“Geschlechtsspezifische Klischees in der Werbung stecken Frauen, Männer, Mädchen und Jungen in eine Zwangsjacke, beschränken Individuen auf vorgegebene künstliche Geschlechterrollen, die oftmals herabwürdigend, beschämend und erniedrigend für beide Geschlechter sind“, schrieb die schwedische EU-Abgeordnete der Vereinigten Linken, Eva-Britt Svensson, in ihrem Bericht für den Frauenausschuss. Das Parlament teilte diese Sicht und beschloss, dass Werbung im Dunstkreis von Frau Clementine, Frau Sommer oder Tante Tilly („Sie baden gerade Ihre Hände drin.“ „In Geschirrspülmittel?“ „ In Palmolive“) unterbunden werden sollte. Tolle Idee: Wird es in Zukunft also praktisch kaum noch Werbung geben? Und was ist eigentlich mit Rosamunde-Pilcher-Verfilmungen? Sollen die jetzt wegen Übersättigung an geschlechtsspezifischen Klischees auch verboten werden? So ehrbar das Anliegen des EU-Parlaments ist, so wenig zielführend kann eine gesetzliche Regelung sein. Werbung setzt keine geschlechtsspezifischen Klischees, sondern bildet sie nur ab.

Andernorts sieht man die Sache grundlegend anders, wie die Berufung Sarah Palins zum „running mate“ von John McCain zeigt. „Es gehört zu den Funktionen des Mannes, dass er grundsätzlich der Erhalter und Ernährer der Familie ist, während die Frau es als ihre vornehmste Aufgabe ansehen muss, das Herz der Familie zu sein.“ Nein, der Satz stammt nicht aus der Rede von Sarah Palin auf dem Nominierungs-Parteitag der Republikaner vergangene Woche. Sondern aus der Einführung zum bundesdeutschen Gleichberechtigungsgesetz von 1957. Hätte aber sein können. Family values und stay-at-home-moms haben in USA gerade wieder Konjunktur, wie erste Umfrageergebnisse nach der Nominierung zeigen. Wenn man so will, befindet sich ein Großteil der US-Bürger in einem „alten“ Amerika, ein halbes Jahrhundert zurück.

Sicher, das ist nur eine Momentaufnahme. Aber die zunehmende Entfremdung zwischen den USA und Europa ist nicht zu übersehen. Das gilt für gesellschaftspolitische Dinge ebenso wie für Außenpolitik und Wirtschaft. Das ist keine gute Entwicklung. Wer hoffte, dass nach George W. Bush die Zeichen in jedem Fall wieder mehr auf Annäherung stehen, egal wer gewählt würde, muss nach der Nominierung Palins enttäuscht sein. Das ist die eigentliche schlechte Nachricht des Heimchen-Alarms.

Stefan Preuß

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