Bildnachweis: High-Tech Gründerfonds.

Neben eigenen Venture-Capital-Zweigen investieren große Pharmaunternehmen auch direkt in Risikokapitalfonds. So wie die Bayer AG in den High-Tech Gründerfonds. Über Besonderheiten und Chancen der Kooperation zwischen Big Pharma und Investoren.

Plattform Life Sciences: In welche Life-Science-Trends wird insbesondere im Frühphasensegment aktuell gerne investiert?

Brandkamp: Im Bereich der roten Biotechnologie erleben wir eine Wiederkehr der klassischen Drug-Development-Projekte. Diese wurden eine Zeit lang eher gemieden, jetzt gibt es jedoch wieder ein großes Interesse von Seiten der Finanzierer. Die VC-Geber kehren in die Frühphasenfinanzierung zurück, um vielversprechenden Technologie­themen eine gute Startfinanzierung zu ermög­lichen. Hier gibt es gute Beispiele, wie Immunic Therapeutics oder Cardior Pharma­ceuticals ,die gemeinsam mit Venture-Capital-Gesellschaf­ten aufgebaut werden konnten und über größere Finanzierungsrunden verfügen.

Jaroch: Als Bayer AG wollen wir Wirkstofffindungsprojekte voranbringen. Wir arbeiten intensiv auf dem Gebiet der Kleinmoleküle, sind aber auch sehr stark an Technologien interessiert, die darüber hinausgehen, etwa im Bereich der Biologika. Mit Blick auf Indika­tionsbereiche haben wir drei große Schwerpunkte: Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Onkologie sowie gynäkologische ­Therapien. In diesen Bereichen sind wir an Kooperationen interessiert, die wir mit unserer In-House-Expertise voranbringen können.

Plattform Life Sciences: Der Zugang zu Venture Capital bleibt schwierig. Gerade die Wirkstoffentwicklung erfordert viel Geld.

Brandkamp: Die Finanzierungsaussichten für kapitalintensive Unternehmen werden besser. Es ist nicht nur der High-Tech Gründerfonds, der sich hier mit frischem Geld engagiert. Es sind auch Venture-Capital-Fonds, pan-europäische Fonds, die wieder verstärkt auf den Markt treten. Das Fundraising läuft vergleichsweise gut, so dass auch neue Fonds entstehen, die an der Frühphasen­finanzierung interessiert sind und die auch in der Lage sind, solche Finanzierungen zu stemmen. Es ist wichtig, entlang der gesamten Finanzierungskette für jede Phase das passende Finanzierungskonsortium zusammenzustellen. Es geht ja nicht darum, ein Unternehmen von Beginn an komplett durchzufinanzieren. Die Finanzierungslandschaft hat sich insgesamt sehr verändert. Wir haben heute auch für die A-Runde ­unternehmerische Privatinvestoren, die in der Lage sind, größere Beträge im Millionen-Bereich bereitzustellen. So kann eine Brücke zur Venture-Capital-Industrie gebaut werden. Auch hier gibt es wieder mehr Kapital, beispielsweise durch die KfW-Bank, die wieder als Fund-of-Funds-Finanzierer auftritt. Auch die Coparion ist ein wichtiger Co-­Investor für uns. Zudem kommt wieder mehr internationales Kapital ins Land. Deutschland wird wieder als interessanter Markt wahrgenommen. Wir müssen schauen, dass wir dieses Interesse durch interes­sante Projekte am Leben erhalten.

Jaroch: Ich teile die Einschätzung von Herrn Brandkamp. Natürlich steht in anderen Ländern häufig mehr Geld für Serie-A-Finanzierungen zur Verfügung. Doch wir sehen auch hierzulande mehr Projekte. Da entwickelt sich was!

Plattform Life Sciences: Wie hat sich die Frühphasenfinanzierung durch die verstärkte Einbindung von Corporates verändert?

Brandkamp: Die Corporates spielen in der ­Finanzierungslandschaft für Start-ups zunehmend eine wichtige Rolle. Insbesondere, wenn sich die Corporates den Usancen der Investoren und Start-ups anpassen können. Viele Corporates haben erkannt, dass sie beispielsweise über eine frühe Übertragung der Patentrechte den Zugang zu den Start-ups häufig nicht bekommen. Daher zeigen sie sich immer aufgeschlossener in der ­Zusammenarbeit mit Start-ups. Sie lernen die Start-ups besser kennen, erhalten Informationen, ohne damit zugleich rechtsverankerte Vorzüge zu genießen. Diese Entwicklung begrüßen wir. Bayer hat mit Grants4App ein sehr gutes Programm aufgelegt, mit Start-ups zusammenzuarbeiten, ohne gleich ­diverse Rechte in Anspruch zu nehmen.

