Bildnachweis: Who-is-Danny_AdobeStock, stock3, © stock3 AG.

Im März 2022 ging BörseGo an die Börse – und baut seitdem, umbenannt in stock3 AG, das Geschäftsmodell sukzessive aus. Ein Gespräch mit dem Gründungsvorstand über neue Zielgruppen, Expansions- und Kooperationspläne, die Einproduktstrategie und persönliche Börsenaussichten.

GoingPublic: Herr Abend, Sie machen seit mehr als 20 Jahren in Börse, bieten eine Tradingplattform samt Analysen und redaktionellen Berichten und sind selbst seit etwas mehr als einem Jahr börsennotiert. Ist das spezielle Finanz-Know-how ein Vorteil beim Management der eigenen Aktie?

Robert Abend: Die Gründung der BörseGo AG (jetzt stock3 AG) fand im April 2000 statt, zum Hochpunkt der damaligen Neuer-Markt-Blase. Im Anschluss ging es mit den Börsen erst einmal drei Jahre lang bergab. Es folgten 23 weitere bewegte und spannende Jahre, in denen wir das damalige Fintech-Start-up mit vier Gründern plus ­einem motivierten Team zu einem Marktführer der deutschen Börsenberichterstattung und gleichzeitig zu einem tech­no­logischen Innovator in der Finanzbranche entwickeln konnten.

Natürlich hilft uns unsere langjährige Erfahrung und vor allem auch die Leidenschaft für die Börse. Viele unserer aktuell über 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind Vollblutbörsianer, mehrere übrigens auch selbst Aktionäre der stock3 AG. Wir sind jetzt (erst) ein gutes Jahr an der Börse, haben 2022 einige wichtige Grundlagen für unsere weitere Entwicklung gelegt und verfolgen konsequent unseren Weg – wir haben noch einiges vor.

Kursschwankungen von etwa 10% sind normal und bringen uns nicht aus der Ruhe.

Nach Verkündung der jüngsten Zahlen zum Geschäftsjahr 2022 hat der Aktienkurs erst einmal gelitten, damit ist stock3 aber in guter Gesellschaft. Daher allgemein gesprochen: Wie geht es Ihnen mit dem Unternehmen an der Börse? Haben Sie es sich leichter vorgestellt?

Erst einmal möchte ich betonen, dass wir es im März 2022 als erstes Unternehmen des Jahres in schwieriger Zeit sicher an die Börse geschafft haben. Der Kurs hat sich in der

folgenden schwachen Marktphase 2022, vor allem auch für Technologieaktien, überragend gehalten. Das lässt sich u.a. mit dem Vertrauen unserer Pre-IPO-Investoren begründen, die an das Potenzial und die positive Zukunft der stock3 AG glauben. Aktuell fühlt es sich an, als würde der Kurs geduldig darauf warten, dass wir die 2022 gelegten Grundlagen – Börsengang, Einmarkenstrategie, Launch der neuen Plattform stock3.com, Öffnung des Geschäftsmodells von brokerize.com – in steigenden Geschäftserfolg verwandeln, damit auch der Kurs in höhere Regionen folgen kann. Zwischenzeitliche Schwankungen von etwa 10% sind normal und bringen uns nicht aus der Ruhe.

Sie haben es gerade angedeutet: Operativ und vor allem technisch passiert einiges bei stock3; sie entstand 2022 aus zwei etablierten Plattformen,
GodmodeTrader und Guidants. Jetzt heißt das Produkt wie die Firma, was
für Externe erst einmal eingängiger ist. Wie unterscheidet sich Ihr Angebot, das von Insidern auch manchmal als deutsches „Mini-Bloomberg“ bezeichnet wird, von anderen Plattformen im Markt?

Das mit dem Mini-Bloomberg gefällt mir, will ich nicht verhehlen. Vor allem aber sind wir eine Plattform nicht nur für Profis. stock3 bietet mit der Webplattform stock3.com, der App und dem Terminal für alle Nutzer, vom lernwilligen Einsteiger über den kundigen Selbstentscheider bis hin zum professionellen Marktteilnehmer, die Home­base für den Börsenalltag. Alle not­wen­digen Börseninformationen, Tools für die Analyse von Märkten und Aktien, den Austausch mit erfahrenen Experten wie auch der direkte Trade bei verschiedenen Brokern – der Nutzer findet ­alles auf einer Plattform. Zu diesem Zweck unterhalten wir mit den meisten ­internationalen Banken und Onlinebrokern langjährige Koope­ra­tio­nen.

stock3.com, das stock3 Terminal und die stock3 App bilden gemeinsam die Homebase für Trader und Anleger. © stock3

Was den Produktnamen angeht, können wir dank gleich lautender Firma und Produkt die Vorteile der Börsennotiz voll ausnutzen.

Wer sind Ihre größten Wettbewerber?

