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Seit sechs Jahren untersuchen die Hamburger Agentur für Finanz- und Unternehmenskommunikation Kirchhoff Consult AG und die BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft gemeinsam die Trends und Entwicklungen im Bereich der Nachhaltigkeitsberichterstattung von DAX160-Unternehmen. In der diesjährigen Studie wurden erstmals auch der österreichische ATX und der Schweizer SMI berücksichtigt.

Gegenstand der Untersuchung waren die verpflichtende nichtfinanzielle Berichterstattung gemäß CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (CSR-RUG) auf­seiten der DAX160-Unternehmen sowie die freiwilligen Berichtsformate von Unternehmen aus der gesamten DACH-Region. In Form einer deskriptiven Sekundärdatenanalyse wurden insgesamt 149 nichtfinanzielle Erklärungen (NFEs) und Berichte (NFBs) bzw. 134 freiwillig veröffentlichte Nachhaltigkeitsberichte für das Geschäftsjahr 2022 zum Stichtag 30. Juni 2023 analysiert.

Vor dem Hintergrund weltweit dramatisch zunehmender Extremwetterereignisse mit Hitzewellen und Dürreperioden auf der einen sowie Starkregen und Überflutungen auf der anderen Seite war insbesondere das Klimamanagement von Unternehmen ein Kernthema der diesjährigen Studie.

Klimamanagement: Wissenschaftlich validierte Ziele zeigen Erfolge

Ein Blick auf die in den Berichten kommunizierten Treibhausgasbilanzen der Unternehmen zeigt, dass die Gesamtemissionen im Jahresvergleich 2021/2022 über alle Indizes hinweg um lediglich 1% zurückgegangen sind. Zwar berichten bereits über 90% der Unternehmen über konkrete Klimastrategien – im ATX beinhalten sogar alle freiwilligen Nachhaltigkeitsberichte für das Jahr 2022 einen Maßnahmenplan zur Emissionsminimierung –, doch reicht dies nicht aus, um den Anforderungen des 1,5°C-Ziels der Vereinten Nationen gerecht zu werden. Dem Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) zufolge bräuchte es dafür bei einem Referenzjahr von 2019 eine jährliche Reduktion um etwa 4%.

Die Untersuchung zeigt aber auch, dass die Unternehmen, die sich mithilfe der Science Based Targets Initiative (SBTi) kurzfristigen und wissenschaftlich validierten, absoluten Reduktionszielen verschrieben haben, im Jahr 2022 mehr als 9% ihrer Scope-1- und Scope-2-Emissionen reduzieren konnten.

Quelle: Kirchhoff Consult AG

In der Betrachtung aller untersuchten Unternehmen gingen die Scope-1- und Scope-2-Emissionen, die wiederum nur 9% der Gesamtemissionen (inkl. Scope 3) ausmachen, dagegen nur um 2% zurück.

Während bereits über die Hälfte der DAX40-Unternehmen über kurzfristige und validierte Ziele zur absoluten Emissionsreduktion verfügt, sind es im ATX lediglich 30% und im SMI sogar nur 25% der Unternehmen. Der Formulierung langfristiger Net-Zero-Ziele haben sich dagegen im SMI mit 35% ebenso viele verpflichtet wie im DAX40. Im ATX liegt dieser Wert bei nur 10%.

Ein Bekenntnis zu absoluter Treibhausgasreduktion mit Unterstützung der SBTi zeigt also Wirkung. Und trotz des geringen Gesamtbeitrags, den Unternehmen bislang zum 1,5°C-Ziel leisten, weisen bereits einige Indikatoren darauf hin, dass die Unternehmen der DACH-Region strategisch auf einem guten Weg sind: In mehr als drei Vierteln aller untersuchten Nachhaltigkeits­berichte wird für das Jahr 2022 eine detaillierte Klimabilanz veröffentlicht und zwei Drittel orientieren sich an den empfohlenen Vorgaben der Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD). Das sorgt für mehr Transparenz und bildet die Grundlage für ein erfolgreiches Klimamanagement.

