Alexander Wilberg, CFA, Director, Kirchhoff Consult AG

Das vor rund einem Jahr veröffentlichte Diskussionspapier des International Integrated Reporting Committee (IIRC) hat frischen Wind in die Diskussion um die ideale Form der integrierten Berichterstattung gebracht. Doch auch wer sich – zumindest vorläufig – gegen die darin propagierte Grundsanierung seiner Berichtslandschaft entscheidet, kann dem Konzept viel Konstruktives entnehmen.

Es sind vor allem zwei Maximen, die den Ansatz des IIRC prägen und ihn damit so lesenswert für alle Ersteller von Geschäftsberichten machen: Prägnanz und Effizienz! Selbige sind der Geschäftsberichterstattung in den vergangenen Jahren zunehmend abhanden gekommen – und dies nur auf immer neue Rechnungslegungsvorschriften zu schieben, geht sicherlich ein gutes Stück an der Wahrheit vorbei. Imageteil und selbst der Lagebericht bieten immer noch ein hohes Maß an inhaltlicher und visueller Gestaltungsfreiheit. Wie man diese sinnvoll nutzen kann, sollen die folgenden Beispiele aus internationalen integrierten Berichten zeigen.

Du und Deine Welt

Ausführungen zur Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen und branchenspezifischen Rahmenbedingungen füllen in Geschäftsberichten meist mehrere Seiten. Dennoch ist der Erkenntnisgewinn daraus oft gering. Viele Unternehmen scheitern bereits daran, rückblickend schlüssige Zusammenhänge zwischen der Entwicklung einzelner externer Einflussfaktoren und ihrer eigenen Performance herzustellen. Die noch viel spannendere – und aus Kapitalmarktsicht deutlich relevantere – Frage bleibt in aller Regel unbeantwortet: Wie stellt sich das Unternehmen strategisch – also zukunftsgerichtet – auf wesentliche externe Einflussfaktoren ein?

Wie man strategische Antworten auf externe Einflüsse leserfreundlich präsentiert, zeigt die kanadische Bank Vancity. Quelle: Vancity

Wie einfach diese kommunikative Hausaufgabe handwerklich zu lösen ist, zeigt die kanadische Genossenschaftsbank Vancity in ihrem integrierten Bericht: Nicht einmal eine Seite umfasst die Tabelle, die dem Leser auf einen Blick die wesentlichen strategischen Antworten liefert und als Informations-Hub auf vertiefende Informationen verweist. In vergleichbarer Weise werden auch die strategischen Antworten auf wesentliche Chancen und Risiken übersichtlich aufbereitet.

A propos Risiken…

Zweifellos hat die Risikoberichterstattung in deutschen Geschäftsberichten in den vergangenen Jahren spürbar an Qualität gewonnen. Schaubilder zum Aufbau des Risikomanagementsystems und tabellarische Risiko-Übersichten gehören inzwischen schon fast zum guten Ton. Wacker Chemie und Solarworld liefern darüber hinaus erstklassige Beispiele für die systematische Aufbereitung von Einzelrisiken. Nachholbedarf besteht hingegen noch bei der Hierarchisierung von Risiken und ihrer Verdichtung zu einer aussagekräftigen „Risikolandkarte“.

Der südafrikanische Rohstoffkonzern Exxaro begegnet dieser Herausforderung mit einer gut erfassbaren Grafik, die nicht nur Aufschluss über Charakter und Relevanz der 20 wichtigsten Risiken gibt, sondern auch über eine Farbcodierung deren Veränderung im Vergleich zum Vorjahr signalisiert.

Simple Kreise mit hohem Informationswert – die Risikolandkarte der südafrikanischen Exxaro Quelle: Exxaro

 

Schöne heile Welt?

Ebenso wie es keine Welt ohne Risiken gibt, so gibt es auch kein Geschäftsjahr ohne verfehlte Ziele oder andere Lowlights. Dennoch scheinen viele Unternehmen in ihren Geschäftsberichten genau dies vermitteln zu wollen – eine Respektlosigkeit gegenüber der in aller Regel kundigen Leserschaft. Im Hinblick auf einen aufrichtigen Umgang mit Misserfolgen zeigen integrierte Berichte, wie der des Telekommunikationsanbieters Vodacom (Südafrika), wie es richtig geht: offensiv, plakativ und mit einem guten Schuss Menschlichkeit. Denn Menschen zu verzeihen fällt uns offenbar immer noch leichter als Unternehmen.

Kann man da noch böse sein? Vodacom pflegt einen offensiven Umgang mit Misserfolgen. Quelle: Vodacom

 

Fazit

Es bleiben viele offene Fragen und ein jüngst erst großzügig verlängerter Zeitplan für die Publikation der ersten offiziellen Entwurfsfassung. Wer auf ein praxistaugliches Framework für die Integrierte Berichterstattung wartet, wird noch etwas Geduld aufbringen müssen. Also ein klassischer Fall für die Wiedervorlage? Keineswegs! Nehmen Sie sich jetzt die Zeit für eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Diskussionspapier und einen Streifzug in die aktuelle internationale Berichtslandschaft. Sammeln Sie Inspiration, investieren Sie in den kommenden Jahren kontinuierlich in die inhaltliche Instandhaltung Ihres Geschäftsberichts und lehnen Sie sich entspannt zurück, wenn andere mit ihrer aufwändigen Grundsanierung beginnen.

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