Ich sehe eigentlich nur Mitbewerber in einzelnen Teilaspekten unseres Geschäftsmodells, nicht in der Gesamtheit unseres Angebots. Zum einen nehmen unsere Experten noch nicht so erfahrene Trader und Anleger auf ihrem Weg an der Börse an die Hand, zum anderen bieten wir mit unserem Terminal auch für Vermögensverwalter, Anlageberater, IR-Manager und andere professionelle Marktteilnehmer eine Plattform, die praktisch keine Wünsche offenlässt.

Wir haben bereits begonnen, unsere Social-Media-Aktivitäten deutlich auszubauen.

Sie haben auf der Frühjahrskonferenz des Equity Forums in Frankfurt im
Mai angekündigt, dass Sie jetzt zum ersten Mal eine echte Marketingkam­pagne starten wollen, um neue Ziel­gruppen zu erreichen. Wie wird diese Bekanntheitsoffensive aussehen und was soll oder darf sie kosten?

Ja, das stimmt. Die erste richtige Marketingkampagne seit Unternehmensbestehen ist kürzlich live gegangen. Bisher sind wir überwiegend durch Mund-zu-Mund-Propaganda und Kooperationen gewachsen, was uns rückblickend immer noch ein klein wenig verwundert und stolz macht. Wir investieren nun einen hohen sechsstelligen Betrag in die Kampagne, die in unterschiedlichen Kanälen zu sehen sein wird. Ein klein wenig Print, auf Suchmaschinen, Social Media, aber auch auf Messen werden wir wieder präsent sein.

Welche neue Zielgruppe genau haben Sie sich ausgeguckt und wie möchten
Sie diese direkt ansprechen?

Im Mittelpunkt der Kampagne steht unsere gegenwärtige Zielgruppe der aktiven Trader und Anleger – es kann nicht sein, dass es in Deutschland noch Börsenteilnehmer aus diesem Kreis gibt, die die Produkte der stock3 AG nicht kennen. Wir beabsichtigen jedoch, unsere Zielgruppe ein wenig zu verbreitern und auch den etwas weniger aktiven Börseninteressierten anzusprechen und für die vielfältigen Möglichkeiten auf unserer Plattform zu begeistern. Das Thema Aktien und vorausschauende Altersvorsorge wird für die breite Bevölkerung immer wichtiger.

Generell ist die Börse einfach auch sehr interessant, quasi das Spiegelbild der Welt: Alle Ereignisse, Entwicklungen, ob geopolitisch, neue Trends, Klima, Rohstoffe, Makroökonomie – alles wird im Kursgeschehen der internationalen Börsen abgebildet. In diesem Zuge wird die Börse sicher für den einen oder anderen zum Hobby – und dann ist er bei stock3 genau richtig.

Diese Begeisterung für Börse wollen wir auch in jüngere, noch nicht so sehr finanzgebildete Zielgruppen transportieren. Wir haben bereits begonnen, unsere Social-Media-Aktivitäten deutlich auszubauen. Auch die vielen wöchentlichen Webinare auf stock3 oder ein neu konzipiertes Ausbildungsangebot spielen hier eine wichtige Rolle.

Wir verfügen mit einer Eigenkapitalquote von fast 70% noch über Kapital aus der Pre-IPO-Phase und dem Börsengang, welches wir sukzessive für sinnvolle Investitionen in Reichweite, Wachstum und Steigerung der Marge einsetzen werden.

Sie lassen in Gesprächen meist nicht unerwähnt, dass Sie bisher Ihr
Wachstum und auch Zukäufe ganz ohne Kreditaufnahme bewerkstelligen. Gleichzeitig haben Sie 2023 als ein „Jahr der Grundlagenlegung“ bezeichnet. Soll es dennoch in jedem Fall ohne Kreditaufnahme weitergehen?

Teil unserer Philosophie seit Gründung im April 2000 war, stetiges Wachstum aus dem operativen Cashflow zu generieren. Fremdkapitalaufnahme bzw. Verschuldung spielte zu keinem Zeitpunkt eine Rolle und so soll es auch bleiben. Zudem verfügen wir mit einer Eigenkapitalquote von fast 70% noch über Kapital aus der Pre-IPO-Phase und dem Börsengang, welches wir sukzessive für sinnvolle Investitionen in Reichweite, Wachstum und Steigerung der Marge einsetzen werden.

Sie streben auch Kooperationen, Beteiligungen an anderen Unternehmen und Übernahmen an. Können Sie das näher spezifizieren – was genau suchen Sie?

Grundsätzlich gibt es unterschiedliche Aspekte. Da wären Umsatz, Profitabilität, Reichweite, Zukunftstechnologien/Know-how und kompetente Köpfe/Talente. Wenn mehrere dieser Aspekte vorhanden sind und wir uns als stock3 AG Synergien versprechen bzw. unseren Teil zum Erfolg der Beteiligung/Übernahme beitragen können, wird es interessant. Zum einen haben wir bereits mehrere Minderheitsbeteiligungen getätigt, die sich bisher überaus erfreulich entwickeln. Zum anderen planen wir auch Mehrheitsbeteiligungen und Übernahmen, um oben angesprochene Synergien für die stock3 AG zu realisieren.