Vorstände in der Pflicht: ESG gewinnt weiter an Bedeutung

Eine nachhaltige Transformation der Wirtschaft erfordert langfristige Verpflichtungen und einen kulturellen Wandel innerhalb der Unternehmen. Daher gewinnen die Einbindung von Vorstands- und Aufsichtsratsgremien in Nachhaltigkeitsthemen sowie die variable Vorstandsvergütung anhand von ESG-KPIs auch in diesem Jahr weiter an Bedeutung: Drei Viertel der Unternehmen in DAX160, SMI und ATX haben im Geschäftsjahr 2022 ESG-relevante Kennzahlen in die variable Vergütung ihrer Vorstandsmitglieder aufgenommen.

In 80% der Unternehmen sind Vorstandsmitglieder explizit mit einem ESG-Ressort oder entsprechenden Aufgaben betraut worden. Für SMI und ATX liegt dieser Wert sogar bei 90%. Monetäre Anreize durch die Integration von ESG-KPIs in die variable Vorstandsvergütung fallen dagegen bei den Unternehmen des ATX mit 70% geringer aus, die sich damit hinter ihren Pendants aus DAX40 (98%), MDAX (90%) und SMI (85%) einreihen. Lediglich die Unternehmen aus dem SDAX liegen mit 50% noch darunter.

„Fit for CSRD“ sind vor allem die Großen

Nach der Verabschiedung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und damit einhergehend der Entwicklung der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) im Jahr 2023 wirft die neue ­Regulatorik für die Nachhaltigkeitsberichterstattung in der EU ihre Schatten voraus. So haben in der Berichtsperiode 2022 bereits mehr als drei Viertel aller untersuchten Unternehmen ihre NFE und fast zwei Drittel ihren freiwilligen NHB einer externen Prüfung unterzogen – eine Maßnahme, die durch die CSRD ab 2024 für alle berichtspflichtigen Unternehmen verbindlich wird. Unternehmen im SDAX weisen aktuell jedoch mit 58% für NFE und 33% für NHB noch die niedrigste Prüfungsdichte auf.

Auf die Wesentlichkeitsanalyse, das Herzstück der kommenden CSRD, beziehen sich bereits fast alle Unternehmen (96%), zumindest in ihrer freiwilligen Berichterstattung. Allerdings entsprechen lediglich 9% dem zukünftig geforderten Prinzip der doppelten Wesentlichkeit. Auch die Auswahl der wesentlichen Berichtsthemen kann derzeit in knapp einem Viertel der Fälle (23%) nicht eindeutig den im Rahmen der ESRS definierten Nachhaltigkeitsdimensionen Environment (E), Social (S) und Governance (G) zugeordnet werden. Über alle Indizes hinweg können 26% aller wesentlichen Themen im Bereich Environment, 40% im Bereich Social und 11% im Bereich Governance verortet werden.

Nachhaltigkeit wird zum Erfolgsfaktor im Wettbewerb um Kapital

Wir erleben in Europa derzeit eine rasante Entwicklung regulatorischer Anforderungen, speziell im Zusammenhang mit EU-weiten Initiativen rund um Umweltschutz, Menschenrechte in der Lieferkette sowie die Nachhaltigkeitsberichterstattung. Der steigende Druck von externen wie internen Stakeholdern auf Unternehmen nimmt die börsennotierten Unternehmen in der DACH-Region in die Pflicht. Eine transparente und glaubwürdige Berichterstattung, die neben der Erfüllung gesetzlicher Verpflichtungen auch aktuelle Trends aufgreift, bietet Unternehmen nicht nur die Möglichkeit, ihr gesellschaftliches Image zu verbessern, sondern auch Wettbewerbsvorteile zu generieren. Letztlich richten sich sowohl potenzielle Kund:innen, also auch Finanzgeber:innen, zunehmend an ESG-Kriterien aus, die über die Nachhaltigkeitsperformance von Unternehmen informieren.

Autor/Autorin

Dr. Jan-Ole Brandt

Dr. Jan-Ole Brandt ist Senior Consultant ESG/Sustainability bei der Kirchhoff Consult AG. Er ist seit über 15 Jahren als Experte für Nach­haltigkeit sowie in verwandten Themen­be­reichen engagiert.

Viola Möller

Viola Möller leitet als Partnerin den Fachbereich Sustainability Services bei der BDO AG Wirtschaftsprüfungs­gesell­schaft.