Nicht nur die Nutzer derivativer Finanzinstrumente wissen um den entscheidenden Einfluß des Faktors Zeit auf den Börsenerfolg, auch der ursprünglich zynisch gemeinte Ausspruch von Lord Keynes: „Langfristig sind wir alle tot“ läßt sich tatsächlich kaum ernsthaft bestreiten. Letztlich dürfte der Sinn – nicht nur unseres Börsendaseins – wohl darin bestehen, die Zeit bis zum Unausweichlichen einigermaßen sinnvoll zu nutzen.
„Mittelmäßige Geister verurteilen gewöhnlich alles, was über ihren Horizont geht.“
François VI. Duc de La Rochefoucauld (1613-1680), Schriftsteller
La Rochefoucaulds Warnung ist mehr als berechtigt. Nur weil wir unfähig sind, etwas wahrzunehmen, bedeutet das nicht, daß es nicht existiert. Das Tückische in diesem Zusammenhang ist, daß langfristige Bewegungen kurzfristig entweder als Stillstand erscheinen, oder von heftigen Schwankungen überlagert werden.
„Das Komische ist der Übergang aus momentaner Angst in kurzdauernden Übermut.“
Friedrich Nietzsche (1844-1900), Philosoph
Gerade diese kurzfristigen, und teils extremen Stimmungsschwankungen sind allerdings keineswegs ein Privileg der Institution Börse. Bereits Nietzsche beobachtete dieses wohl allgemein menschliche Phänomen, das sich an der Börse lediglich besonders augenfällig manifestiert.
„Alles, was gegen die Natur ist, hat auf Dauer keinen Bestand.“
Charles Darwin (1809-1882), Begründer der Evolutionstheorie
All jenen, die glauben, durch kurzfristige Marktinterventionen unerwünschte Trends brechen zu können, sei die Erkenntnis von Charles Darwin ins Stammbuch geschrieben – langfristig werden sich die natürlichen Entwicklungen durchsetzen, oder wie ein ehemaliger deutscher Staatsratsvorsitzender formuliert haben könnte: Den Trend in seinem Lauf halten weder Ochs noch Esel auf. Wo wir schon bei Stammbüchern und Politikern sind, es wäre schön, wenn einige der heute Handelnden, die Worte des ehemaligen US-Präsidenten Abraham Lincoln hin und wieder beherzigen würden.
„Man kann einige Menschen die ganze Zeit und alle Menschen eine Zeitlang zum Narren halten; aber man kann nicht alle Menschen allezeit zum Narren halten.“
Abraham Lincoln (1089-1865), US-Präsident
„Nichts auf der Welt kann Ausdauer ersetzen. Talent jedenfalls nicht – nichts ist so häufig wie erfolglose Leute mit Talent. Auch Genialität nicht – verkannte Genies sind sprichwörtlich.“
Calvin Coolidge (1872-1933), US-Präsident während der „Roaring twenties“
Von ganz besonderer Bedeutung ist allerdings – und damit kehren wir zur Börse zurück – die Zeit, die man bereit ist, einer Sache zu widmen. Ein weiterer US-Präsident, Calvin Coolidge wies darauf hin, daß selbst beste Voraussetzungen nicht zum Erfolg führen, wenn es an der nötigen Ausdauer fehlt.
„Wenn ich schon an Silvester nach Berlin fahre, dann dehne ich das doch ein bißchen aus.“
Ernst Welteke (*1942), Hotelgast und Präsident a.D. der Deutschen Bundesbank
Nach so viel historischer Prominenz noch eine abschließende Warnung des frischgebackenen Ruheständlers Ernst Welteke: Er demonstrierte, daß eine blinde Anwendung des Prinzips „Ausdauer“ mitunter auch nur zu einem unnötig langen Verweilen in Hotelsuiten oder auf Präsidentensesseln führen kann.
Dieser Beitrag ist auch im aktuellen Smart Investor Magazin 5/2004 erschienen. Die Smart Investor Media GmbH ist eine Tochtergesellschaft der GoingPublic Media AG.
Die GoingPublic Kolumne erscheint wöchentlich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.