Zunächst übernahmen die Citibank und die Royal Bank of Scotland – unter Beauftragung des spezialisierten Dienstleisters Lucid Issuer Services Ltd. – die Erstellung einer aktuellen Bondholder-Liste. Große internationale Investoren waren ebenso engagiert wie deutsche Kleinanleger, die z.T. Stückelungen von gerade einmal 1.000 EUR hielten. Einige Anleihen waren mehr als zehn Jahre alt und hatten vermutlich viele Eigentümerwechsel hinter sich. Um das zweite Problem – das komplizierte Abstimmungsprozedere – zu lösen, wurde Lucid eine Abwicklungs- und Vertreterfunktion übertragen. Als Stimmrechtsbevollmächtigter der Bondholder und gleichzeitig Prozessgehilfe des Notars konnte Lucid so die gesetzlich geforderte schriftliche Abstimmung unterstützen.

Credit-Story muss überzeugen

Am 15. November erhielten die ermittelten Investoren eine persönliche Nachricht mit der Aufforderung, über den Schuldnerwechsel abzustimmen. Zeitgleich verbreitete innogy die Informationen über Unternehmensmedien, die Börsenpflichtblätter (Bundesanzeiger und Luxemburger Wort), den innogy-Investoren-Verteiler und spezialisierte Nachrichtendienste wie Bloomberg. Die Liability-Management-Abteilungen der mandatierten Banken telefonierten die bekannten Investoren ab. Eine Webseite erklärte den Investoren, wie sie ihre Stimme abgeben konnten, und stellte entsprechende Formularvordrucke bereit. Lucid richtete eine Hotline ein, um die Investoren telefonisch über den Abstimmungsprozess zu informieren.

Bereits Monate vorher hatte innogy in der regulären und situationsspezifischen IR-Arbeit die bedeutendsten internationalen Anleger über die anstehenden Veränderungen informiert. Unmittelbar vor der Transaktion warben IR- und Treasury-Verantwortliche auf einer einwöchigen Roadshow erneut für die Zustimmung. Die persönliche Präsenz war wichtig, da den Investoren keine Abstimmungsprämie offeriert, sondern ausschließlich auf die Bonitätsverbesserung abgestellt wurde. Die Credit-Story musste diese Verbesserung also glaubhaft vermitteln, denn die Gesellschaft hatte zu dem Zeitpunkt ja keine Historie. Hilfreiche Argumente waren in diesem Zusammenhang die eigenständigen Investment-Grade-Ratings der Agenturen Fitch und Standard & Poor’s, die Finanzkennzahlen zur Verschuldungs-, Ertrags- und Liquiditätssituation (inkl. zukünftiger Richtwerte) sowie das Geschäftsprofil von innogy, das stabile Erträge aus dem überwiegend regulierten Netzgeschäft und der quasiregulierten Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien erwarten lässt.

Erfolgreicher Garanten- und Schuldnerwechsel

Am 13. Dezember 2016 wurden die Ergebnisse der ersten Abstimmungen veröffentlicht: In 14 von 16 parallel organisierten Abstimmungen für den Garantiewechsel nach SchVG hatte innogy das notwendige Quorum von mindestens 50% sowie die erforderliche qualifizierte Mehrheit von 75% im ersten Wahlgang erreicht. Bei zwei Anleihen musste die Abstimmung aufgrund zu geringer Beteiligung eine zweite Runde durchlaufen und erreichte dann das geforderte Quorum von 25% und eine qualifizierte Mehrheit von 75%.

Für zwei Anleihen, die nicht auf Grundlage des SchVG übertragen werden konnten, wurde eine individuelle Lösung gefunden. Am 28. Februar konnte das Unternehmen die Transaktionen abschließen – mit Blick auf das erhebliche Anleihevolumen, die Vielzahl und Heterogenität der Gläubiger sowie die teilweise geringe Stückelung ein schneller Erfolg.

Die Erfahrungen von innogy zeigen, wie wichtig die dealbezogene, aber auch die laufende IR-Arbeit im Vorfeld einer Transaktion sind. Der Informationsbedarf der Investoren ist hoch, und das Unternehmen muss nicht nur umfassende Daten zur Risikoeinschätzung, sondern auch eine überzeugende Credit-Story liefern. Erfolgsentscheidend war im konkreten Fall zudem die enge Kooperation der Beteiligten: Dazu gehörten neben IR und Treasury auf Unternehmensseite auch die Banken, die Notarin, verschiedene Anwälte (vor allem Hengeler Müller) in Deutschland und in den Niederlanden, Lucid und diverse Dienstleister für die Veröffentlichungen. Dank der gut koordinierten Zusammenarbeit konnte innogy den in Europa einzigartigen Garanten- und Schuldnerwechsel trotz aller Komplexität zum Erfolg führen.

Von der IPO-Ankündigung bis zum Garanten- und Schuldnerwechsel: Ein zeitlicher Überblick

1. Dezember 2015 Öffentliche Bekanntmachung des Projektes zur Trennung der Geschäftssparten
1. April 2016 Operativer Start der neuen Gesellschaft (spätere innogy SE)
7. Oktober 2016 Börsengang von innogy
15. November 2016 Ankündigung des Abstimmungsprozesses für Garanten- und Schuldnerwechsel
18. November 2016 Beginn einer einwöchigen internationalen Roadshow
13. Dezember 2016 Veröffentlichung der Ergebnisse der ersten Abstimmungen (basierend auf SchVG)
21. Dezember 2016 innogy wird neuer Schuldner für zwei Anleihen, die nicht mit dem Schuldverschreibungsgesetz transferiert wurden (Yen- und Euro-Anleihe)
11. Januar 2017 Veröffentlichung der Ergebnisse der zweiten Abstimmungen (basierend auf SchVG)
28. Februar 2017 Erfolgreicher Abschluss des Garanten- und Schuldnerwechsels

 

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