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Schriftzug 25-Jahre GoingPublic Magazin
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Auch die Mensch und Maschine Software SE blickt auf eine 25-jährige Börsenhistorie zurück – und Gründer Adi Drotleff hat für das GoingPublic Magazin in sein Nähkästchen gegriffen.

GoingPublic: Herr Drotleff, Sie sind Gründer von Mensch und Maschine, kurz MuM. Vielleicht kurz zu Ihrem Hintergrund und Ihrer Position: Es gibt eine GmbH und eine börsennotierte SE. Wer ist was und wer macht was?

Drotleff: Ich habe MuM 1984 im Alter von 30 Jahren gegründet und bis heute zu einem international tätigen Konzern für technische Software mit über 1.100 Mitarbeitenden ausgebaut. Wir verkaufen unsere CAD-/CAM-/BIM-Lösungen für Planung, Konstruktion und Engineering für Industrie, Bau und Infrastruktur in mehr als 70 Länder weltweit, der wirtschaftliche Schwerpunkt liegt aber klar in Europa. An der Konzernspitze steht heute die börsennotierte Finanzholding Mensch und Maschine Software SE, während das operative Geschäft bei mehr als 40 Tochterunternehmen in 22 Ländern liegt, unter denen auch einige GmbHs mit Mensch und Maschine im Namenszug sind.

GoingPublic: Und Sie selbst?

Drotleff: Ich bin Diplom-Informatiker mit Schwerpunkt Elektrotechnik, habe also das von mir als Unternehmer ausgeübte „Handwerk“ gelernt. Bei MuM war ich bis 2021 CEO, und nun bin ich dabei, die operative Führung abzugeben und in die Rolle als aktiver Aufsichtsrat zu wechseln.

Adi Drotleff (Jahrgang 1953) schloss 1979 sein Informatik-Studium an der TU München ab und blieb noch kurze Zeit als Assistent im Bereich Rechnerarchitektur am Institut für Informatik, bevor er 1981 eine kleine Software-Entwicklungsfirma mitbegründete und damit erste Erfahrungen als Unternehmer sammelte. 1984 gründete er die Mensch und Maschine GmbH als Alleingesellschafter und führte sie
seitdem zu ihrer heutigen Position als börsennotierter Softwarekonzern mit gut 1.000 Mitarbeitern an rund 75 Standorten in 22 Ländern weltweit. 

GoingPublic: Mensch und Maschine war vor 25 Jahren eines der ersten Unternehmen am Neuen Markt (R.I.P.!) – und eines, dem es heute besser geht denn je. Wie sehen Sie im Rückblick die Entwicklung seit Ende der 1990er-Jahre bei MuM?

Drotleff: Wir waren tatsächlich mit unserem IPO am 21. Juli 1997 das achte Listing am Neuen Markt und kamen genau in den ersten Hype der damals sogenannten New Economy. Die MuM-Aktie war sage und schreibe 178-fach überzeichnet, was meines Wissens immer noch deutscher Börsenrekord ist. Wer eine Zuteilung bekam, hatte großes Glück, denn die Notierung hat sich in den ersten zwei Wochen mehr als vervierfacht. Allerdings folgte auf die große Party, die noch bis März 2000 dauern sollte und den NEMAX 50 bis über 8.000 Punkte trieb, dann ein großer Kater mit einem Salamicrash unter 500 Punkte bis Januar 2003.

GoingPublic: Schmerzhaft sicherlich für alle kurzfristigen Hasardeure – aber auch mit Auswirkungen auf MuM?

Drotleff: Wir haben uns zum Glück relativ frühzeitig aus dem Wahnsinn verabschiedet und im Gegensatz zu vielen anderen den Kurs nicht mit fantastischen und fantasievollen Ad-hoc-Meldungen in die Höhe getrieben, sondern operativ unsere Hausaufgaben gemacht und damit 2001 mit 300 Mitarbeitern einen Umsatz von 147 Mio. EUR und ein EBIT von mehr als 6 Mio. EUR erzielt. Mit dem Rückenwind der Börsennotierung hatten wir so die Unternehmensgröße seit 1997 schon mehr als verdreifacht.

