitalmarkt und konnte zum anderen 30 Mio. EUR einsammeln. Weiter will sich Wöhrl jedoch dem Kapitalmarkt nicht öffnen. „Private Equity oder ein Börsengang wären für uns nicht geeignet, da wir Wöhrl zu 100% in Familienbesitz halten möchten. Die Anleihe ist für uns genau das richtige Instrument, da es uns die geeignete Flexibilität bietet“, erklärt Olivier Wöhrl im Interview mit dem BondGuide. „Unsere Vision ist es, der erfolgreichste familiengeführte Modefilialist in Deutschland zu werden.“
Der Erlös aus der Anleihe soll vornehmlich dafür verwendet werden, um die Modekette Sinn-Leffers zu übernehmen. Mit diesem Zug vergrößert Familie Wöhrl ihre Reichweite. Im Geschäftsjahr 2012/13 ging der Umsatz von 271,1 Mio. auf 268 Mio. EUR zurück. Auch der Rohertrag sank leicht um 0,6 Mio. EUR auf 127,4 Mio. EUR. Trotzdem blickt Wöhrl optimistisch auf die Zukunft – besonders auf die Übernahme von Sinn-Leffers: „Mit insgesamt 60 Modehäusern, 4.000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von mehr als 600 Mio. EUR verfügen wir über eine starke Basis für eine erfolgreiche Zukunft. Unser Ziel ist es, die Gruppe durch Bündelung und effiziente Nutzung der gemeinsamen Kräfte zum erfolgreichsten filialisierten Multibrand-Anbieter in Deutschland zu machen“, kommentiert Olivier Wöhrl den großen strategischen Schritt.
Fazit
Seit drei Generationen lenkt Familie Wöhrl die Geschicke des Modeunternehmens und hat sich dabei über die Anleihe leicht dem Kapitalmarkt geöffnet. Die Anleihe überzeugte die Investoren und notiert weiterhin über pari. Da ist es eigentlich fast schade, dass ein Börsengang ausgeschlossen ist, könnte es sich doch als solides Investment erweisen. Aber wer weiß – was nicht ist, könnte ja vielleicht noch werden.