Wenn es nach der italienischen Wettbewerbsaufsicht geht, sollen die beiden Schweizer Pharmakonzerne Novartis und Roche zusammen 180 Mio. EUR an Strafe wegen Preisabsprachen bezahlen. Gegenstand des Streits sind die Medikamente Avastin (Bevacizumab) und Lucentis (Ranibizumab). Die zu den Antikörpern zählenden Medikamente werden aktuell zu deutlich unterschiedlichen Preisen vertrieben. So kostet Lucentis ab 900 EUR pro Dosis. Zum identischen Preis können Ärzte aber Dutzende von Patienten mit Avastin (das die gleiche Wirkung wie Lucentis verspricht) behandeln – sofern sie eine Apotheke finden, welche die Einzeldosis des Medikamentes entsprechend portioniert.

Zwar sind Lucentis von Novartis und Avastin von Roche nicht vollkommen identisch, beide sind aber vom gleichen Antikörper abgeleitet und wirken als Angiogenesehemmer – hemmen also beide die Neubildung von Blutgefäßen. Zur Behandlung einer altersbedingten Augenkrankheit, der feuchten Makuladegeneration – kurz AMD – eignen sich beide Produkte gleich gut, das konnten klinische Studien vielfach bestätigen. Dennoch besitzt aber nur Lucentis die Zulassung zur Behandlung der AMD. Das deutlich preisgünstigere Avastin, das die Zulassung zur Behandlung von Krebs besitzt, wird dennoch häufig unter der so genannten „Off-Label“ Regelung ohne eine Zulassung auch zur AMD-Therapie verordnet. Warum Avastin bisher keine Zulassung auch bei AMD besitzt war bisher unklar.

Das italienische Kartellamt, die Autorità Garante della Concorrenza e del Mercato, erhebt nun den Vorwurf, dass Roche und Novartis eine Abmachung getroffen hätten, um dem sehr viel günstigeren Avastin den Marktzugang bei AMD zu erschweren. Auch gegen die Off-Label-Regelung seien beide Konzerne rigoros vorgegangen und hätten Ärzten vom Einsatz von Avastin bei AMD-Patienten abgeraten. Das italienische Gesundheitssystem hätte so seit 2011 zusätzliche Kosten von mindestens 45 Mio. EUR gehabt und die Kosten dürften noch deutlich steigen. In Rom wurden jetzt auch Staatsanwälte auf den Fall aufmerksam, es würde nun geprüft ob die beiden Schweizer Konzerne sich der Marktmanipulation und des Betrugs schuldig gemacht hätten. Das Handelsblatt berichtete über den Fall und gibt an, dass trotz Interesse aus Rom noch keine Ermittlungsverfahren gegen beide Unternehmen eröffnet worden sein.

Natürlich weisen Roche und Novartis sämtliche Vorwürfe weit von sich. Das Anraten an Ärzte, anstelle von Lucentis kein Avastin zu nutzen, hätte eine reine Schutzfunktion. Da Avastin zur Therapie von AMD keine offizielle Zulassung besäße und dahingehend auch nicht geprüft wurde könnten mögliche Gefahren bei seiner Verabreichung nicht ausgeschlossen werden. Die beiden Pharmaunternehmen gaben an, gegen die Strafe von je etwa 90 Mio. EUR Berufung einzulegen. Kein Wunder, schließlich verdienen beide Unternehmen eine Menge Geld mit dem in beiden Medikamenten enthaltenen Antiköper, der von Roche-Tochter Genentech entwickelt und zur Marktreife gebracht worden ist. Der Antikörper richtet sich gegen den Wachstumsfaktor VEGF, der Blutgefäße sprießen lässt. Im Falle der altersbedingten feuchten Makuladegeneration sorgt VEGF für die Bildung von unerwünschten Blutgefäßen in der Retina – was unbehandelt zur Erblindung führen kann.

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