Dabei sind gerade sie es, die dazu beitragen können, eine offene und transparente Kommunikation aktiv zu fördern, die Diskussion zu versachlichen und damit das verlorene Vertrauen der Anleger zurückzugewinnen.

Dem Kapitalmarkt ist es in den vergangenen Jahren nicht viel besser ergangen als schon 1974 der Protagonistin in Heinrich Bölls „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“: Diese gerät, zuvor unbescholten und gesellschaftlich anerkannt, über den zufälligen Kontakt zu einem Verbrecher in die Boulevardpresse, wird dort verleumdet und in der Folge von ihrer Umwelt mehr und mehr verachtet, obwohl sie eigentlich integer ist. Die Parallelen zur derzeit geführten öffentlichen Debatte, in der den Kapitalmarktteilnehmern pauschal das Vertrauen entzogen wird, sind offensichtlich. Allerdings: Was Katharina Blum fehlte, hat der Kapitalmarkt – Fürsprecher wie den DIRK oder die IR-Experten in den Unternehmen, die versuchen, ein differenzierteres Bild der aktuellen Situation und der potenziellen Entwicklungen zu zeichnen.

Die neue Wertedebatte und die Rolle von IR
Ein Gutes hat die Finanzkrise: Eine vielleicht längst überfällige Wertedebatte ist in vollem Gange. Schlagworte wie „ethischer Kapitalismus“, „kollektive Wohlfahrt“ und „moralische Verantwortung“ machen deutlich, in welche Richtung sich unsere Marktwirtschaft verändert, ja, verändern muss. Damit sind auch viele Unternehmen gefordert, ihre Strategie anzupassen. Sicherlich: Auch künftig wird es in der Wirtschaft darum gehen, Gewinne zu erzielen – allerdings nicht länger, ohne dabei nach rechts und links zu schauen, gesellschaftliche Belange zu berücksichtigen und soziale Verantwortung zu übernehmen. Hier kann IR einmal mehr seine zentrale Funktion als Schnittstelle zwischen Unternehmen und Markt wahrnehmen. Zwei aktuelle Trends unterstützen IR dabei: Nachhaltigkeit und Social Media.

Nachhaltigkeit: CSR, ESG & Co.
Unabhängig von der aktuellen Werte- und Vertrauensdebatte, aber durchaus damit verknüpfbar, ist Nachhaltigkeit ein Trend, an dem IR nicht vorbeikommt. Viele Unternehmen haben sich als Teil ihrer „Corporate Values“ unter Stichworten wie CSR (Corporate Social Responsibility) und ESG (Environmental, Social, Governance)-Reporting bereits dem nachhaltigen und gesellschaftlich verantwortlichen Wirtschaften verpflichtet; zusätzlich folgen die meisten den Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex. Sie sehen dies als Teil ihres Selbstverständnisses, versuchen damit aber auch ganz gezielt, das Vertrauen von Kunden, Anlegern, Mitarbeitern, Politik und Gesellschaft in ihr Handeln zu stärken. Zusätzlich zu den Geschäftsberichten stehen deshalb in vielen Unternehmen inzwischen regelmäßig Umwelt- oder Nachhaltigkeitsberichte auf der To-do-Liste der Kommunikationsabteilungen.

Die wachsende Bedeutung des Themas Nachhaltigkeit ist zugleich eine große Chance für die Kapitalmarktkommunikation: IR-Abteilungen können als Inkubatoren im eigenen Unternehmen auftreten und sich nach außen mit ESG-Themen positionieren, beispielsweise indem sie aussagekräftige Nachhaltigkeitsberichte erstellen (helfen), an Nachhaltigkeitsratings teilnehmen, sich um die Aufnahme in Nachhaltigkeitsindizes bemühen oder spezielle Analysten- und Investorenveranstaltungen zum Thema anbieten. Das lohnt sich, denn der Anteil der Finanzanlagen, die auf der Grundlage nachhaltiger Kriterien zusammengesetzt sind, und die Zahl der Investoren, die ihr Kapital in aus ihrer Sicht „moralisch unbedenkliche“ Unternehmen investieren, nehmen stetig zu. Nicht zuletzt deshalb wird Nachhaltigkeit zum integralen Bestandteil der Unternehmensbewertung, und in vielen Investmenthäusern etablieren sich eigene Experteneinheiten zu dem Thema, die ihre Risiken-Chancen-Betrachtung in die Unternehmensbewertung einfließen lassen.*

Social Media: Mailen Sie noch oder twittern Sie schon?
Facebook, Twitter, Xing – das Web 2.0 hat uns viele Möglichkeiten beschert, miteinander in Kontakt zu treten und zu bleiben. Neben den großen Kontaktnetzwerken mit jeweils mehreren Millionen Nutzern gibt es jedoch noch viele kleinere Plattformen, die sich auf enger umrissene Themengebiete konzentrieren. Um hier den Überblick zu behalten, hilft z.B. ein Blick auf die Social Media Landscape von Fred Cavazza (s. Abbildung) mit der ganzen Bandbreite moderner Kommunikationskanäle. IR-Abteilungen sollten sich jedoch zu Beginn auf einige führende Plattformen konzentrieren – z.B. YouTube für Videos, Twitter und Facebook für Informationen rund um das Unternehmen. Der Weg von einem guten Online-Auftritt zu Social Media ist einfacher, als viele vermuten.

Und was haben BASF und GfK gemeinsam? Sie twittern. Und nicht nur sie. Über Aktienkurse, Informationen rund um die Berichterstattung, wichtige Unternehmensereignisse und so ganz nebenbei oder sehr offensichtlich auch über ihre Produkte und Dienstleistungen. Die Devise, der Einsteiger in Social Media folgen sollten, lautet jedoch: Erst lesen, dann schreiben. Nur wer sich aktiv beteiligt, bekommt ein Gefühl für die neuen Medien und die Bedürfnisse seiner Zielgruppen. Wie wäre es z.B. mit einem eigenen IR-Twitter-Account?

Rückkehr zur Sachlichkeit
An der Ehrenrettung für den Kapitalmarkt und seiner Rückführung zur Integrität können IR-Verantwortliche mit ihren Mitteln also durchaus tatkräftig mitarbeiten – mit der Sachlichkeit, die ihrer Funktion eigen und angemessen ist. Das Thema „IR als Garant für Sachlichkeit“ steht auch im Mittelpunkt der 13. DIRK-Jahreskonferenz am 17. und 18. Mai in Frankfurt am Main. Dort werden außerdem die Themen Nachhaltigkeit und Social Media im IR-Kontext diskutiert (siehe www.dirk.org/DIRK-Jahreskonferenz.html).

Von Kay Bommer, Geschäftsführer, Deutscher Investor Relations Verband (DIRK)


*) Vgl. KPMG-Handbuch zur Nachhaltigkeitsberichterstattung 2008/2009, Download unter www.dirk.org/IR-Studien.html > Studien 2010

Ursprünglich erschienen in der GoingPublic Ausgabe 4/2010.

 

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