GoingPublic: Welches war die herausforderndste Zeit in diesem Vierteljahrhundert Kapitalmarkt für MuM?

Drotleff: Uns hat die Krise Mitte 2002 eingeholt. Die folgenden drei Jahre bis Mitte 2005 waren dann nicht vergnügungssteuerpflichtig, weil wir neben vielen guten Akquisitionen auch einige wenige nicht so gute in den Büchern hatten und da die Expansion etwas zu stark fremdfinanziert war und wir uns damit das zweifelhafte Vergnügen einfingen, ab 2004 unter die Herrschaft eines Bankenkonsortiums zu kommen. Dank eiserner Nerven und persönlicher Bürgschaft für Kredite in zweistelliger Millionenhöhe konnte ich mit meiner MuM diese schwere Zeit überstehen, bis sich zeigte, dass unser Geschäftsmodell doch sehr tragfähig war, und wir wieder genügend Wasser unter den Kiel bekamen. Seitdem beherzigen wir die Regeln, dass die Balance zwischen Eigen- und Fremdkapital stimmen muss und das Wachstum nachhaltig und profitabel zu sein hat.

GoingPublic: Was verbinden Sie in diesem Zusammenhang mit dem GoingPublic Magazin, das ja auch 25-jähriges Bestehen feiert?

Drotleff: Erst einmal herzlichen Glückwunsch zum 25. Geburtstag! Das ist ja bei Menschen das ideale Alter, in dem man weder älter noch jünger sein möchte. Ich finde es großartig, dass GoingPublic in der IPO-Diaspora Deutschland die Fahne für Börsengänge hochhält. Und ich hoffe, dass durch Ihren steten Tropfen der Stein dann doch irgendwann nachgeben wird – also z.B. die deutschen und EU-Gesetzgeber irgendwann einsehen werden, dass man den Wettbewerbsrückstand zum US-amerikanischen Aktienmarkt nicht verbessert, indem man auf die ohnehin bestehende Überregulierung noch weitere Regulierungen draufsetzt.

GoingPublic: In der Tat. In dieser Beziehung ist MuM ja auch bereits etwas zurückgerudert.

Drotleff: Wir für unseren Teil haben dieses Problem zwar schon 2010 durch ein Downgrade vom Prime Standard in die KMU-Segmente m:access und Entry Standard – heute Scale – der Wertpapierbörsen München und Frankfurt gelöst, aber das können wir natürlich besser als andere, weil bei MuM rund 55% der Aktien bei mir und weiteren Mitgliedern des Managements liegen und wir deshalb primär unternehmergeführt und erst in zweiter Linie börsennotiert sind.

GoingPublic: Wenn wir 25 Jahre in die Zukunft blicken: Was wünschen Sie sich für den deutschen Kapitalmarkt und wo sehen Sie MuM?

Drotleff: Für den deutschen Kapitalmarkt kann man nur hoffen, dass er – auch dank Ihrer Mitwirkung – überhaupt noch existiert und möglicherweise die Regulierer doch ein Einsehen hatten – die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. MuM ist dank seiner Beteiligungsverhältnisse in der glücklichen Lage, alle Optionen offen zu haben: von einem Verbleib in Scale über einen möglichen Wiederaufstieg in den Regulierten Markt bis hin zur Option Going Private. Ich selbst werde in 25 Jahren sicher nicht mehr aktiv mitmischen, da wäre ich 94 Jahre alt und würde, wenn ich noch auf Erden sein sollte, von außen auf mein Lebenswerk schauen …

GoingPublic: Bis dahin jedoch wird noch einiges Wasser auf unser beider Seiten der Isar herunterfließen. Einmal mehr: ganz herzlichen Dank für Ihre Zeit und die charmanten Rückblicke!

www.mum.de

Das Interview führte Falko Bozicevic.

Autor/Autorin

Falko Bozicevic

Falko Bozicevic ist Mitglied des Redaktionsteams des GoingPublic Magazins sowie verantwortlich für das Portal BondGuide.