85 % aller Wertpapierurkunden bei der OeKB CSD sind bereits als Digital Global Certificates verbrieft. Diese digitale Transformation am österreichischen Kapitalmarkt verläuft mit hohem Tempo – weil die OeKB CSD schon frühzeitig in den Digitalisierungsprozess eingestiegen ist, wie Peter Felsinger und Georg Zinner im Interview betonen.
GoingPublic: Herr Felsinger, Herr Zinner – welche Aufgaben genau erfüllt die OeKB CSD und worin besteht der Mehrwert für den Markt?
Felsinger: Als Central Securities Depository erfüllt die OeKB CSD eine zentrale Rolle im österreichischen Kapitalmarkt. Eine CSD übernimmt die Wertpapiere der kapitalaufnehmenden Emittenten zur Verwahrung und Verwaltung für die Investoren. Dabei sind unsere direkten Kunden österreichische und internationale Kreditinstitute, die wiederum für die Investoren die Wertpapiere bei uns halten. Unser Verwahrvolumen beläuft sich bereits auf mehr als 900 Mrd. EUR.
Zinner: Wir führen daher auch die Buchungsaufträge zur Abwicklung der Wertpapiergeschäfte zwischen unseren Kunden durch, die diese an der Börse und außerbörslich abgeschlossen haben. Als CSD steuern wir zudem Zahlungen der Emittenten, z.B. Zinszahlungen und Dividenden, an die Investoren zur Erfüllung der in den Wertpapieren verbrieften Ansprüche der Investoren gegenüber den Emittenten. Wir sind somit neben der Börse und der Zentralen Gegenpartei (CCP) Teil der Kapitalmarktinfrastruktur. Ein stabiler, sicherer und moderner Kapitalmarkt ist für uns alle wichtig. Diesen gestalten wir wesentlich mit. Europäische Infrastruktur für den österreichischen Kapitalmarkt – wir machen es möglich.
Wie sieht der Mitbewerb aus und warum ist die nationale Lösung so wertvoll?
Zinner: In Europa verfügt fast jedes Land über eine CSD. In den vergangenen Jahren ist auch ein verstärkter Wettbewerb, insbesondere um die Emittenten, zu erkennen. So muss ein deutscher Emittent seine Anleihe nicht bei der deutschen CSD verwahren lassen – er könnte diese auch bei uns hinterlegen. Nationale CSDs kennen die Rahmenbedingungen und Gegebenheiten des lokalen Markts jedoch am besten, denn der europäische Kapitalmarkt ist weit von einer vollständigen Harmonisierung entfernt. Hier liegt auch unsere Stärke. Unsere Kunden, Emittenten und Kreditinstitute, schätzen unser Know-how wie auch unsere Prozesse und Systeme, die auf europäischen Standards basieren. So können wir österreichische Emittenten bestmöglich betreuen und ermöglichen nationalen wie auch internationalen Kreditinstituten und Investoren einen optimalen Zugang zum österreichischen Kapitalmarkt. Daher rührt auch unser Claim: europäische Infrastruktur für den österreichischen Kapitalmarkt.
Welche Chancen sehen Sie durch KI, Blockchain bzw. Distributed-Ledger-Technologie (DLT) und weitere Digitalisierungstrends für das CSD-Geschäft?
Felsinger: Wir haben große Meilensteine im Bereich der Digitalisierung erreicht. Ein wesentlicher Schritt war die Inbetriebnahme der Issuer Platform. Bereits mehr als 85 % all unserer Wertpapierurkunden sind als Digital Global Certificates (DGCs) verbrieft. Das ist nur einer der vielen Meilensteine, die wir in den vergangenen zehn Jahren erreicht haben. Der Einsatz von KI, DLT und anderen Technologien wird von uns kontinuierlich evaluiert. Im Bereich der digitalen Assets bzw. „tokenisierten Wertpapiere“ haben wir mit anderen Marktteilnehmern den Aufbau einer DLT-basierten Kapitalmarktinfrastruktur analysiert, sowohl rechtlich, technisch als auch hinsichtlich des Business Case. Obwohl Blockchain bzw. DLT bereits zehn 10 Jahren für den Kapitalmarkt als „Gamechanger“ angesehen wurden, materialisieren sich erst jetzt einzelne konkrete Lösungen und Plattformen im Wertpapierbereich. Die verbesserte Regulatorik für die Emission von Digital Assets, Initiativen zur Optimierung der europäischen Kapitalmarktinfrastruktur und die in Aussicht gestellte Einführung des digitalen Euro werden die Entwicklungsdynamik erhöhen. Dies bedeutet für uns neue Chancen und neue Mitbewerber.
Die CSD feierte unlängst ihr zehnjähriges Jubiläum. Was waren Ihre Highlights in dieser Zeit?

