Kein halbwegs normaler Mensch würde sich unter normalen Umständen einer derartigen Prozedur unterwerfen: Zum Zwecke der Versteigerung werden die sieben Abgesandten in Hochsicherheitsräume einer ehemaligen Kaserne in Mainz für unbestimmte Zeit von der Außenwelt isoliert. Zuvor wurde die Liquidität der Teams gecheckt, um einen wirtschaftlichen Lapsus auszuschließen. Wer beim Klüngeln erwischt wird, bekommt nichts – muß aber dennoch zahlen. Dieses Spielchen kann sich über mehrere Wochen erstrecken, je nachdem, wem zuerst die Puste ausgeht – konditionell oder finanziell.
Um normale Umstände handelt es sich aber beim Poker um die begehrten Lizenzen der dritten Mobilfunkgeneration freilich nicht. Ohne UMTS-Lizenz ist man wirtschaftlich weg vom Fenster. Mit Lizenz aber möglicherweise auch. Das wissen die Teilnehmer sehr wohl, und entsprechend schleppend liefen die ersten beiden Tage der Versteigerung an. Für alle 12 zu versteigernden Frequenzblöcke wurden zusammengerechnet gerade mal 3 Mrd. DM geboten. Lediglich die MobilCom-Gruppe preschte mit einem Gebot von 1 Mrd. DM für zwei Blöcke vor, um gleich zu Beginn ein deutliches Statement abzugeben.
Die Sieger dieses Spielchens stehen aber beileibe noch nicht fest. Wenn die Regulierungsbehörde mehr als 50 Mrd. DM an Gesamteinnahmen in die ausgedörrten Kassen von Finanzminister Eichel spülen sollte, kann sich der Bund als Sieger fühlen. Sind es weniger als 20 Mrd. DM, ginge ein Aufschrei der Erleichterung durch die Reihen der „glücklichen Sieger-Teams“. Irgendwo dazwischen liegt jedoch eine Zone, die beiden Seiten weh tun könnte.
Nachdem in Großbritannien vor einigen Monaten bei der dortigen Versteigerung die Lizenzen für umgerechnet 70 Mrd. DM verhökert werden konnten, hatte die Regulierungsbehörde insgeheim schon dreistellige Milliardenbeträge für den hiesigen Poker einkalkuliert. Kritiker hatten jedoch von Anfang an darauf hingewiesen, daß derartige Summen den Garaus für die vermeintlichen Auktionsgewinner bedeuten könnte. Nach der Ersteigerung der UMTS-Lizenzen wird erst der Ausbau der entsprechenden Infrastruktur für die neue Technologie beginnen – und dieser wird nochmals einen zweistelligen Milliardenbetrag pro Betreiber verschlingen. Kein Wunder also, daß sich der Bieter-Clan schon im Vorfeld nach und nach auf nur noch sieben ernsthafte Anwärter reduzierte. Und selbst unter diesen haben zumindest zwei, namentlich Debitel und die Telefonica, bereits verlautbart, daß sie nicht bereit sind, bis zum Äußersten zu gehen.
Denn daß sich die UMTS-Technologie als derart innovativ herausstellt wie allgemein gemutmaßt, ist keinesfalls sicher. Ein wirtschaftliches Betreiben der neuen Mobilfunktechnik wird im Vordergrund stehen. Und das ist schwer: Die geringen Bandbreiten von zwei 5 Megahertz-Blöcken benötigen viele Basisstationen, die erst noch errichtet werden müssen. Da werden sich die glücklichen Auktionare zwangsläufig zunächst auf den Betrieb wirtschaftlich lukrativer Ballungsräume konzentrieren, während andernorts der Empfang austrocknen könnte. Gift für eine neue Technologie, die von der Akzeptanz ihrer Benutzer lebt. Wie in den USA bei den vorhergehenden Übertragungstechnologien schon erlebt, besteht daher die Gefahr, daß einige Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten kommen werden, noch bevor überhaupt ein Netz an Stationen hochgezogen werden konnte.
So sind die einzigen Gewinner des Zukunftspokers dann auch an anderer Stelle zu suchen: Die Mobilfunkzulieferer (z.B. die am Neuen Markt notierte Balda AG), die Infrastruktur-Spezialisten (z.B. Ericsson) und die Handy-Hersteller (Nokia, Ericsson, Motorola) werden die wahren Profiteure sein, unabhängig davon, ob die Lizenzen teuer oder billig oder die neue Technologie gut oder schlecht sein wird. Für die Mobilfunkbetreiber wäre zu wünschen, daß die Lizenzen zu einem „fairen“ Preis den Besitzer wechseln, wo immer dieser Preis auch liegen könnte. Das gleiche gilt für die Millionen zukünftiger Kunden, denn auf diese wird schließlich der Kaufpreis abgewälzt werden müssen. Unserem Finanzsystem würde man dagegen möglichst hohe Einnahmen wünschen. Soviel ist also sicher, nicht jeder wird sich freuen können, wenn die Karten in Kürze aufgedeckt werden.
Die GoingPublic-Kolumne erscheint in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.