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Know your Shareholders – ein gleichermaßen bekannter wie berechtigter Wunsch von Emittenten und Dienstleistern. Nicht nur bei Namensaktien ist das mit der SRD II jetzt möglich – allerdings gibt es doch noch einige Baustellen. Und zusätzliche Wünsche.

GoingPublic: Herr Dickert, Herr Hecht, was ist denn die Aktionärsidentifikation SRD II – und welches sind die Unterschiede zur bekannten Share-ID?

Dickert: Die SRD II ist seit Herbst 2020 in Kraft – übrigens in ganz Europa. Die verschiedenen Länder sind unterschiedlich weit. In Deutschland funktioniert die Umsetzung schon recht gut. Wir verzeichnen aktuell rund 85% bis 99% Offenlegung, was die Aktionärsstruktur eines Emittenten angeht. Neu ist, dass alle Unternehmen, die an einer regulierten Börse notiert sind, die Berechtigung haben, eine Aktionärsidentifikation durchzuführen. Bisher durften das nur Firmen mit Namensaktien. Wir senden die Anfrage an den Zentralverwahrer, also Clearstream. Von dort wird die Anfrage in der Verwahrkette von Bank zu Bank weitergeleitet, bis zu den Banken der Endkunden. Diese senden dann die Daten der Investoren direkt an uns als Dienstleister.
Hecht: Und neue technologische Möglichkeiten in der Infrastruktur bringen einen Fortschritt in puncto Qualität und Reichweite. Diese Identifikationsmöglichkeit erleichtert ganz erheblich die Zuordnung von Investoren. Früher lief das über E-Mails und gedruckte Listen.

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Technisch klingt das nicht sonderlich anspruchsvoll. Wäre das nicht vor Jahren schon möglich gewesen?

Dickert: Das ist richtig – technisch wäre das auch vor zwei, drei oder mehr Jahren alles gut möglich gewesen, heute natürlich umso mehr. Entsprechende Forderungen innerhalb der EU gibt es seit gut zehn Jahren. Es war sicherlich weniger die technologische Verfügbarkeit, die hierbei gebremst hat.

Sind auch die regulatorischen Herausforderungen zu bewältigen? Welche ist noch die größte?

Dickert: Zunächst einmal möchte ich eine Lanze brechen für die Infrastruktur, die jetzt von Banken geschaffen wurde, um diese Möglichkeiten zu eröffnen. Banken, die ein Geschäft in Europa betreiben, sind verpflichtet, auf entsprechende Anfragen zu antworten. Das ist sicherlich das A und O. Das heißt, keine amerikanische oder japanische Bank kann sich der Aktionärsidentifikation im EU-Raum weiterhin entziehen.
Hecht: Natürlich gibt es noch die üblichen Ausnahmen – nicht jedes Institut ist bereits vollständig angebunden. Aber das ändert sich aktuell schnell. Etwa 10% bis 15% fehlen noch.

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Ich erinnere mich aus eigener Praxis an einige ‚Spartenbanken‘, die partout auch bei Namensaktien nur Sammelmeldungen herausrückten. Ist so eine Verschwiegenheitsdefensive künftig überhaupt noch möglich?

Dickert: Zumindest würde sie sanktioniert werden. Aber auch das interne Schwert der Banken ist schärfer geworden: die Revision im eigenen Hause. Zuerst kommt der interne Druck und dann möglicherweise noch der externe. Also nein: Eine derartige Verweigerungshaltung dürfte künftig nicht mehr möglich sein.

Wie wichtig ist für eine IR-Agentur prinzipiell die Aktionärsidentifikation – ein Muss oder nur eine Art Nice-to-have?

Hecht: Die Vorteile in der direkten Ansprachemöglichkeit liegen auf der Hand und taten das schon immer. Am meisten profitieren fortan meiner Ansicht nach kleinere Emittenten. Zahlreiche Aktionäre wurden Micro- und Small Caps nie direkt bekannt. Wenn jetzt 90+% der Aktionäre identifiziert werden können, macht das einen gewaltigen Unterschied. Wenn ich weiß, wer meine Aktionäre sind, dann weiß ich auch, wen ich ansprechen muss und wie. So ist es für die IR-Strategie ein Unterschied, ob ich 90% Privatanleger in einem Titel habe oder überwiegend Fonds; ferner, ob im In- oder im Ausland. Was wir nunmehr schwarz auf weiß sehen: Small- und Micro Caps scheinen zu einem ganz überwiegenden Teil in heimischer Hand, während es bei den Large Caps, speziell im DAX, bekanntermaßen genau umgekehrt ist. Das hat selbstverständlich zusätzlich Einfluss auf die IR-Aktivitäten eines Emittenten. Und: Die Kosten der Aktionärsidentifikation sind relativ gering.