Bildnachweis: CIRA.

Es soll bitte recht grün sein, schön divers und transparent: Investoren entscheiden nicht mehr nur nach Finanzkennzahlen, welchen Unternehmen ihr Kapital zufließen soll – zunehmend wichtiger werden die ESG-Kriterien. Österreichische börsennotierte Firmen adressieren die neue Relevanz von Nachhaltigkeit und Co. laut Harald Hagenauer, dem Vorstandsvorsitzenden der CIRA, immer besser.

GoingPublic: Wie präsent ist das Thema ESG in den Köpfen österreichischer Unternehmen?

Harald Hagenauer: Gerade im letzten Jahr hat das Thema ESG noch einmal dramatisch an Bedeutung gewonnen. Es ist außergewöhnlich, was in den großen Aktiengesellschaften in dieser Zeit umgesetzt wurde, um Nachhaltigkeit und Co. besser zu kommunizieren.

Haben die Unternehmen die entsprechende Entwicklung proaktiv vorangetrieben?

Investoren haben sich neu positioniert, Ratings haben sich verändert und die Unternehmen mussten schlagartig neue Gesetze zu ESG-Anforderungen umsetzen. Lange wurde viel geredet und im letzten Jahr ist dann der Quantensprung passiert.

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Den Firmen ist bewusst, dass ESG-Kriterien heute Mainstream sind – ein Thema, das die großen Fonds und Kapitalanlagegesellschaften oben auf der Agenda haben. Darauf reagieren sie.

Wer konzentriert sich in den Unternehmen auf den Bereich ESG, gibt es eigene Teams?

Im ersten Schritt prüfen die Firmen ihre strategische Positionierung: Welche Veränderungen braucht es, zum Beispiel im Produktumfeld? Reicht ein Update oder sollte man sich komplett neu ausrichten? Was macht das Unternehmen grüner und nachhaltiger?

Im Anschluss muss die Strategie umgesetzt, müssen die Zahlen aufbereitet werden – für Investoren und Rating-Agenturen. Wer dafür zuständig ist, unterscheidet sich nach Geschäftsfeld. Energieversorger beispielsweise haben sicher eigene Teams. Die meisten österreichischen Firmen sind allerdings kleine und mittlere Unternehmen, in denen die Investor Relations-Abteilung sich damit beschäftigt.

Wie gut erfüllen die Firmen die Veröffentlichungspflichten durch das Nachhaltigkeits- und Diversitätsverbesserungsgesetz?

Der Kapitalmarkt und die großen Investment-Fonds sind hier die Trendsetter, nicht die Legislative. Natürlich erfüllen die Unternehmen die vorgeschriebenen Reporting-Pflichten bestmöglich. Wichtig ist den Verantwortlichen aber vor allem, sich mit den Investoren auseinanderzusetzen – zum Beispiel auf Nachhaltigkeits-Roadshows.

Was sollten die Firmen beachten, um sich bei Thema Nachhaltigkeit bestmöglich aufzustellen?

Es gibt fünf oder sechs bedeutende Rating-Agenturen, die von den Unternehmen befüllt werden, bei denen alle Angaben richtig sein sollten. Zudem sollten die Firmen sich bei den großen Investoren erkundigen, ob ihnen die Ratings ausreichen oder sie mehr Input benötigen.

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Alle ESG-Themen müssen unbedingt schriftlich bedient werden – die Rating-Agenturen durchsuchen gezielt die Unternehmenspublikationen, dazu kommen die individuellen Kriterien, die alle großen Investment-Häuser aufstellen. Die Investoren haben eine eigene Ideologie – mit genauen Gewichtungen und variierenden Cut-off-Kriterien. Wenn Unternehmen gut positioniert sein wollen, müssen sie sowohl auf die Ratings als auch auf die großen Shareholder schauen.

Welche Ausschlusskriterien gelten – welche Geschäftsfelder sind ein rotes Tuch?

Als Trend zeichnet sich ab, dass Fonds bei ihren Targets einen Plan sehen wollen, wie der CO2-Fußabdruck in der Zukunft reduziert werden soll. Wer das nicht garantieren kann, hat ein Problem. Zudem orientieren sich alle großen Investoren an der Szenario-Analyse: Was passiert mit dem Unternehmen, wenn es zwei Grad oder vier Grad wärmer wird?

Die Investment-Gesellschaften haben klare Vorstellungen, was ein Unternehmen leisten muss und welche Zielparameter in den nächsten 30 Jahren wichtig sind. Es geht um die Vision der Unternehmen. Es ist die Zeit der großen Zielsetzungen – nicht nur bei den Regierungen, sondern auch am Kapitalmarkt.

Wird der Druck auf die Unternehmen weiter steigen?

Auf jeden Fall – das Reporting wird verpflichtend. Alle Unternehmen müssen transparent sein und sich die Frage stellen, wie sie ihre ESG-Indikatoren in den nächsten 20 Jahren verbessern. Der Druck von Rating-Agenturen, Regierungen und Investoren steigt. Es müssen Ziele gesetzt werden, um auf der Welt etwas zum Besseren zu bewegen.

Herr Hagenauer, vielen Dank für das Gespräch.

Über den Interview-Partner:
DI Harald Hagenauer leitet den Bereich Investor Relations bei der Österreichischen Post AG und hat den Börsegang des Unternehmens betreut. Er ist für die Bereiche Investor Relations, Corporate Governance und Corporate Social Responsibility als auch für die Bereiche Konzernrevision, Risikomanagement und Compliance zuständig. Harald Hagenauer ist Vorstandsvorsitzender des Cercle Investor Relations Austria (CIRA).

Autor/Autorin

Isabella-Alessa Bauer