Strategische Kernfragen, die im Vordergrund stehen und Antworten erfordern, sind insbesondere:

  • Was sind Zielmärkte der fusionierten Organisation? Wie positioniert sich die fusionierte Einheit im Markt?
  • Welche Kundensegmente werden bedient und wer bedient sie? Mit welcher Value Proposition werden Sie bedient?
  • Über welche Kanäle werden verschiedene Zielsegmente angegangen?
  • Wer sind die zentralen Wettbewerber und wie reagieren sie auf den Merger? Welche Abwehrstrategien können formuliert werden?

Sind die grundlegenden strategischen Fragen geklärt, steht mit der Anpassung der Vertriebsprozesse und Strukturen die konkrete Integration im Fokus.

Die Liste relevanter Fragestellungen ist lang und umfasst den Review der Vertriebsprozesse und -strukturen. Dazu gehören u.a. folgende:

  • In welchen Bereichen können relevante Synergiepotenziale realistischerweise erschlossen werden?
  • Wie ist die zukünftige, fusionierte Vertriebsorganisation ausgestaltet?
  • Welche Mitarbeiter sind am besten geeignet, die Strategien und Maßnahmen umzusetzen?
  • Zu welchen Konditionen können und wollen wir die Produkte unseren Kunden anbieten?

Auf Seiten der Vertriebsorganisation müssen aufbau­organisatorische Synergien, die Überarbeitung der Gebiets- und Niederlassungsstruktur und die regionale Struktur samt Auslandsniederlassungen und Vertreter­netzwerk überarbeitet werden. Gerade bei redundanten Strukturen muss die Anzahl der Vertriebsmitarbeiter hinterfragt werden. Eine Bewertung sollte sowohl nach individueller Performance als auch nach Wichtigkeit (z.B. Netzwerk) erfolgen.

Zentraler Themenbereich mit prozessualer sowie struktureller Bedeutung ist die Prüfung der Integration des Vertriebsinnendienstes. Erfahrungsgemäß ergeben sich hier regelmäßig Einsparpotenziale. Gleichfalls sollten an dieser Stelle bereits die mittel- bis langfristige IT-Lösungen überdacht werden, um die Basis für Ein­sparungen und mehr Schlagkraft im Vertrieb zu legen.

Ebenfalls sei die notwendige Harmonisierung der Preis- und Konditionensysteme genannt. Da Kunden direkt betroffen sind, wird spätestens hier klar, wie sensibel das Thema Post Merger Integration im Vertrieb ist.

Anschließend steht die Umsetzung im Fokus, die letztlich den Erfolg des Projekts determiniert. Dabei geht es nicht nur um die Umsetzung der angesprochenen strukturellen und prozessualen Anpassungen, sondern um Aktivitäten entlang folgender Fragen:

  • Wie können die wichtigsten Stakeholder mit ins Boot geholt werden?
  • Wie kann gezielte Incentivierung den Wandel fördern?
  • Wie kann das bei Unternehmenszusammenschlüssen entstehende Momentum aufrechterhalten werden?

Notwendig sind weiterhin Schulungen der Mitarbeiter auf allen Leveln sowie ggf. auf Kundenseite, wenn sich Schnittstellen und Prozesse zum Kunden hin ändern. Nur die frühzeitige Einbeziehung von Mitarbeitern und Kunden in den Prozess sichert das Gelingen der Integration ab.

Neben den notwendigen Schulungsmaßnahmen sollte zudem die Vertriebsincentivierung geprüft und gege-benenfalls überarbeitet werden. Die Notwendigkeit wird durch das nachfolgende Projektbeispiel, ein Zukauf zur Erweiterung des Produktangebotes, untermauert. Nach Bereinigung des Portfolios wurden gezielt Anreize zum Cross-Selling in die Vergütung integriert. Ziel war es, das erweiterte Portfolio frühzeitig im Vertrieb zu verankern, was über die Incentivierung ergänzend zur Schulung erreicht werden konnte. Gleichermaßen wurden auf diese Weise frühzeitig gemeinsame Erfolgserlebnisse im Vertrieb geschaffen („Quick-wins“).

Fallstudie: Buy & Build erfolgreich umgesetzt
Die nachfolgende Fallstudie verdeutlicht das Management eines erfolgreichen Post Merger Sales Integration anhand eines konkreten Projekts.

Ein Marktführer im Technologieumfeld hatte zwei seiner größten Mitbewerber aufgekauft, da dies im gesättigten Markt die einzige Wachstumsmöglichkeit darstellte. Eine tiefgreifende Integration wurde aber erst beschlossen, als das Unternehmen in die roten Zahlen rutschte und die Synergiepotenziale der Unternehmenskäufe realisieren musste. Aufgrund mangelnder Integrationserfahrung sowie unzureichender Ressourcen für ein ganzheitliches Integrationsmanagement wurde nach der Strategiefestlegung eng mit externer Unter­stützung zusammengearbeitet.

In gemischten Teams, bestehend aus Vertrieb, Controlling, Personalwesen und der Geschäftsführung wurden die Strategien verfeinert und Maßnahmen beschlossen. Einem präzisen Projektplan folgend, wurden die einzelnen Arbeitspakete Schritt für Schritt abgearbeitet. Aufgrund der knapp bemessenen Zeit und die Voraussetzung einzelner Schritte für andere Arbeitspakete waren die Einhaltung der Zeitpläne und die reibungslose Koordination absolut zentral.

Nach 100 Tagen waren die Weichen in allen zentralen Fragestellungen gestellt, die Maßnahmen intern und extern kommuniziert sowie deren Umsetzung angestoßen. Die betroffenen Mitarbeiter waren genau über die strategischen Gründe, den Zeitplan und die geplanten Umsetzungsmaßnahmen informiert. Erste Abwerbeversuche von Vertriebsmitarbeitern durch Wettbewerber konnten verhindert und ein klares Signal gesetzt werden, dass die Integration in geregelten Bahnen verläuft. Neun Monate nach Projektende schrieb das Unternehmen wieder schwarze Zahlen.

Wie in vielen anderen Projekten bereits angetroffen, bestand auch bei diesem Unternehmen die Gefahr, dass aufgrund einer zögerlichen Herangehensweise die Integration verschleppt wird, das Momentum verloren geht und die Integration letztlich scheitert. Im vorliegenden Fall konnte der Integrationsprozess durch konsequentes Projektmanagement wieder Fahrt aufnehmen. Aufgrund dessen neutraler Haltung gegenüber den Vertretern des Käufers und der aufgekauften Unternehmen konnten zudem viele (Interessens-) Konflikte frühzeitig gelöst werden

Stefan Herr ist Partner/Gesellschafter und Dr. Daniel Bornemann Senior Director bei Simon Kucher & Partners. Am Fachartikel wirkte zudem Benno Schildknecht, Mitglied des Competence Center Technology, mit.

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