Die beklagte Gesellschaft ist eine Bank in der Rechtsform der KGaA. Nach der Satzung oblag den persönlich haftenden Gesellschaftern die Geschäftsführung gemeinsam. S, einer von drei Komplementären, hatte von der in der Satzung ebenfalls vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, durch Erklärung gegenüber dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats auf die Geschäftsführungsbefugnis zu verzichten und war damit aus der Geschäftsleitung ausgeschieden; er blieb Komplementär.

Prof. Dr. Matthias Schüppen, Partner, GRAF KANITZ, SCHÜPPEN & PARTNER
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Nach der Satzung bedürfen Beschlüsse der Hauptversammlung mit Ausnahme der in § 285 AktG aufgeführten Maßnahmen der Zustimmung der persönlich haftenden Gesellschafter. Der Jahresabschluss wird durch die HV mit Zustimmung der persönlich haftenden Gesellschafter festgestellt. Die Geschäftsleitung kann bis zur Hälfte des Jahresüberschusses in die Gewinnrücklagen einstellen. Die HV kann im Beschluss über die Verwendung des Bilanzgewinns weitere Beträge in andere Gewinnrücklagen einstellen oder als Gewinn vortragen; im Übrigen wird der Bilanzgewinn an die Kommanditaktionäre ausgeschüttet.

Am 1.8.2012 fand die ordentliche HV der Beklagten statt. Entsprechend dem mit der Einladung veröffentlichten Beschlussvorschlag der persönlich haftenden Gesellschafter wurde mit großer Mehrheit beschlossen, den Bilanzgewinn zur Zahlung einer Dividende zu verwenden. Im Anschluss an die Abstimmung und Beschlussfassung erklärte S, dass er der Dividendenausschüttung nicht zustimme.

Der Kläger, der mit 48,36% am Kommanditkapital beteiligt gewesen war, veräußerte seine Aktien am 12.10.2012. Mit seiner Zahlungsklage verlangt er den Dividendenbetrag, der nach dem HV-Beschluss auf die von ihm seinerzeit gehaltenen Aktien entfallen wäre.

Die Entscheidung des OLG München
Der Senat stellt zunächst fest, dass der Dividendenanspruch nach dem gem. § 174 AktG zu fassenden Gewinnverwendungsbeschluss ein selbstständig verkehrsfähiger Anspruch ist. Zwar könnten erst künftig entstehende Ansprüche auf Dividende nicht selbstständig übertragen werden. Ab dem Zeitpunkt eines – wirksam – gefassten Gewinnverwendungsbeschlusses handele es sich aber um einen selbstständig verkehrsfähigen Anspruch, der bei einer Veräußerung der Aktien bei dem früheren Aktionär verbleibe, soweit er nicht gesondert mit übertragen wurde (was nach den Feststellungen des OLG nicht der Fall war).

Entscheidend war daher, ob ein wirksamer Gewinnverwendungsbeschluss gefasst worden ist. Dazu stellt das OLG zunächst klar, dass auch eine etwaige Unwirksamkeit des gefassten Beschlusses nicht automatisch einen wirksamen Beschluss über die Thesaurierung des Bilanzgewinns bedeute. Die Satzung gehe davon aus, dass der Bilanzgewinn auszuschütten sei, wenn kein Thesaurierungsbeschluss gefasst werde. Dies würde dafür sprechen, dass – die Unwirksamkeit der Beschlussfassung unterstellt – erneut und zwingend ein Beschluss über die Ausschüttung des Bilanzgewinns an die Aktionäre vorzunehmen sei.

Es sei aber unstreitig, dass die HV mit der erforderlichen Mehrheit dem Gewinnverwendungsvorschlag der Geschäftsleitung zugestimmt habe. Hierzu sei die Zustimmung der persönlich haftenden Gesellschafter nicht erforderlich gewesen. Aus der Systematik der Satzung sowie der Jahresabschlussfeststellung und Gewinnverwendung betreffenden Regelungen ergebe sich, dass zwar die Feststellung des Jahresabschlusses, nicht aber die Gewinnverwendung einem Zustimmungserfordernis unterläge.

Eine andere Satzungsauslegung würde auch zu unpraktikablen Zuständen führen. Da über die Ergebnisverwendung die Hauptversammlung auf Vorschlag der Geschäftsleitung entscheide, würde es nie zu einem Gewinnverwendungsbeschluss kommen, wenn ein nicht zur Geschäftsleitung gehörender Komplementär dessen Wirksamkeit verhindern könne, der andererseits nicht die Rechtsmacht habe, einen Thesaurierungsbeschluss herbeizuführen. Aufgrund dieses Auslegungsergebnisses könne dahinstehen, ob eine andere Satzungsgestaltung überhaupt zulässig wäre.

Bewertung
Die vom OLG vorgenommene, artifizielle Satzungsauslegung steht im diametralen Gegensatz zum Auslegungsergebnis der Vorinstanz (LG München I, Urt. v. 29.8.2013 – 5 HK O 23315/12) und ist bestenfalls vertretbar. Der Senat weicht damit der hoch umstrittenen, für betroffene KGaA und Gestaltungspraxis bedeutsamen Frage aus, ob der Gewinnverwendungsbeschluss in der KGaA durch die Satzung an die Zustimmung des Komplementärs gebunden werden kann.

Das LG hatte diese Frage ausführlich behandelt und bejaht. Das OLG hebt immerhin zu Recht hervor, dass das Recht auf die Gewinnbeteiligung in Gestalt des Anspruchs auf die Dividende das wichtigste mitgliedschaftliche Vermögensrecht des Aktionärs sei, und lässt damit eine gewisse Tendenz zur gegenteiligen, verneinenden Antwort erkennen. Auch das LG hatte dieses mitgliedschaftliche Recht der Kommanditaktionäre dem Kernbereich der Mitgliedschaft zugerechnet, hielt jedoch den Zustimmungsvorbehalt wegen der persönlichen Haftung des Komplementärs für sachlich gerechtfertigt und damit trotz Kernbereichseingriffs für zulässig. Dem kann man wohl weder für den konkreten Fall noch generell folgen, da der persönlich haftende Gesellschafter durch die Mitwirkung bei Aufstellung und Feststellung des Jahresabschlusses sowie in der Geschäftsführung perfekt geschützt ist (und es sich selbst zurechnen lassen muss, wenn er freiwillig – wie im vorliegenden Fall – in eine Komplementärstellung ohne Geschäftsführungsrecht eintritt). Leider bleibt die Frage nach der vorliegenden Entscheidung bis auf Weiteres offen, nachdem das OLG dem unguten Brauch gefolgt ist, das Urteil durch die Art der Begründung seiner – tatsächlich naheliegenden – grundsätzlichen Bedeutung zu entkleiden und damit nichtzulassungsbeschwerde- und revisionsfest zu machen.

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