Kooperationen als Vertrauensbasis

Die Basis für Übernahmen und Beteiligungen legen oft langjährige Kooperationen, bei denen die späteren M&A-Partner sich kennenlernen und Vertrauen aufbauen können. Beispiel ist das deutsche Biotech-Start-up InflaRx, das Medikamente gegen chronische und akute Entzündungen entwickelt. Das Unternehmen mit Sitz in Jena wurde 2007 von den beiden Professoren Dr. Niels Riedemann und Renfeng GUO ins Leben gerufen. Beide Gründer blicken auf langjährige gemeinsame Forschungen zurück. Riedemann arbeitete am medizinischen Institut der Universität Jena und Guo kooperierte mit dem Beijing Institute of Science.

Im Juli 2016 verkündete InflaRx den erfolgreichen Abschluss einer dritten Finanzierungsrunde (Runde C) über 31 Mio. EUR, an der sich neben anderen Investoren auch die Staidson Hongkong Investment Company (STS) beteiligt hat. Das Geld soll in die Weiterentwicklung eines Medikaments für die Behandlung von Entzündungskrankheiten fließen. Den chinesischen Investor Staidson konnte InflaRx aufgrund seiner langjährigen Kooperationen mit chinesischen Forschergruppen in China gewinnen. InflaRx ist dort bestens vernetzt.

Produktbezogene Kollaborationen

Kapitalaufnahme deutscher Biotech-Unternehmen (in Mio. EUR - Quelle: EY)
Kapitalaufnahme deutscher Biotech-Unternehmen (in Mio. EUR – Quelle: EY)

Das trifft auch auf andere Unternehmen zu. Bereits im März 2014 hat das Münchner Biotech-Unternehmen Wilex der chinesischen Link Health Group Lizenzen für die Vermarktung eines potenziellen Krebsmedikaments verliehen. Damit übernimmt Link Health die Entwicklung des Medikaments in China sowie die Finanzierung bis zur Marktreife. Wilex erhält im Gegenzug Meilenstein-Zahlungen und attraktive Royaltys, also Anteile am Umsatz im Falle einer Zulassung in China. Zwei Jahre später hat Link Health eine weitere Kooperation mit einem deutschen Biotech-Unternehmen abgeschlossen. Bei dem deutschen Partner handelt es sich um die 1997 gegründete 4SC, die seit 2005 im Prime Standard an der Frankfurter Börse notiert. Auch bei dieser Kooperation geht es um die Entwicklung und Vermarktung eines Krebsbekämpfungswirkstoffes in China. Vereinbart wurden Vorschüsse und Meilenstein-Zahlungen an 4SC in Höhe von bis zu 76 Mio. EUR.

Dr. Jason, Loveridge CE
„Aus unserer Sicht ist ein lokaler Partner für die Medikamentenentwicklung in China sehr wichtig.“(Dr. Jason, Loveridge CE)

Chinesische Partner mit lokalem Netzwerk

„Aus unserer Sicht ist ein lokaler Partner für die Medikamentenentwicklung in China sehr wichtig“, erklärt Dr. Jason Loveridge, CEO von 4SC. „Man braucht einen Partner mit guten Verbindungen, der ein Netzwerk mit den chinesischen Krankenhäusern, Ärzten und Behörden aufgebaut hat.“ Jedes Land habe bei der Zulassung von Medikamenten andere Anforderungen, China sei da keine Ausnahme. Anders als in vielen westlichen Ländern werden in China nur sehr wenige Medikamente von der Versicherung erstattet und Patienten müssten diese oft selbst bezahlen. Bei den Erstattungen gebe es zudem je nach Provinz Unterschiede. Das Niveau der chinesischen Forschung schätzt Loveridge als hoch ein. „Wir haben in China viele Wissenschaftler mit langjährigen Erfahrungen und einem hohen Maß an Professionalität kennengelernt“, sagt der 4SC-Chef. „Die Regierung unterstützt den Aufbau medizinischer Cluster und strebt nach internationaler Anerkennung auf hohem Niveau.“

Ralf Penner, Director Investor / Public Relations, Paion AG
„Die chinesischen Zulassungsbehörden verlangen eigene Tests.“ (Ralf Penner, Director Investor / Public Relations, Paion AG)

Spezieller Zulassungsprozess

Die Besonderheiten des chinesischen Zulassungsprozesses betont auch Ralf Penner, Director Investor Relations und Public Relations bei der börsennotierten Paion AG. „Für die Einführung von Medizinprodukten in China ist ein mehrstufiger Prozess nötig“, erklärt Penner. Das Aachener Unternehmen ist auf Anästhesiemedikamente spezialisiert und arbeitet mit dem chinesischen Lizenzpartner Yichang Humanwell zusammen. Der soll das von Paion entwickelte Narkosemittel Remimazolam fit für den chinesischen Markt machen. Die Rechte dafür wurden im Jahr 2012 übertragen. „Die chinesischen Zulassungsbehörden verlangen eigene Tests“, berichtet Penner. Dagegen sei eine Zulassung in anderen Ländern wie zum Beispiel Kanada einfacher, sofern das Medikament schon in den USA zugelassen sei. In diesem Fall reiche eine Kopie der schon im Nachbarland eingereichten Unterlagen und Daten.

Nachhaltiges Interesse

Warum China als biopharmazeutischer Absatzmarkt immer wichtiger wird, zeigt ein weiteres Praxisbeispiel. „Die Veränderung der Lebensverhältnisse in China führt dort zu einer steigenden Zahl an Krebserkrankungen“, erläutert Peter Vogt, Vice President Corporate Communications & Investor Relations bei dem an der Frankfurter Börse gelisteten Biotech-Unternehmen Epigenomics. Das deutsch-amerikanische Unternehmen mit Standorten in Berlin und in Germantown im US-Bundestaat Maryland entwickelt spezielle Bluttests zur Erkennung von Darm- und Lungenkrebs. Epigenomics hat sich für den chinesischen Gesundheitsmarkt frühzeitig einen erfahrenen Partner gesucht. Es handelt sich um das 1994 gegründete Silicon-Valley-Unternehmen BioChain aus Newark bei San Francisco. 2015 hat BioChain im Rahmen einer Lizenzvereinbarung einen Bluttest von Epigenomics für die Früherkennung von Darmkrebs auf den chinesischen Markt gebracht, nachdem es für das Produkt 2014 die Zulassung der chinesischen Gesundheitsbehörde China Food and Drug Administration (CFDA) erhalten hatte.

Nach dem gleichen Muster soll nun auch ein Epigenomics-Bluttest für die Erkennung von Lungenkrebs in China eingeführt werden. Mit Cathay Fortune hat Epigenomics seit letztem Jahr auch einen Investor aus dem Reich der Mitte an Bord. Der hält rund 5% der Aktien und wollte das Unternehmen im Sommer 2017 zusammen mit BioChain übernehmen. Cathay Fortune scheiterte jedoch an der Mindestannahmeschwelle von 75%. Nunmehr zeichnete die Hongkonger Beteiligungsgesellschaft eine Wandelschuldverschreibung. Aus dieser fließen Epigenomics 6,5 Mio. EUR zu. Das Interesse des chinesischen Investors an dem deutschen Biotechspezialisten ist trotz des Rückschlags ungebrochen.

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