Tipp Nr. 4: Gesetzlichen Spielraum nicht einschränken
Häufig finden sich in Hauptversammlungseinladungen gerade bei Ermächtigungen zu Kapitalmaßnahmen Formulierungen, die den gesetzlichen Spielraum verkürzen. So lässt das Gesetz etwa die sogenannte 10%-Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss zu, wenn der Ausgabebetrag „den Börsenpreis nicht wesentlich unterschreitet“. Nicht selten finden sich nun Konkretisierungen dazu, welcher Börsenpreis hier gemeint oder was unter „nicht wesentlich“ zu verstehen ist. In diesem Bereich ist aber nach wie vor vieles ungeklärt. Ersetzt man die gesetzliche Formulierung durch konkrete Vorgaben, wie etwa, dass auf einen bestimmten Kurs abzustellen ist, beraubt man sich des Spielraums dafür, später möglicherweise einen anderen Kurs zu wählen, der ebenso vertretbar erscheint. Eine Wiedergabe des Gesetzestextes an dieser Stelle lässt hingegen alle Alternativen offen, später im Rahmen dessen, was gesetzlich zulässig ist, die für das Unternehmen bestmögliche Lösung auszuwählen. Rechtsprechung, die umgekehrt eine entsprechende Konkretisierung fordert, liegt jedenfalls höherinstanzlich nicht vor, so dass es keinen Grund für die Selbstbeschränkung gibt.

Tipp Nr. 5: Mut in der Hauptversammlung kann sich später auszahlen
Im Rahmen der Vorbereitung von Hauptversammlungen ist in der Regel die Devise von Bedeutung, den sichersten Weg zu gehen. Manchmal kann es sich jedoch auch anbieten, etwas mutiger nicht höchstrichterlich geklärte Vorgehensweisen zu wählen, wenn das Risiko einerseits überschaubar ist und der Erfolg auf der anderen Seite das Risiko rechtfertigen kann. Ein Beispiel hierfür ist der Bezugsrechtsausschluss. In Zeiten unruhiger Kapitalmärkte und einer sich wandelnden Bankenlandschaft gilt es, ein möglichst hohes Maß an Flexibilität zu wahren. Üblicherweise werden die Ermächtigungen zum Bezugsrechtsausschluss beim genehmigten Kapital oder auch bei Wandelschuldverschreibungen, Optionsschuldverschreibungen oder Genussrechten so formuliert, dass ein Bezugsrechtsausschluss durch den Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats beschlossen werden kann, wenn einer der im Beschluss enumerativ genannten Fälle vorliegt. Diese Fälle umfassen dann regelmäßig den Bezugsrechtsausschluss für Spitzenbeträge, Sachkapitalerhöhungen und 10%-Kapitalerhöhungen sowie darüber hinaus manchmal zum Zwecke des Verwässerungsschutzes von ausgegebenen Wandelschuldverschreibungen oder zur Bedienung von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen. Die Rechtsprechung lässt allerdings weitergehende Möglichkeiten zu, so beispielsweise einen Bezugsrechtsausschluss in Sanierungsfällen. Eine abschließende Aufzählung der zulässigen Maßnahmen kennt die Rechtsprechung nicht, sondern will jeden Einzelfall untersuchen. Die Praxis schreckt meist davor zurück, an dieser Stelle in den Beschlussvorschlägen an die Hauptversammlung Generalklauseln zu nutzen, wie etwa diejenige, dass ein Bezugsrechtsausschluss in allen Fällen, die im wohlverstandenen Interesse der Gesellschaft liegen, zulässig ist. Unsere Erfahrung mit solchen Formulierungen ist allerdings bislang stets positiv gewesen. Unseres Erachtens steht dies auch im Einklang mit den Vorgaben des Bundesgerichtshofs. Es wird erlaubt, wofür eine – vom Bundesgerichtshof für zulässig erachtete – „Blankoermächtigung“ mit einer Laufzeit von fünf Jahren gerade gedacht ist, nämlich auch nicht vorhersehbare Fälle des Bezugsrechtsausschlusses zu ermöglichen. Hier kann etwas Mut gefordert sein, der aber schon in manchem Fall belohnt wurde, wenn es hinterher darum ging, von einer Ermächtigung Gebrauch zu machen.

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