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Für viele Unternehmen ist der Zugang zu Kapital ein wichtiger Wettbewerbsfaktor und Grundvoraussetzung für Wachstum, Innovation sowie die Schaffung von Arbeitsplätzen. Spätestens wenn interne, private oder andere Finanzierungsquellen ­erschöpft sind, kann die Strategieoption Kapitalmarkt ein Weg sein, die Finanzierungsstruktur zu optimieren und den finanziellen Spielraum zu erweitern.

Abb. 1: Unterschiede zwischen Equity- und Bond Story © EY

Die Finanzierung – sei es durch die Ausgabe von Aktien oder durch den Börsengang auf Zeit über die Emis­sion einer Anleihe – stellt das Unternehmen auf eine breitere Kapitalbasis. Dabei bietet der einmal erschlossene Kapitalmarkt­zugang eine Reihe von Chancen in der ­Finanzierung und kann fortlaufend zu einem hohen Mehrwert für das Unternehmen ­führen. Eine aktuelle Studie zeigt, dass eine aktive Investor Relations (IR) bzw. Fixed ­Income IR ­sowohl beim Börsengang als auch in der Zeit danach eine wichtige Rolle bei der Erschließung und fortlaufenden Nutzung der Vorteile des Kapitalmarkt­zugangs spielt.

Zentrale Organisation der Kommunikation bei Aktien und Anleihen

Unabhängig davon, ob der Kapitalmarkt durch Eigen- oder Fremdkapitalinstrumente in Anspruch genommen wird – die eigene Aktie oder Anleihe wird an der Börse zum Produkt, das gepflegt werden muss. So brauchen Unternehmen nach der Emission von Aktien oder Anleihen eine professionelle IR-Funktion und entsprechende Strukturen. Neue Prozesse und angepasste Informations- und Kommunikationskulturen müssen etabliert werden, um die Pflichten des ­Kapitalmarktregelbetriebs zu erfüllen und einen fairen Unternehmenswert bzw. niedrige Kapitalkosten zu erhalten. IR sorgt für eine starke Kapitalmarktpositionierung und den Auf- bzw. Ausbau von Investorenvertrauen. In Bezug auf die Organisation sprechen sich die Unternehmen mehrheitlich für eine ­gemeinsame IR-Abteilung für die Kapitalmarktkommunikation und Infrastrukturen für die Regelberichterstattung für Aktien und Anleihen aus; vor allem, weil sich die Kommunikationswege und -formate für ­Aktien und Anleihen decken, aber auch, um die Konsistenz in der Kommunikation – One Voice Policy – mit ­allen Investoren besser gewährleisten zu können.

„One Voice, one Story“ zählt

Eine überzeugende und attraktive Equity- bzw. Bond Story ist ein entscheidender ­Faktor für die erfolgreiche Finanzierung und Platzierung von Aktien oder Anleihen am Kapitalmarkt. Während die Equity- und die Bond Story zwar ein „Storytelling“ – one Voice, one Story – über das Unternehmen beinhalten, unterscheiden sie sich jedoch in den Kommunikationsschwerpunkten. Für Aktieninvestoren sind es verstärkt Themen wie Wachstum, Wertsteigerung und Ausschüttung. Fremdkapitalinvestoren legen Wert auf Themen wie Stabilität, Verschuldungsgrad, Liquidität und Cashflow.

Börsennotiz hilft bei Fremdkapitalfinanzierung

Mit der Notiz von Aktien am organisierten Kapitalmarkt unterliegt das Unternehmen zusätzlichen Informations- und Trans­pa­renzpflichten. Dabei kann die bestehende Börsennotierung für die zusätzliche Platzierung einer Anleihe hilfreich sein und die Fremdkapitalemission wesentlich erleich­tern. Den größten Vorteil sehen die IR-­Officer darin, dass für die Anleiheemission auf die bereits bestehende Organisation und Infrastruktur hinsichtlich der Kapitalmarktkommunikation zurückgegriffen werden kann. Weitere Vorteile sind das erhöhte ­Vertrauen in das Unternehmen durch ein hohes Maß an Transparenz und Publika­tionspflichten sowie Erfahrungen in der Kapitalaufnahme und in der Regelkommunikation am organisierten Kapitalmarkt.

