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Nach drei Jahren Erfahrung mit der virtuellen HV kehren viele Unternehmen zur Präsenz-HV zurück. Doch auch Rufe nach der kombinierten Lösung, der sogenannten hybriden Aktionärsversammlung, werden lauter. 2024 wird zeigen, welches Format sich durchsetzt.

Dreieinhalb Jahre lang hat die Digitalisierung bedingt durch die Coronapandemie einen nie dagewesenen Schub erfahren. Homeoffice, Zusammenarbeit auf Distanz und virtuelle Meetings wurden gang und gäbe. Das Jahr 2023 war das erste seit 2019, in dem keine pandemiebedingten Einschränkungen mehr galten. Und obwohl sich die digitale Arbeitsweise etabliert hat, holen viele Arbeitgeber ihre Mitarbeiter zumindest teilweise zurück ins Büro. Gleiches kann man bei Hauptversammlungen beobachten: So haben sich fünf der neun Aktiengesellschaften, für die die m:con – mannheim:congress GmbH die Hauptversammlungen umsetzt, für eine Rückkehr zur Präsenz entschieden. Die vier anderen HVs fanden rein virtuell statt – keine der neun Aktiengesellschaften hat sich für eine hybride Durchführung ihrer Hauptversammlung entschieden. Einige der Präsenzversammlungen wurden zwar in das Aktionärsportal gestreamt, allerdings ohne Beteiligungsmöglichkeit für die Zuschauer, sondern lediglich als Erweiterung der Präsenzveranstaltung.

Virtuelle Hauptversammlungen – Learnings aus den Vorjahren

Vor allem in Sachen Location und Infrastruktur haben die Unternehmen gelernt. Die Nutzung eigener Besprechungsräume am ­Unternehmensstandort für eine Hauptversammlung ist für alle Beteiligten herausfordernd, denn oftmals bieten diese nicht den notwendigen Platz sowie die ­Deckenhöhe für ein professionelles Studio-­Set-up. Auch die teils sicherheit­relevante Infrastruktur ist nicht immer ­gegeben und Regie, Backoffice und Dienstleister mussten oftmals in die ­angrenzenden Räumlichkeiten ausweichen.

Aufgrund des hohen Aufwands, den die Umsetzung in eigenen Räumlichkeiten mit sich bringt, und nicht zuletzt auch durch die Rückkehr der Mitarbeitenden in Büros und Besprechungsräume sind die allermeisten Hauptversammlungen – sowohl in Präsenz als auch virtuell – in Kongresszentren bzw. auf Messegelände zurückgekehrt oder ausgewichen.

Neben der Professionalisierung des HV-Studio-Set-ups werden, im Unterschied zu der Zeit vor der Pandemie, auch die einzelnen Aktionäre anders in den Ablauf eingebunden und auf mögliches Zuschalten vorbereitet. Aufgrund einiger Änderungen im deutschen Aktiengesetz müssen Anleger ihre Fragen nicht mehr bis mindestens 24 Stunden vor der HV einreichen. Die virtuelle HV hat sich in diesem Punkt dem Ablauf einer Hauptversammlung in Präsenz stark angenähert. Anleger können nun auch bei virtuellen HVs ihre Auskunfts- und Antragsrechte direkt wahrnehmen, vergleichbar dem Fall einer Präsenz-HV. Da diese Option nun vonseiten der Aktiengesellschaft und weiterführend der Dienstleister gewährleistet werden muss, müssen in logischer Konsequenz auch die verwendeten digitalen Plattformen diesen Anforderungen gerecht werden. Neben der einfachen Bedienbarkeit muss den Anlegern klar ersichtlich sein, wie sie sich zu Wort melden bzw. zuschalten können. Vor dem tatsächlichen Liveschalten wurde mit den Aktionären ­eine Art Onboarding-Prozess durchgeführt, in dem sie von einem Mitarbeiter angeleitet wurden. Dieses Onboarding besteht vor allem aus Kamera- und Mikrofonchecks ­sowie Hilfestellungen zum passenden Hintergrundbild während der Schalte.

Quelle: m:con – mannheim:congress GmbH; *) Technische Umsetzung/Betreuung

Die hybride Hauptversammlung – noch Zukunftsmusik?

