„Deutschland hat den Anschluss noch nicht verloren“

Plattform Life Sciences: Interview mit Dr. Gregor-Konstantin Elbel, Partner Life Science & Health Care bei Deloitte

Welche Art von Unternehmen wird die Digitalisierung des Gesundheitswesens künftig prägen?

Der Gesundheitssektor allgemein profitiert dabei massiv von den wachsenden Mittelschichten weltweit. Selbst wenn in einzelnen Ländern traditionelle oder innovationsfeindliche Akteure manche Entwicklungen zunächst nicht unterstützen, werden sich die sinnvollen Lösungen am Ende durchsetzen. Der sich abzeichnende Nutzen für die Patienten und die Akteure selbst ist einfach zu groß.

Gerade bei Pharma-Konzernen wird die Frage eine große Rolle spielen: Wie verändert sich die Marge? Digitale Serviceangebote haben in der Regel eine andere Kosten- und Ertragsstruktur als das traditionelle Arzneimittelgeschäft. Klar ist, dass die Digitalisierung aber auch die Entwicklung und Vermarktung der Kernprodukte revolutioniert. Dies geschieht schon heute, teilweise auch mithilfe von Inkubatoren oder Acceleratoren. Im Medizintechnikbereich existieren bereits verschiedene digitale Produkte, etwa Insulinpumpen oder das Exo-Skelett. Es werden neue Ansätze eingeführt und bestehende Produkte weiterentwickelt. Schlussendlich werden wir ein Spiel um Daten erleben. Dazu braucht es eine Infrastruktur, die in der Lage ist, schnell und sicher mit großen Datenmengen umzugehen sowie die spezielle Fachkompetenz. Die Digitalisierung wird heute auch vorangetrieben von großen, international agierenden Playern, insbesondere auch aus der Technologie-Branche. Dabei hat Deutschland den Anschluss längst noch nicht verloren, wie viele meinen. Es gibt in Deutschland rund 80 Mio. Menschen, die von der Digitalisierung des Gesundheitswesens betroffen sind. Deutschland besitzt eine gute Infrastruktur und gut ausgebildete Fachkräfte wie beispielsweise Informatiker. Für Start-Ups allerdings ist die Skalierung über die Landesgrenze hinaus schwierig, wodurch auch der Übergang von der klassischen Risikofinanzierung mit Venture Capital hin zu Private Equity erschwert ist. Dies kann dazu führen, dass die finale Entwicklung im Ausland stattfinden wird, dort, wo das nötige Kapital vorhanden ist und letztlich auch viel größere Märkte existieren.

Welche Rolle werden Pharma-Konzerne und Biotech-Firmen spielen?

In der Forschung werden heute schon digitale Methoden verwendet, sei es mit in-silico Verfahren in der Forschung oder klinische Studien mit dezentraler Datenerhebung, auch über Wearables. Wissenschafts-Sharing geschieht digital. Weiterhin sehen die Pharma-Konzerne enormes Potenzial in der digitalen Molekülentwicklung. Doch klinische Studien und die damit verbundene Logistik und Rekrutierung werden zunehmend digital. Das wird auch Zulassungsprozesse beschleunigen und kostengünstiger machen. Gerade die Bekämpfung seltener Krankheiten, die aktuell extrem kostenintensiv ist, kann davon profitieren. Nach der Zulassung eines Medikaments können mithilfe von digitalen Angeboten Patientendaten gesammelt werden, um schneller auf Nebenwirkungen reagieren zu können. Insgesamt wird die Bedeutung des klassischen Außendienst-Vertriebs zurückgehen.

Abschließend vielleicht noch eine Bemerkung: Was wir in Deutschland dank der gesetzlichen Neuerung demnächst erleben werden, ist die Verbindung von kassenfinanzierten Gesundheits-Apps auf Rezept und die Messung ihrer Wirksamkeit, also die Zusammenführung von Behandlungsdaten und App-Daten. Wir sehen also viele wichtige Schritte, die in die richtige Richtung gehen.

Herr Dr. Elbel, haben Sie vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Holger Garbs.

 

ZUM INTERVIEWPARTNER

Dr. Gregor-Konstantin Elbel ist Partner Life Science & Health Care bei Deloitte. Vor seinem Wechsel zu Deloitte war Dr. Elbel neun Jahre bei der Boston Consulting Group und schwerpunktmäßig im deutschen und internationalen Gesundheitsmarkt tätig. Besondere Schwerpunkte lagen in den Bereichen Krankenkassen, private Krankenversicherungen, Pharmaindustrie und Versorgungsmodelle. Zuvor arbeitete Dr. Elbel als AiP, Assistenzarzt sowie PostDoc in der Neuroradiologie und in der präklinischen Hirnforschung am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München mit Lehrtätigkeit an der Medizinischen Fakultät der LMU München.

Autor/Autorin

Holger Garbs ist seit 2008 als Redakteur für die GoingPublic Media AG tätig. Er schreibt für die Plattform Life Sciences und die Unternehmeredition.