Jaroch: Bayer hat bekanntermaßen keinen eigenen VC-Zweig. Wir sind seit 2014 Kooperationspartner des High-Tech Gründerfonds. Dem zugrunde liegt ein klares Part­nering-Konzept. Wir pflegen viele strategische Kooperationen mit Universitäten und Forschungseinrichtungen, beispielsweise mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum oder der John-Hopkins-Universität. Daneben gewinnen wir auf Bio-Konferenzen weitere gute Kontakte zu Biotechfirmen. Was uns aber bislang gefehlt hat, war Zugang zu jungen Start-ups, zu Forschern, die sich ­unabhängig machen von ihren Instituten und eine eigene Firma gründen, also nicht mehr rein akademisch arbeiten, jedoch noch keine vermarktbaren Resultate haben, um sich als „fertiges“ Unternehmen auf Konferenzen zu präsentieren. Zwar haben wir ­einen eigenen Inkubator, den CoLaborator, um die Nähe zu solchen Firmen zu finden. Doch machte es für uns Sinn, in den High-Tech Gründerfonds zu investieren, weil dieser den Zugang zu qualitativ hochwertigen Start-ups in Deutschland und darüber ­hinaus gewährleisten kann.

 

„Durch die Kooperation mit dem High-Tech Gründerfonds können wir spannende Projekte in Deutschland aus der Nähe ­betrachten.“

 

Plattform Life Sciences: Herr Jaroch, wie müssen wir uns die Kooperation und Zusammenarbeit mit dem High-Tech Gründerfonds und den Start-ups in der Praxis vorstellen?

Jaroch: Durch die Kooperation mit dem High-Tech Gründerfonds können wir spannende Projekte in Deutschland aus der Nähe ­betrachten. Wir sehen, wenn ein neues ­Unternehmen entsteht und neue Konzepte in Geschäftsideen umgesetzt werden. Das ist ein ganz wichtiger Startpunkt, um mittelfristig Kooperationen mit Start-ups zu entwickeln. Die Zusammenarbeit mit dem HTGF ist ein hervorragendes Instrument, um in die Start-up-Community einzutauchen. Dazu dienen beispielsweise der FamilyDay oder die Partnering Conference. Weiterhin konnten wir gemeinsam mit dem High-Tech Gründerfonds einen Pitch Day in ­München etablieren, auf dem Start-ups und Investoren zusammentreffen.

Plattform Life Sciences: Herr Brandkamp, wie profitiert der High-Tech Gründerfonds von solchen Kooperationen?

Brandkamp: Neben der finanziellen Unterstützung profitieren wir natürlich von den Netzwerken und Expertisen der Corporates. Diesesind extrem wertvoll und es ist eine große Freude, mit Menschen zusammen­arbeiten, die diese Expertise mitbringen. Davon profitieren wir in unseren Entscheidungen über Investments in Start-ups. Wir können auf diese Expertenmeinung aus der zweiten Reihe zurück­greifen. Gleichzeitig wird unser eigenes Know-how erhöht. Auch die Anbahnung von Kunden-Lieferanten-­Beziehungen sind von erheblicher Relevanz. So konnten wir die Entstehung einer Forschungs- und Entwicklungs­kooperation zwischen Bayer und Ayoxxa Biosystems ­unterstützen. Ich glaube, ein Investor, der dafür sorgt, dass neben dem eigentlichen ­Investment weiteres Geld über Umsätze ­generiert wird, ist ein wertvoller Investor.

Plattform Life Sciences: Herr Brandkamp, Herr Jaroch, ich danke Ihnen für das interessante Gespräch.

Das Interview führte Holger Garbs.

 

ZU DEN INTERVIEWPARTNERN:

 

Dr. Michael Brandkamp ist Sprecher der Geschäftsführung des High-Tech Gründerfonds. Vor seiner Tätigkeit beim High-Tech Gründerfonds war der studierte Volkswirt u.a. als Abteilungsdirektor der KfW in der Finanzierung von Technologieunternehmen und als Leiter des Berliner Büros und stellvertretender Geschäftsführer der tbg Technologie-Beteiligungs-Gesellschaft mbH tätig.

 

 

Prof Dr. Stefan Jaroch ist Head, External Innovation Technologies, Drug Discovery, Pharmaceuticals bei der Bayer AG. Er ist für Technologie-Kooperation in der frühen Wirkstofffindung zuständig und betreut Open-Innovation-Initiativen. Zuvor war er in der Medizinischen Chemie bei Bayer in verschiedenen Funktionen tätig.

 


Dieser Artikel ist erschienen in der Ausgabe „Biotechnologie 2017“, die Sie bei uns auf der Seite bequem bestellen oder als E-Magazin lesen können.

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