Doch warum nicht das Plus aus beiden ­Welten, der Präsenz-HV und der virtuellen HV, in einer verbinden? Eine hybride Hauptversammlung bietet nicht zuletzt aus Sicht der Anleger einige Vorteile, werden doch ­immer häufiger Stimmen laut, dass die Teilnahme an verschiedenen Hauptversammlungen nicht möglich sei, da viele Unternehmen diese am selben Termin veranstalten. Anleger sparen hier Reisezeit und -kosten und könnten durch die virtuelle Umsetzung in kürzerer Zeit an mehreren Veranstaltungen teilnehmen. Gleichwohl steht es den Aktionären bei einer hybriden HV nach wie vor frei, auch in Präsenz teilzunehmen. ­Anleger mit hoher digitaler Affinität nehmen virtuell teil, Aktionäre mit Präferenz für den persönlichen Austausch am Rande der Hauptversammlung kommen nach wie vor an den Veranstaltungsort.

Entscheiden sich Unternehmen für eine hybride Umsetzung, haben sie sicherlich in Sachen Komfort bei den eigenen Anlegern „einen Stein im Brett“. Allerdings ist diese Veranstaltungsart mit deutlich ­höheren Kosten verbunden. Mittlerweile ist hinlänglich bekannt, dass eine virtuelle HV nicht die kostengünstigere Alterna­tive, sondern lediglich eine andere Art der Umsetzung derselben Veranstaltung mit mindestens gleichbleibenden Kosten ist. Komplexe Kameratechnik, eine ausreichende und redundante Strom- und Internetverbindung sowie eine rechtssichere Abstimmungs- und Zuschaltmöglichkeit für die Anleger sind also keine günstigeren Alternativen zu den vermeintlich kostenintensiven Elementen einer Präsenzveranstaltung wie Locationmiete, Personalkosten und Catering.

Abgesehen vom Kostenfaktor sind für die Durchführungeiner hybriden Hauptversammlung sowie für die Ausgestaltung und Festlegung der Rechte der Aktionäre vor Ort und der zugeschalteten Anleger Satzungsänderungen nötig.

Foto: © m:con

Hinsichtlich der Inszenierung müsste bei einer hybriden Durchführung ebenfalls umgedacht werden. Hauptversammlungen in Präsenz profitieren häufig von opulenten Bühnenbildern sowie weiteren Gestaltungsmöglichkeiten im Veran­stal­tungs­ort abseits der Bühne. Bei einer virtuellen HV spielt die visuelle Präsentation zwar ebenfalls eine große Rolle, muss aber ­anders und im Sinne von Kameraperspektiven bzw. einem Fernsehstudio gedacht werden. Eine hybride HV kombiniert diese beiden Elemente miteinander und bietet damit eine ganz neue Herausforderung.

Ökologische Nachhaltigkeit als Argument für ­Digitalisierung

Die Unternehmen begründen ihre Entscheidung für eine virtuelle Hauptversammlung nicht selten auch damit, ökologisch nachhaltiger agieren zu wollen. Lange Individualanreisen und damit verbundene negative Auswirkungen auf die Umwelt können durch eine digitale Umsetzung vermieden werden. Gleichwohl steht dieser Einsparung ein erhöhter Energie- sowie Ressourcenbedarf für eine virtuelle HV gegenüber. Bei ­einer hybriden Hauptversammlung treten diese Phänomene gleichzeitig auf und das Argument der ökologischen Nachhaltigkeit verliert deutlich an Gewicht.

Fazit

Es ist noch nicht abzusehen, welche HV-Variante sich durchsetzen wird. Während die Unternehmen im DAX in diesem Jahr die virtuelle Hauptversammlung klar zu ­ihrem Favoriten erklärt haben – 28 der 40 Unternehmen haben sich für eine virtuelle Umsetzung entschieden –, sieht die Verteilung bei den Kunden der m:con – mannheim:congress GmbH (Stand Ende November 2023) ähnlich wie im diesjährigen MDAX aus. Es hielt sich die Waage zwischen dem virtuellen und dem Präsenzformat.

Autor/Autorin

Sabrina Bederke

Sabrina Bederke ist Manager Technical Planning Corporate & Shows bei der m:con - mannheim:congress GmbH.

Joachim Grafen

Joachim Grafen ist Head of Conception & Creation bei m:con.

Nadine Röhrich

Nadine Röhrich ist Marketing Communications Specialist bei m:con.