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Der Gesetzgeber hat mit der virtuellen Hauptversammlung eine zusätzliche Art der HV geschaffen. Deren Vorteile und Nachteile müssen individuell von jedem Emittenten gut abgewogen werden. Schon jetzt ist klar: Ein One-size-fits-all wird es nicht geben.

Die virtuelle Hauptversammlung soll nach dem Willen des Gesetzgebers eine völlig neue Art der Hauptversammlung werden, indem sie die Präsenzveranstaltung in den virtuellen Raum holt. Doch allein dabei bleibt es nicht.

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Die COVID-HV hat gezeigt, wie schnell sich alle Beteiligten auf ganz neue Situationen einstellen konnten: technisch, rechtlich, praktisch. Die Erfahrung hat auch gezeigt, der Teufel steckt im Detail. Die neue virtuelle Hauptversammlung ersetzt die COVID-HV und wird eine neue dauerhafte Variante der HV. Für die Entscheidung pro oder contra können die Erfahrungen aus der COVID-HV nutzbar gemacht werden. Größe des Emittenten, Struktur des Aktionariats und Innovationsneigung ebenso wie Nachhaltigkeitsaspekte und Kosten werden bei der Entscheidung über die Art der Durchführung maßgeblich sein.

Auf das Timing kommt es an

Wer sich in der kommenden Saison für eine virtuelle Hauptversammlung entscheidet, sollte frühzeitig mit der Planung beginnen. Die neuen technischen Anforderungen und Möglichkeiten erfordern viele auch rechtlich relevante Detailentscheidungen bei der Vorbereitung. Erst wenn hier Klarheit besteht, können die Einberufung und die weiteren damit zusammenhängenden Dokumente erstellt werden. Das führt zu einer deutlichen Vorverlagerung der Vorbereitungen einschließlich der Einbindung der verschiedenen externen Berater und Dienstleister.

Nach der Entscheidung für eine virtuelle Hauptversammlung sieht das Gesetz eine Reihe von Optionen vor. Viele Emittenten werden sich z.B. gegen die Vorabeinreichung von Fragen entscheiden, die zu einer schriftlichen Beantwortungspflicht im Vorfeld der Hauptversammlung führen würde. Die Ausübung des Auskunftsrechts in der Hauptversammlung kann auf die Videokommunikation beschränkt werden.

Digitalisierung anspruchsvoll

Die virtuelle Hauptversammlung verlangt allen Beteiligten deutlich mehr Digitalkompetenz ab als bislang. Das beginnt für die Mitarbeiter im Vorfeld bei der Ausgestaltung des Onlineportals mit den verschiedenen rechtlichen Möglichkeiten und geht über den Versammlungsleiter, der sich mit technischen Themen vertraut machen sollte, um das Livegeschehen vor und hinter den Kulissen übersehen zu können, bis hin zu den Aktionären, die sich per Videotechnik in die Hauptversammlung live einbringen können.

Klare Prioritäten setzen

Die Art und Weise der Durchführung der kommenden Hauptversammlung steht im Mittelpunkt der laufenden Vorbereitungen. Aktuell fokussieren sich die Emittenten verständlicherweise auf (EDV-)technische Themen. Sie haben hierbei die Qual der Wahl und sollten klare Prioritäten bei der Planung und Implementierung setzen. Wenn diese Themen durchdacht sind, kann der Blick künftig wieder mehr auf inhaltliche Aspekte gerichtet werden. Das ist auch notwendig, denn Forderungen zu einem Say on Climate oder gar Say on ESG werden schon jetzt lauter. Es gilt also: Nach der HV ist vor der HV!

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Autor/Autorin

Dr. Katharina Stüber

Dr. Katharina Stüber ist Partnerin bei Baker McKenzie, Frankfurt am Main, im Bereich Corporate/M&A. Sie berät insbesondere börsennotierte Gesellschaften zum Aktien- und Kapitalmarktrecht, zur Corporate Governance und zum Konzernrecht.