Fraunhofer Wissenschaftler präsentieren das erste Blutgefäße aus dem 3D-Drucker , Foto: Fraunhofer Institut
Fraunhofer Wissenschaftler präsentieren das erste Blutgefäße aus dem 3D-Drucker , Foto: Fraunhofer Institut

Erst vor wenigen Wochen präsentierten Unternehmen aus aller Welt auf der 3D Printing Conference & Expo in New York ihre Innovationen im 3D-Druck. In der Industrie ist das Rapid Prototyping, das die 3D-Drucktechnik zur Herstellung von Werkstücken nutzt, schon lange Routine und lässt Bauteile aus allen gewünschten Materialien mittels herkömmlicher Druckverfahren entstehen. Auch die Anwendung der 3D-Drucktechnik zur Herstellung wenig durchbluteter Gewebe wie Knochen und Knorpel ist heute schon fast Routine.

Medical Modeling Inc. beispielsweise stellte in New York seine Kombination aus Rapid Prototyping und einer innovativen Software vor. Aus den CT- und MRT-Daten eines Patienten erstellt das Unternehmen detailgetreue Modelle von Patientenknochen. So entstehen maßgeschneiderte Ersatzteile für jeden Patienten. Der Traum ganzer Organe steht und fällt jedoch mit einer funktionstüchtigen Vaskularisierung, denn ohne Durchblutung sterben Gewebe und Organe einfach ab. Neue Techniken wie die Multiphotonenabsorption oder das Bioprinting könnten uns dem Traum vom Organ aus der Retorte jetzt ein kleines Stück näher bringen.

Verbesserte Druckgeschwindigkeit bei Nanopräzission
Die bisher genutzten 3D-Druckverfahren haben einen Nachteil – ihre relativ geringe Auflösung. Der Druck kleinster Strukturen, wie in biologischen Geweben häufig zu finden, war deshalb bis jetzt nicht zufriedenstellend realisierbar. Wiener Wissenschaftler koppeln deshalb den 3D-Druck mit neuen Techniken wie der Multiphotonenabsorption. Das Problem der geringen Druckgeschwindigkeit lösten sie kürzlich durch Optimierung der Steuerung der beweglichen Spiegel sowie der Beschleunigungs- und Abbremsphasen während des Drucks. Auf diese Weise gelang Jan Torgensen und Peter Gruber vom Institut für Werkstoffwissenschaften und Werkstofftechnologie der TU Wien ein Geschwindigkeitsrekord. Anstelle von nur 10 mm/s druckt ihr Hochpräzisions-3D-Drucker 1000 mm/s und ist damit um Größenordnungen schneller als alle bisherigen Geräte. Weniger als 100 nm klein sind die Strukturen, die durch Polymerisation an jeder beliebigen Stelle in der Tinte entstehen können. Ermöglicht wird diese Detailtreue durch eine hoch lokalisierte photochemische Reaktion. Nur im Fokus der Femtosekundenlaserstrahlung absorbiert der Photoinitiator der Tinte simultan zwei Photonen und zerfällt dabei in die für den Start der Kettenreaktion notwendigen reaktiven Spezies die das Material polymerisieren lassen. Bisherige 3D-Drucker können das Material nur an der Oberfläche aushärten und deshalb auch nur schichtweise drucken. Die optimierte Methode könnte auch das Tissue Engineering revolutionieren. Die Wiener wollen ihre Innovation schon bald für den Druck komplexer extrazellulärer Matrizes (ECM) nutzen um damit realitätsnahe Umgebungen für lebende Zellen zu schaffen.

Die Tinte – eine echte Herausforderung
Doch bevor sie sich an den Druck wagen können, müssen sich die Forscher der Herausforderung Tinte stellen. Sie muss biokompatibel, frei von Zytotoxizität, nicht immunogen und – je nach Einsatz – entweder nicht degradierbar sein oder eine kontrollierbare Degradationskinetik besitzen. Die Methodik erfordert zudem ein photosensitives Ausgangsmaterial, einen Photoinitiator und, je nach Eigenschaften des Endproduktes, unterschiedlichste biologische Substanzen. Da die ECM bei Zelldifferenzierung, Zellproliferation und sogar bei der Apoptose, dem programmierten Zelltod, eine wichtige Rolle spielt, ließen sich mit dem detaillierten Nachbau der ECM sehr viel physiologischere Gewebe als bisher herstellen.