Felsinger: Die Funktion der OeKB CSD entstand bereits 1965, damals Wertpapiersammelbank genannt, also vor 60 Jahren und war in der OeKB AG angesiedelt. Diese wurde 2015 wegen der CSD-Regulation in die OeKB CSD GmbH abgespalten. Diese EU-Regulierung verlangte von uns auch, dass wir eine entsprechende Lizenz beantragen. Deren Erhalt im Jahr 2018 war sicherlich ein Highlight für uns.
Zinner: Ein weiterer großer Schritt war die Einführung von T2S, der vom Eurosystem entwickelten Depotführungs- und Abwicklungsplattform für CSDs und Zentralbanken. Die OeKB CSD migrierte erfolgreich im Jahr 2017. Das bestehende Ziel, unseren Kunden europäische Services auf Basis internationaler Standards zur Verfügung zu stellen, wurde dadurch weiter vorangetrieben. So konnten wir den europäischen Kapitalmarkt aktiv mitgestalten und die nationalen Interessen dort vertreten. 2021 erfolgt eine kleine, aber für uns sehr wesentliche Novelle des Depotgesetzes. Diese ermöglichte uns die digitalen Sammelurkunden, also die Dematerialisierung von Wertpapieren und die Einführung der Issuer Platform.
Welche Erwartungen haben Sie an die Spar- und Investitionsunion (SIU) als Initiative der EU?
Felsinger: Wir sehen den größten Hebel für eine positive Wirkung der SIU in einer Attraktivierung des europäischen Kapitalmarkts, damit die Ersparnisse nicht weiter am Sparbuch bleiben, sondern direkt der Wirtschaft zur Verfügung gestellt werden. Die innerhalb der SIU angestrebte Konsolidierung von Handels- und Nachhandelsinfrastrukturen, somit auch CSDs, sehen wir noch nicht, da für eine privatwirtschaftlich getragene EU-weite Issuer CSD eine große Zahl rechtlicher und regulatorischer Voraussetzungen fehlt und viele Barrieren weiterhin bestehen.
Welche regulatorischen Anforderungen haben derzeit die größten Auswirkungen auf Ihr Umfeld?
Zinner: Herausfordernd waren die Implementierung der Anforderungen des Digital Operational Resilience Act (DORA) und die Integration in unser tägliches Handeln. In unserem Umfeld ist natürlich auch der Wechsel auf T+1, also die Anforderung, dass jede handelsbezogene Abwicklung innerhalb eines Tages ab dem Tag der Transaktion abgeschlossen sein muss, ein wesentliches Thema.
Wo sehen Sie die CSD in den kommenden zehn Jahren?
Felsinger und Zinner: In den nächsten zehn Jahren wird sich das Umfeld stark verändern. Herausforderungen sehen wir im Bereich der operationalen Resilienz und den steigenden Bedrohungsszenarien unter anderem wegen des verstärkten Einsatzes von AI und Quantencomputing. Die technologischen Entwicklungen im Bereich DLT und AI könnten die Rollen im Kapitalmarktökosystem verändern. Durch die SIU und weitere Harmonisierung der EU-Regulative wird es zu einem verstärkten Wettbewerb zwischen den CSDs sowie neuen technologiegetriebenen Playern am Markt kommen. In zehn Jahren werden wir aber weiterhin die zentrale Infrastruktur für den österreichischen Kapitalmarkt sein, mit neuen und noch resilienteren Services und Funktionen.
Sehr geehrter Herr Felsinger, sehr geehrter Herr Zinner, vielen Dank für diese interessanten Einblicke.
Das Interview führte Stefan Preuß.
Zu den Interviewpartnern

Peter Felsinger studierte Wirtschaftsinformatik in Wien. Ab 2002 leitete er das Referaft Wertpapier Sammelbank in der OeKB AG. Nach Gründung der OeKB CSD wurde er als Geschäftsführung nominiert.

Georg Zinner absolvierte das Doktoratsstudium der Rechtswissenschaften in Wien. Bereits ab 2000 leitete er den Bereich Wertpapierservice bzw. Kapitalmarktservice in der OeKB. Mit Gründung der OeKB CSD wurde er in die Geschäftsführung berufen.

Autor/Autorin

Stefan Preuß
Stefan Preuß arbeitet seit mehr als 25 Jahren als Redakteur im Kapitalmarktumfeld. Der gelernte Tageszeitungsredakteur sammelte zudem Erfahrung als Investor Relations Manager. Der Redaktion der GoingPublic Media AG gehört er als ständiger Mitarbeiter mit den Schwerpunktthemen IPOs, Vermögensanlage und Nachfolgelösungen an. Er betreut als Redaktionsleiter die jährlichen Spezialausgaben "Mitarbeiterbeteiligung" sowie "M&A Insurance".





