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Die Aktienrechtsnovelle 2012 kommt unscheinbar daher, kann aber – erst entdeckt – Karriere als ein wichtiger Meilenstein des deutschen Aktienrechts machen. Foto: Gerd Altmann – Pixelio.de

Einberufung und Durchführung der Hauptversammlung

Redaktionelle Korrekturen

Eine Reihe der einleitend erwähnten Reparaturarbeiten betrifft die Hauptversammlung. Praktisch bedeutsam ist dabei insbesondere die Klärung, dass sich bei der Berechnung der Einladungsfrist die Einberufungsfrist jeweils um die gesellschaftsindividuelle, konkrete Anmeldefrist verlängert und nicht stets um die gesetzliche Maximalfrist von sechs Tagen (§ 123 Abs. 2 Satz 5 AktG-E). Besonders hilfreich ist die Klarstellung, dass bei der für die Beschlussfeststellung erforderlichen Angabe des Anteils des durch die gültigen Stimmen vertretenen Grundkapitals das gesamte Grundkapital (und nicht etwa nur das erschienene Kapital) der Nenner ist (§ 130 Abs. 2 Nr. 2 AktG-E).

Vorbesitzzeit und Haltefrist bei Minderheitsverlangen

Die Ausübung der Minderheitsrechte nach § 122 AktG (Verlangen der Einberufung einer Hauptversammlung, Verlangen der Ergänzung der Tagesordnung) ist u.a. an eine Vorbesitzzeit und Haltefrist geknüpft. Dabei ist die Regelung des § 142 Abs. 2 Satz 2 AktG über die gerichtliche Beantragung der Bestellung eines Sonderprüfers entsprechend anzuwenden, wonach die Antragsteller nachzuweisen haben, dass sie seit mindestens drei Monaten vor dem Tag der Hauptversammlung Inhaber der Aktien sind und dass sie die Aktien bis zur Entscheidung über den Antrag halten. Diese Regelung, die zur Anwendung kommt, wenn die Hauptversammlung bereits stattgefunden hat, passt für die Minderheitsverlangen im Vorfeld einer HV nicht unmittelbar. Daher waren die Berechnung der Vorbesitzzeit und das Erfordernis einer Haltefrist umstritten. Durch die Neufassung wird nun auf den Zeitpunkt des Zugangs des Einberufungsverlangens bei der Gesellschaft abgestellt und die Haltefrist bis zu einer Entscheidung durch den Vorstand und im Fall eines Gerichtsverfahrens bis zur Entscheidung des Gerichts (einschließlich eines etwaigen Beschwerdeverfahrens) festgelegt. Weiter wird nun für die Fristberechnung auf das seit dem Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie vom 30. Juli 2009 (ARUG. BGBl. I S. 2.479) einheitlich geltende Fristenregime des § 121 Abs. 7 AktG verwiesen.

Angaben in der Einladung bei anstehenden Aufsichtsratswahlen

Derzeit ist bei Hauptversammlungseinladungen mit dem Tagesordnungspunkt „Aufsichtsratswahlen“ stets anzugeben, ob die Hauptversammlung an Wahlvorschläge gebunden ist (§ 124 Abs. 2 Satz 1 AktG). Künftig ist eine Angabe nur noch erforderlich, wenn die Hauptversammlung ausnahmsweise tatsächlich an Wahlvorschläge gebunden ist, nämlich im Bereich der Montanmitbestimmung und ggf. bei der Europäischen Gesellschaft (SE).

(Missbräuchliche) Aktionärsklagen

Nachdem ein Schwerpunkt des ARUG die Bekämpfung missbräuchlicher Aktionärsklagen war (insbesondere durch eine Erleichterung des Freigabeverfahrens gem. § 246a AktG zugunsten der Unternehmen), wird nun durch die relative Befristung bestimmter Nichtigkeitsklagen die Bekämpfung von Missbräuchen um einen weiteren Baustein ergänzt: § 249 Abs. 3 AktG-E sieht vor, dass Nichtigkeitsklagen gegen angefochtene Beschlüsse nur noch innerhalb eines Monats nach ordnungsgemäßer Bekanntmachung der Anfechtungsklage im Bundesanzeiger erhoben werden können. § 246 Abs. 4 Satz 1 AktG verpflichtet den Vorstand, die Erhebung einer Anfechtungsklage unverzüglich in den Gesellschaftsblättern bekannt zu machen. Schon bisher knüpft an diese Bekanntmachung eine Monatsfrist für andere Aktionäre, sich als Nebenintervenienten an der Anfechtungsklage zu beteiligen, an. Eine Nichtigkeitsklage ist grundsätzlich nicht an bestimmte Klagefristen gebunden und konnte daher von Aktionären bisher auch nach Ablauf der Anfechtungsfrist und der Nebeninterventionsfrist „nachgeschoben“ werden. Durch die Neuregelung wird dies verhindert, wenn und soweit die Anfechtungsklage ordnungsgemäß bekannt gemacht worden ist. Die Erfüllung der Bekanntmachungspflicht gewinnt daher zusätzliches Gewicht.

In den Stellungnahmen zum Referentenentwurf war von verschiedener Seite gefordert worden, statt der relativen Befristung dem Vorbild des § 4 Abs. 1 UmwG folgend generell oder jedenfalls für Strukturmaßnahmen eine allgemeine Befristung für Klagen vorzusehen. Dem ist der Gesetzgeber nicht gefolgt. Zu beachten ist weiterhin, dass die Nichtigkeit im Rahmen der relativen Befristung zwar durch Aktionäre nicht mehr mit einer Feststellungsklage geltend gemacht werden kann, keineswegs aber eine Heilung des nichtigen Beschlusses eintritt. Soweit die Wirksamkeit des Beschlusses nur implizit von Bedeutung ist, können sich hierauf also auch Aktionäre trotz Fristablauf berufen. Im Übrigen gilt die relative Befristung der Nichtigkeitsklage auch nach ordnungsgemäßer Bekanntgabe nur im Verhältnis zu Aktionären. Die Regelung beugt einer möglichen Verzögerungstaktik klagender Minderheitsaktionäre im Freigabeverfahren wirksam vor. Sie wirft die Gestaltungsfrage auf, ob gegebenenfalls zur Auslösung der Monatsfrist die frühzeitige Erhebung einer Anfechtungsklage durch den Vorstand in Betracht zu ziehen ist.

Aschenputtelqualität?

Die Systemänderung der Verbriefungsformen und die Ausweitung des bedingten Kapitals können unkalkulierbare Langzeitwirkungen haben, und auch die relative Befristung der Nichtigkeitsklage kann u.U. als eine Art Einstiegsdroge wirken. Die Aktienrechtsnovelle 2012 hat damit „Aschenputtelqualität“. Sie kommt unscheinbar daher, kann aber – erst entdeckt – Karriere als ein wichtiger Meilenstein des deutschen Aktienrechts machen. Jedenfalls bringt sie eine Vielzahl praktisch bedeutsamer Detailänderungen. Das federführende Justizministerium rechnet mit einem Inkrafttreten der Reform in der zweiten Jahreshälfte. Durch Übergangsvorschriften ist jedoch sichergestellt, dass für die Hauptversammlungssaison 2012 die Gesetzesänderungen nur insoweit von Bedeutung sind, als künftig zu erwartende, neue Satzungsspielräume bereits frühestmöglich genutzt und Satzungsänderungen daher „auf Vorrat“ beschlossen werden sollen.

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