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Eine stetig wachsende Bevölkerung mit zunehmender Häufung von Krankheiten macht China zum zweitgrößten Pharmamarkt nach den USA. Chinas Arzneimittelausgaben beliefen sich im Jahr 2018 auf 137 Mrd. USD. Es wird erwartet, dass sie bis 2023 auf 150 Mrd. USD anwachsen werden, wobei der Anteil der Generika (Marken- und Nichtmarkenprodukte) mehr als 50% betragen wird. Von Phil Walker und Martin Piehlmeier, Bryan Garnier & Co.

 

Einschlägigen Prognosen zufolge wird die chinesische Regierung in Zukunft etwa 7 bis 8% ihres BIP für die Gesundheitsversorgung ausgeben, gegenüber derzeit 6%. Ziel der chinesischen Regierung ist es, bis 2030 ein Gesundheitsniveau zu erreichen, das dem der Länder mit hohem Einkommen entspricht.

Eine der größten Herausforderungen dabei ist: Die Hauptanlaufstellen für chinesische Patienten sind wenige städtische, zentrale Krankenhäuser, die schnell überfüllt sein können, während es in ländlichen Gebieten nur wenige Krankenhäuser gibt, die weit auseinander liegen. Aufgrund des großen Bedarfs wird erwartet, dass insbesondere der chinesische Markt von Telemedizin-Lösungen profitieren wird, die Fernkonsultationen anbieten und die zentralisierten Krankenhäuser entlasten. Tatsächlich geben die Behörden auch zunehmend Mobile Apps frei und neue digitale Therapeutika-Lösungen (DTx) werden gezielt gefördert.

China: Schwieriges Terrain für ausländische Pharmaunternehmen

Angesichts des großen Marktpotenzials ist China naturgemäß ein attraktiver Markt für internationale Pharmaunternehmen – kein Player will auf den Zugang zur weltgrößten Population an potenziellen Krebspatienten verzichten.

Aber das Terrain ist schwierig, es hat seine eigenen lokalen Interaktionsregeln und vor allem herrscht massiver Preisdruck: Die nationale Erstattungsliste für Medikamente (NRDL) listet die Medikamente auf, die von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet werden. Sie wurde zuletzt 2017 aktualisiert und um in diese Liste aufgenommen zu werden, müssen Pharmaunternehmen enorme Rabatte anbieten: 2019 betrugen sie im Schnitt 61%.

Der zunehmende Druck, wirksame Therapien zu einem erschwinglichen Preis anzubieten, fördert zudem die Innovation im Inland und wirkt als Katalysator: So plant beispielsweise die chinesische Biotech-Firma Gracell Biotechnology, ihre CAR-T-Behandlung für etwa 500.000 Yuan (71.000 USD) zu berechnen – dieser Preis liegt deutlich unter den 475.000 USD für Kymriah von Novartis oder den 373.000 USD für Yescarta von Gilead Sciences.

„Made in China“ als klares Ziel der Regierung

China hat den Willen und auch durchaus die Mittel, eine lokale Pharma-Industrie aufzubauen, die den höchsten FDA-Standards entspricht. Im Rahmen ihrer Strategie „Made in China 2025“, die die chinesische Regierung bereits 2015 vorstellte, wurden spezifische 5- und 10-Jahres-Ziele für chinesische Pharmaunternehmen festgelegt: Mit Hilfe massiver staatlicher Investitionen und politischer Reformen sollten Innovationen insbesondere in der Biotechnologie gefördert werden. Klares Ziel war und ist es, die Abhängigkeit von ausländischen Arzneimittelimporten zu minimieren und einen heimischen Markt mit dominanten Akteuren zu schaffen.

Das wird noch eine Weile dauern, denn der chinesische Markt ist derzeit sehr fragmentiert. Es braucht eine Konsolidierung in großem Maßstab, um eine Handvoll von Akteuren zu schaffen, die groß genug sind, um im globalen Maßstab zu konkurrieren. In der Vergangenheit lag der Schwerpunkt in China eher auf der Produktion als auf der Innovation – so liefert das Land immerhin 97% aller Antibiotika, die in den USA vertrieben werden. Die F&E-Ausgaben im Pharmabereich hingegen betragen in China durchschnittlich nur 5% des Umsatzes, verglichen mit bis zu 20% bei US-Unternehmen.

Doch China holt auf: Nach der Informationstechnologie ist die Biopharmazie in China der zweitgrößte Markt im Hinblick auf erfolgte Investitionen: Allein zwischen 2014 und 2017 wurden mehr als 45 Mrd. USD in Biotech-Unternehmen in China investiert – mehr als 12 Mrd. USD davon kamen von chinesischem Risikokapital und inländischen Firmen. Angesichts des ständig wachsenden Risikos von Vireninfektionen (man denke nur an den Coronavirus) dürften sich bevölkerungsdichte Länder wie China künftig noch mehr Fokus auf Prävention und Behandlung solcher Krankheiten konzentrieren und entsprechend investieren.

So könnte China die USA in zehn Jahren als größten Pharmamarkt in den Schatten stellen. Es gibt Expertenschätzungen, wonach China in 5 bis 10 Jahren 50% aller neuen Medikamente in der Welt auf den Markt bringen wird. Und tatsächlich zeigt sich das Land in einigen Indikationen an vorderster Front der Forschung: So stammen derzeit die meisten zum Thema CRISPR (Verfahren zur therapeutischen Genom-Editierung) publizierten Fachbeiträge aus dem Reich der Mitte.

Interesse an Zukäufen

Um die ehrgeizigen Ziele zu erreichen, gibt es auch weiterhin ein großes Interesse, Anteile an europäischen Biotech-Unternehmen zu kaufen, diese zu übernehmen oder Partnerschaften mit ihnen einzugehen. Das ist eine Chance für die Industrie in Europa, aber der Markt ist durchaus wettbewerbsintensiv: Inzwischen buhlen viele westliche Unternehmen um das Interesse von chinesischen Investoren. Zumal der Markteintritt vor Ort für ein europäisches Unternehmen bekanntlich fast unmöglich ist, wenn es nicht den richtigen lokalen Partner hat. Dabei sollten die Unternehmen allerdings Geduld mitbringen: Tatsächlich investieren chinesische Investoren vergleichsweise viel Zeit in der Due Diligence-Phase, der Prozesse kann also durchaus dauern.

 

ZU DEN AUTUREN

Phil Walker ist Managing Director – Healthcare Investment Banking bei Bryan Garnier & Co.

Martin Piehlmeier ist Associate – Healthcare Investment Banking bei Bryan Garnier & Co.

Autor/Autorin

Holger Garbs ist seit 2008 als Redakteur für die GoingPublic Media AG tätig. Er schreibt für die Plattform Life Sciences und die Unternehmeredition.