ChatGPT u.a. sind nicht nur im Finanzbusiness und auch für redaktionelle Tätigkeiten inzwischen in aller Munde. Wie gehen Sie damit in Ihrem Unternehmen um? Und wie sehen Sie die Rolle für KI für das Finanzinformationsbusiness allgemein?

Künstliche Intelligenz (KI) spielt für das Finanz-/Börsensegment eine zunehmend wichtige Rolle und hier wollen wir natürlich auch in der Entwicklung vorne mit dabei sein. Wir beabsichtigen, KI-gestützte Technologien als weiteren Servicefaktor, als Assistent für die Anlageentscheidung und Schaffung einer Symbiose zum unverzichtbaren Experten-Know-how auf unserer Plattform zu etablieren. Hier arbeiten wir bereits an konkreten Lösungen. Wir haben uns aber auch schon frühzeitig an zwei Unternehmen in diesem Zukunftstrend beteiligt: zum einen an Sub Capitals, das ein Anlageprodukt basierend auf KI-Entscheidungen auf den Markt gebracht hat, zum anderen an Tender Art, einer Kuratorenplattform, die KI-generierte Kunst vertreibt.

Sie haben bereits Ihre 100%-Tochter brokerize erwähnt. Stehen hier neue Partnerschaften an, von denen Sie berichten können? Wie geht es da weiter?

Schön, dass Sie fragen. Brokerize ist in der Tat eine besondere Perle in unserem Port­folio. Mit unserer innovativen Schnittstellentechnologie gestalten wir ein Ökosystem aus kooperierenden Brokern/Banken sowie Fintechs/Finanz-Apps/Webseiten/Finanzplattformen. Hier ist die Nachfrage sowohl auf der Brokerseite als auch auf Plattformpartner­seite ausgesprochen groß und wir führen sehr vielversprechende Gespräche. Bekannt ist ja schon, dass nach dem Finfluencer Gold­esel und der Quantmade GmbH auch das allseits bekannte Finanzportal onvista in Kürze live gehen soll. An weiteren konkreten Anbindungen wird bereits gearbeitet. Ich kann auch schon verraten, dass wir auf der Brokerseite Zuwachs erhalten werden. ­Embedded Finance oder hier im Speziellen „Trading as a Service“ ist ein absolutes Trendthema, was auch die Jury auf der FintechWorld23 so sah und brokerize kürzlich zum Sieger in der Themenwelt Open Banking kürte.

„Mini-Bloomberg“: Mit der Trading-Schnittstelle derTochter brokerize können Nutzer direkt aus stock3.com (links) und dem stock3 Terminal (rechts) auf ihr Depot zugreifen und von dort sofort handeln.

Zum Abschluss noch zwei Fragen an den erfahrenen Börsianer Robert Abend persönlich. Wie beurteilen Sie die ­derzeitige Marktlage an den Börsen und welche Kennzahlen bereiten Ihnen die größten Sorgen?

Viele Indizes befinden sich nahe ihrer Hochs, aber das könnte trügerisch sein. Viele Kennzahlen an den Märkten geben Anlass zur Sorge: die fehlende Marktbreite beispielsweise – die Indizes werden vor allem von den Techschwergewichten getragen; auch die hohe Verschuldung auf allen Ebenen, von einzelnen Staaten bis zu den Verbrauchern in den USA, sind bedenklich; die geopolitischen Spannungen in verschiedenen Teilen der Welt und so weiter. Trotzdem gibt es eigentlich keine Alternative zur Anlage in Aktien/Sachwerte, um der Inflation zu entkommen und auch fürs eigene Alter vorzusorgen. Dafür ist das Wissen über die Kapitalmärkte in der Bevölkerung aber noch, sagen wir mal, ausbaufähig. Der Informationsbedarf dürfte weiter steigen.

Gibt es auch Rahmendaten am Markt, die Sie ermuntern und positiv stimmen für das laufende Börsen- und Geschäftsjahr?

Wenn Ängste und Sorgen in aller Munde sind, riecht das normalerweise nach einem Kontraindikator und der Markt klettert für die meisten unerwartet weiter. An den Börsen kommt es meist anders, als die Mehrheit erwartet. Die aktuelle volatilitätsarme Zeit am Markt wird wieder in einer Zeit mit hoher Volatilität münden – und genau da kommt die stock3 AG ins Spiel. Hier können wir mit unseren Analysen, vielfältigen Tools und Features, den Expertenstreams und unserer praktischen Multi-Brokerage-Lösung punkten – hier können wir unsere Stärken als die Homebase für Trader und Anleger ausspielen. Insofern bin ich überaus positiv für die (längerfristige) Zukunft des Markts, aber vor allem die stock3 AG gestimmt.

Herr Abend, herzlichen Dank für das Gespräch und viel Erfolg weiterhin!

Das Interview führte Simone Boehringer


Zum Interviewpartner

Robert Abend ist Vorstand der stock3 AG und auch einer der Gründungsvorstände des Unternehmens, welches bis 2022 BörseGo AG hieß.

Autor/Autorin

Simone Boehringer

Simone Boehringer ist die Redaktionsleiterin "Kapitalmarktmedien" der GoingPublic Media AG.