Emittenten von Namensaktien genießen den großen Vorteil, ihre Aktionäre genau zu kennen. Dies beschränkt sich zunächst jedoch vorwiegend auf die inländischen Anleger – im Zeitalter der Globalisierung und Internationalisierung verschwindet ein steigender Anteil ausländischer Investoren hinter sogenannten Nominees. Hier bietet das Aktiengesetz seit 2008 mit dem Auskunftsverlangen eine sehr effektive Methode, für diesen Aktionärskreis Transparenz zu gewinnen. Obwohl sich dieses Verfahren bereits in der Praxis bewährt hat, nutzen bisher nur wenige Gesellschaften das Auskunftsverlangen. Dies verwundert umso mehr, als dass sich neben der verbesserten Kenntnis der Aktionäre auch weitere Vorteile ergeben: So kann man beispielsweise den direkten Kontakt zu den Aktionären aufbauen und damit die Hauptversammlungspräsenz deutlich verbessern.

Die Allianz SE verfügt über eine lange Tradition mit Namensaktien. Bereits im Jahr der Gründung 1890 wurden Namensaktien an die Aktionäre ausgegeben. Das Aktienregister ist seither eine wesentliche Stütze der Aktionärskommunikation. Mit Auflösung der Deutschland AG und zunehmendem Interesse ausländischer Investoren an deutschen Aktien war auch die Allianz von einer zunehmenden Internationalisierung des Aktionärskreises betroffen. Inzwischen werden bei der Allianz über 70% der Aktien von ausländischen Investoren gehalten. Im Aktienregister sind dafür in der Regel Verwahrbanken, sogenannte Nominees, eingetragen, so dass häufig der wahre Aktionär nicht direkt im Register zu finden ist.

Dieses Defizit wurde inzwischen auch vom Gesetzgeber erkannt. Mit dem Risikobegrenzungsgesetz wurden Ende 2008 Instrumente im Aktiengesetz etabliert, die hier auf wirksame Weise ansetzen. Zum einen ist es möglich, durch Satzungsregelungen die Eintragung von Nominees und damit deren Stimmberechtigung zu beschränken bzw. an die Offenlegung der dahinter stehenden Investoren zu knüpfen. Zum anderen gibt es mit dem Auskunftsverlangen einen Rechtsanspruch, die Verwahrbanken und Nominees zu fragen, für welche Investoren sie die Aktien halten. Wird diese Auskunft nicht erteilt, droht die Ahndung als Ordnungswidrigkeit oder der Stimmrechtsentzug.

Allianz als Vorreiter

Von den neuen Möglichkeiten hat die Allianz erfolgreich Gebrauch gemacht. Klares Ziel ist, die Aktionärstransparenz zu erhöhen. Nominees werden aufgrund der durch die Hauptversammlung im Jahr 2009 beschlossenen Satzungsregelung nur noch bis zu 3% Anteil am Grundkapital in das Aktienregister eingetragen, und das nur, soweit sie alle Investoren offenlegen, die mehr als 0,2% am Grundkapital halten. Außerdem wird seit Anfang 2010 das Auskunftsverlangen konsequent angewandt, um die Investoren im Ausland regelmäßig zu identifizieren und dafür zu werben, nennenswerte Bestände direkt auf den Namen des Investors in das Register einzutragen. So sind quartalsweise Auskunftsverlangen mittlerweile Standard bei der Allianz. Die Auskunftsverlangen liefern der Allianz Aufschluss über weitere bis zu 40% der Aktien, die vorwiegend von ausländischen institutionellen Investoren gehalten werden. Diese ergänzen die überwiegend inländischen Anteilseigner, die für fast 30% der Aktien direkt im Aktienregister eingetragen sind. Kleinere Nominees, hinter denen sich erfahrungsgemäß ausländische Privataktionäre und kleinere Institutionelle verbergen, werden derzeit aus Aufwandsgesichtspunkten nicht angefragt.

Transparenzgewinn auch bei der Hauptversammlung

Ausländische Investoren waren teilweise auch vorher aus Shareholder-Identification-Studien bekannt, allerdings bei einigen Märkten – wie Asien – nur eingeschränkt. Im Rahmen des Auskunftsverlangens konnten nun die Verwahrstrukturen, das heißt die Depotverbindungen zwischen Investoren und den beteiligten Nominees, herausgearbeitet werden. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse bringen auch eine deutliche Erleichterung im Hauptversammlungsprozess mit sich. Die genaue Kenntnis der Intermediärstrukturen hilft bei der Durchleitung von HV-Anmeldungen und Abstimmweisungen, die der direkten Kontaktaufnahme mit den Investoren folgen. Damit werden Proxy-Solicitation-Kampagnen unterstützt, Ansprechpartner frühzeitig kontaktiert, die beteiligten Intermediäre und Lagerstellen besser eingebunden. So kann ein wesentlicher Beitrag zur Stabilisierung bzw. Erhöhung der HV-Präsenz durch die Einbeziehung der Aktionäre über Ländergrenzen hinweg erzielt werden.

Die Allianz SE konnte durch Auskunftsverlangen und Offenlegung der Investoren deutlich mehr Transparenz auch in der Hauptversammlung schaffen. „Ross und Reiter“ werden bei den abstimmenden Aktionären sichtbar. Und für die HV-Präsenz konnte wieder ein stabiler Wert in Höhe von 44 bis 45% des Grundkapitals in den letzten beiden Hauptversammlungen nach rund 37% im Jahr 2010 erreicht werden. Das ist umso bedeutsamer, als die Allianz nicht mehr über Groß- bzw. Ankeraktionäre verfügt.

Mit Namensaktien gut gerüstet

Die direkten Kontakte zu den identifizierten Investoren helfen auch für verbesserte Investor Relations. Bei der Allianz konnten so rund 4.000 neue Adressen von ausländischen institutionellen Investoren in das Aktienregister aufgenommen werden, und das ohne Nebenwirkungen. Sanktionsmaßnahmen wie Stimmrechtsentzug waren aufgrund der Mitwirkung aller Marktteilnehmer nicht erforderlich. Auch Nachteile für die Attraktivität der Aktie und vermeintliche Einschränkungen der Handel- oder Lieferbarkeit sind nicht zu beobachten. Nach über 2 1/2 Jahren konsequenter Anwendung der neuen Instrumente des § 67 AktG können wir von einer Erfolgsgeschichte sprechen. Es gibt bereits Nachahmer bei kleineren Häusern, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis weitere DAX-Emittenten diesem Konzept folgen werden. Das Aktienregister erreicht durch die Anreicherung der Nominee-Eintragungen mit den Daten der wahren Aktionäre eine neue Qualität. Auch wenn hier noch nicht die vom Inland gewohnte kontinuierliche Bestandsentwicklung der Aktionäre auf Tagesbasis wie in einem Film verfolgt werden kann, ist dennoch das regelmäßige Vermerken der hinter den Nominee- bzw. Omnibuskonten stehenden Investoren mit ihren Aktienbeständen in Form von Schnappschüssen sehr erhellend. So sind Veränderungen in der Aktionärsstruktur und deren Zusammenhänge frühzeitig erkennbar. Das gibt Gesellschaften mit Namensaktien die Möglichkeit, schneller zu reagieren und auf die Aktionäre zuzugehen.

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