Dr. Cornelia Wendel, Senior Associate, DLA Piper

Eine sich fortlaufend wandelnde „best practice“, aber auch veränderte wirtschaftliche Rahmenbedingungen machen bei vielen Gesellschaften Anpassungen und Justierungen der Höhe und Struktur der Vergütung des Aufsichtsrats erforderlich.

Ausgangslage
In diesem Zusammenhang kann sich dann die Frage stellen, ob die neue Aufsichtsratsvergütung bereits für das laufende Geschäftsjahr beschlossen werden kann, auch wenn nicht sicher ausgeschlossen werden kann, dass sich bei einer Veränderung oder Deckelung der variablen Vergütung (möglicherweise trotz gleichzeitiger Anhebung der Festvergütung) unter dem Strich eine Herabsetzung der Aufsichtsratsvergütung ergibt. Dies war die Situation, mit der sich das LG München I in seinem Urteil vom 27. Dezember 2012 – 5 HK O 9109/12 (BeckRS 2013, 01391) zu befassen hatte: Die Festvergütung des Aufsichtsrats wurde durch einen Beschluss der Hauptversammlung im September 2010 von 25.000 EUR auf 30.000 EUR angehoben. Bei der dividendenabhängigen variablen Vergütung wurde der Berechnungsmodus zwar beibehalten, neu eingeführt wurde aber ein Cap in Höhe von 15.000 EUR. Die neue Regelung sollte für das gesamte laufende Geschäftsjahr 2010 gelten. Die ordentliche Hauptversammlung im Mai 2011 beschloss dann eine Dividende, die zu einer deutlich über dem Cap liegenden variablen Vergütung geführt hätte. Die Gesellschaft zahlte den (zwischenzeitlich aus der Gesellschaft ausgeschiedenen) Aufsichtsratsmitgliedern für das Geschäftsjahr 2010 neben der Fixvergütung jedoch nur die in ihrer Höhe begrenzte variable Vergütung aus.

Leitlinien für die Zulässigkeit einer unterjährigen Herabsetzung der Auf sichtsratsvergütung schaffen Klarheit: variable Ver gütung – ja; feste Vergütung – nein. Quelle: PantherMedia/lightwise

Entscheidung
Im Rahmen einer auf Zahlung der höheren Vergütung gerichteten Leistungsklage entschied das LG München, dass die rückwirkende Herabsetzung der variablen Vergütung für das laufende Geschäftsjahr 2010 zulässig war. Es folgte damit der wohl überwiegenden Literaturmeinung und wandte sich damit gegen die Meinungen, dass eine generelle Herabsetzung der laufenden Vergütung von vornherein unzulässig sei bzw. dass eine Änderung nur mit Wirkung ex nunc, also nur für den noch nicht abgelaufenen Teil des Geschäftsjahres, erfolgen könne. Das LG München differenziert im Ergebnis zwischen der festen Vergütung, für die eine unterjährige Herabsetzung nicht zulässig sei (vgl. LG München I, Urteil vom 6. August 2012, Az. 5 HK O 1378/12), und der variablen Vergütung. Zwar entstehe auch letztere grundsätzlich bereits mit Beginn des jeweiligen Geschäftsjahres, im Gegensatz zur festen Vergütung werde hier aber noch kein schutzwürdiges Vertrauen des Aufsichtsratsmitglieds begründet, da noch ungewiss sei, ob und in welcher Höhe die variable Vergütung tatsächlich entstehe. Das Gericht erkannte an, dass durch die Änderung der Aufsichtsratsvergütung zwar mögliche Erwartungen der Aufsichtsratsmitglieder nicht realisiert wurden. Dem könne aber kein genereller Vorrang vor dem von der Hauptversammlung mit der Änderung verfolgten Ziel eingeräumt werden, nämlich eine angemessene Aufsichtsratsvergütung festzulegen. Hier habe die Hauptversammlung grundsätzlich einen weiten Beurteilungsspielraum, den sie auch im vorliegenden Fall nicht überschritten habe.

Fazit
Die aktuelle Entscheidung des LG München in Zusammenschau mit seiner Entscheidung vom 6. August 2012 zeigt klare Leitlinien für die Zulässigkeit einer unterjährigen Herabsetzung der Aufsichtsratsvergütung auf (variable Vergütung: ja; feste Vergütung: nein). Für die Praxis bedeutet dies eine größere Rechtssicherheit und eröffnet – jedenfalls bei der variablen Vergütung – auch die Möglichkeit einer kurzfristigen Anpassung der Aufsichtsratsvergütung. Es hängt dann von der Situation der Gesellschaft ab, wie sie mit rechtlich zwar nicht relevanten, tatsächlich aber möglicherweise vorhandenen Vergütungserwartungen ihrer Aufsichtsratsmitglieder umgehen will und ob sie eine mögliche Amtsniederlegung akzeptieren kann.

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