Science nicht Science Fiction – Blutgefäße aus dem Drucker
Beim Wettlauf um gedruckte Gefäße liegen auch deutsche Forscher gut im Rennen. Im Projekt BioRap stellten sich fünf Fraunhofer Institute der Herausforderung und nutzten die Kombination aus Rapid Prototyping und Multiphotonenabsorption erstmalig für elastische organische Biomaterialien. Auch wenn der erst im Herbst 2012 vorgestellte Kunststoffschlauch alles andere als spektakulär aussieht, dahinter steckt eine Menge Wissen und noch viel mehr Hightech. Neben der Anpassung der Technik an ein biologisches Hydrogel war auch hier die Tinte die eigentliche Herausforderung. Das Endprodukt musste elastisch und flexibel sein und gleichzeitig dem Blutdruck standhalten. Doch das ist längst nicht alles, damit das Blut reibungsfrei fließen kann und nicht an den Wänden kleben bleibt, benötigen die Gefäße – wie ihre natürlichen Pendants – eine Auskleidung mit Endothelzellen. Dazu integrierten die Forscher Ankerproteine und Heparin in die Tinte, diese wurden während des Drucks in die Wände der Gefäße eingebaut und ermöglichten die nachträgliche Besiedelung mit Endothelzellen. Auch wenn ein Kunststoffschlauch noch lange kein Gefäß ist, durch die als Biofunktionalisierung bezeichnete Oberflächenmodifikation kommt er einem solchen schon relativ nahe. Die Methode steht zwar noch ganz am Anfang, Projektleiter Günter Tovar ist dennoch zuversichtlich, in einer nicht allzu fernen Zukunft künstlich erzeugte Organe mittels synthetischer Blutgefäße an den Kreislauf eines Menschen anbinden zu können.

Lizenz zum Organdrucken
Einen ganz anderen Ansatz verfolgt der U.S. Forscher Gabor Forgacs der an der Universität Missouri eine einzigartige Methode entwickelte. Seine patentierte 3D-Drucktechnik, die adulte Stammzellen nutzt und auf die Fähigkeit lebender Gewebe zur Selbstorganisation setzt, nennt er Bioprinting. Seit ihm 2008 der „Proof of Principle“ gelang, ist Forgacs überzeugt die Lizenz zum Organdrucken in Händen zu halten. Zuerst sorgt er mit speziellen Kulturmedien für die Differenzierung der Stammzellen in die gewünschte Zellart. Danach druckt er eine Art Biopapier, ein optimiertes Hydrogel ähnlich der extrazellulären Matrix. Anschließend platziert ein zweiter Druckkopf sehr speziell behandelte multizelluläre Aggregate von definierter Zellmenge in das Biopapier. So entsteht Schicht um Schicht funktionstüchtiges dreidimensionales Gewebe. Ein CAD-Template gibt dabei in etwa die Topologie der gewünschten 3D-Struktur vor, den Rest erledigt die Natur. Im Falle der Blutgefäße wandern die Endothelzellen auf die Innenseite, die glatten Muskelzellen nehmen ihren Platz in der Mitte ein und die Fibroblasten legen sich schützend an die Außenseite. Zum Schluss fusionieren die einzelnen Schichten zu einem Blutgefäß, während das Biopapier degardiert. Was wie Zauberei klingt, führt Forgacs darauf zurück, dass sich die gedruckten Zellaggregate bereits wie kleine Gewebeteile verhalten. Die Zellen innerhalb der Aggregate befinden sich in einem physiologischeren Zustand als gedruckte Einzelzellen. Über Zell-Zell-Kontakte stehen sie in direktem Kontakt mit ihren Nachbarn und tauschen wichtige Signale aus. Wenn es nach Forgacs geht, sollen diese Signale und die Gesetze der Thermodynamik schon bald die Selbstorganisation ganzer Organe ermöglichen. Und dass diese Technik in der nahen Zukunft einmal Standard sein wird, daran zweifelt auch Keith Murphy, CEO des Unternehmens Organovo, nicht. In New York stellte Organovo erstmalig funktionstüchtiges Lebergewebe vor, dass sich zur Testung von Medikamenten vor deren Zulassung bestens eignet. Mehr zu Organovo erfahren Sie hier.

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