Wenn sich Unternehmen nicht für eine verstärkte Finanzierung über Anleihen entscheiden, liegt das laut der IR-Officer daran, dass bereits ausreichende Kapitalreserven, auch durch die Börsennotiz, vorhanden sind und gute Erfahrungen mit Kredit­gebern bestehen.

Anleihefinanzierung mit ­Börsennotiz auf Zeit

Abb. 2: Nutzung von Fremdkapitalinstrumenten

Die Mehrheit der Unternehmen verfügt über einen bunten Mix an Fremdkapitalinstrumenten, um die mittel- und langfristige ­Finanzierung des Unternehmens zu gewährleisten. Für die IR-Officer ist die Anleihe nach dem syndizierten Kredit das derzeit meistgenutzte Fremdkapital­instrument. Noch vergleichsweise wenig werden Green- oder Social Bonds genutzt. Dabei zeigt sich: Je größer das Unternehmen, desto eher werden Anleihen oder Green bzw. Social Bonds eingesetzt. Für noch nicht börsennotierte Unternehmen bieten Mittelstandsanleihen oder Nordic-Bond-Emissionen rechtsformneutral die Strategieoption eines Börsengangs auf Zeit.

Bereits heute ist die Nachhaltigkeitskommunikation ein essenzieller Bestandteil in der IR-Praxis. Das gilt für Emittenten von Aktien wie auch von Anleihen. Mit dem ­European Green Deal der EU-Kommission gewinnt das Thema Nachhaltigkeit an ­Bedeutung und Fokussierung im Konzept Sustainable Finance. Mit der ­Abkehr von kurzfristigen Zielsetzungen hin zu einem langfristigen Denken und der steigenden ­Bedeutung nichtfinanzieller Leistungs­indikatoren steigt zudem der Stellenwert der Nachhaltigkeitskommunikation gegenüber institutionellen Inves­toren: Für die IR-Officer sind bei nicht­finanziellen KPIs „Governance“ und ­„Umwelt“ die Top-­Themen in der Kommunikation mit Eigen- und Fremdkapital­investoren.

Die Kommunikation zu „Sozialem“ reiht sich hinter diesen Themen ein. Von zunehmender Bedeutung sind diese KPIs in Ver­gütungs- sowie internen Kontroll- und Risikomanagementsystemen. Für Eigen­kapitalinvestoren haben bei den finanziellen KPIs der Cashflow, die Dividendenpolitik und der Umsatz das größte Gewicht; für Fremdkapitalinvestoren der Verschuldungs­grad, der Cashflow und die Eigenkapital­quote. Nur diejenigen Unternehmen, die sich hier entsprechend positionieren, ­ernsthaft verpflichten und nachvollziehbar kommunizieren, werden weiter ihre bis­herigen Investoren und neue Inves­torenkreise erreichen, für die ESG-Aspekte im Mittelpunkt stehen.

IR leistet wichtigen Wertbeitrag – auch für den Finanzplatz

Abb. 3: Wichtige KPIs für Eigen- und Fremdkapitalinvestoren

Die aktuelle Studie zeigt, dass die Aktien- oder Anleiheemission am organisierten Kapitalmarkt neben dem breiten Zugang zu einer Vielzahl von Finanzierungsmöglichkeiten zahlreiche weitere Kapitalmarktvorteile ­bietet. Eine aktive IR-Profession und -Funktionen leistet hier einen wichtigen Beitrag zum ­Erhalt der einmal mit dem Marktzugang gewonnenen Vorteile, sorgt für ein ausgewogenes Kosten-Nutzen-Verhältnis und fördert den Wertbeitrag der Börsennotiz.

Autor/Autorin

Dr. Martin Steinbach
Partner, Head of IPO and Listing Services in Deutschland at Ernst & Young (EY) | Website

Dr. Martin Steinbach ist Partner und IPO-Leader bei EY. Er verantwortet seit April 2011 den Bereich IPO und Listing Services in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Christina Ohde

Christina Ohde ist Senior und seit 2014 bei EY für den Bereich IPO und Listing Services tätig. Aufgrund ihres rechtlichen Hintergrunds liegt ihr Schwerpunkt in der Beratung rund um das Thema Kapitalmarktrecht und Investor Relations.