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Dr. Matthias Schüppen und Dr. Alexandra Tretter

 

Von Dr. Matthias Schüppen, Partner, und Dr. Alexandra Tretter, Partner, Graf Kanitz, Schüppen & Partner

Aktienrechtsnovelle 2012, schon wieder eine neue Reform nach der Novelle 2011? Hat sich das Aktienrecht nun den im Steuerrecht längst gewohnten Jahresrhythmus zu Eigen gemacht? Dieser bei flüchtigem Durchblättern der Fachpresse naheliegende Eindruck täuscht, denn das aktuelle Gesetzgebungsvorhaben ist nichts anderes als der am 20. Dezember 2011 vom Bundeskabinett verabschiedete Regierungsentwurf des im vergangenen Jahr noch unter anderer Jahreszahl firmierenden Referentenentwurfs. Das Reformvorhaben hat dabei durchaus erhebliche Überarbeitungen erfahren, ohne aber seinen Charakter grundsätzlich zu ändern. Ganz „vom Tisch“ ist lediglich die ursprünglich geplante Ausweitung der Durchbrechung der Verschwiegenheitspflicht von auf Veranlassung einer Gebietskörperschaft gewählten oder entsandten Aufsichtsratsmitgliedern. § 394 Satz 3 AktG-E (Fassung des Aktiengesetzes durch den Gesetzentwurf der Bundesregierung) sieht nun eine ebenso überflüssige wie unschädliche Klarstellung vor. Es bleibt insgesamt eine „kleine“, punktuelle und ungeliebte Reform.

Aktie und Finanzverfassung

Verbriefungsformen

Die Aktienrechtsnovelle 2012 stellt die bisherigen Verhältnisse im Blick auf die verfügbaren Möglichkeiten der Verbriefung der Mitgliedschaft auf den Kopf: Während im bisherigen Recht Inhaberaktien und Namensaktien gleichberechtigt nebeneinander stehen und in der Praxis die Inhaberaktie als die einfacher zu handhabende Verbriefungsform dominiert, wird nun die Namensaktie zum Regelfall, die Inhaberaktie als Ausnahme normiert (§ 10 Abs. 1 AktG-E). Anders als im Referentenentwurf vorgesehen bleibt allerdings die Inhaberaktie nicht nur für börsennotierte Gesellschaften, sondern auch für nicht börsennotierte Gesellschaften eine Option. Dies gilt allerdings im letzteren Fall nur dann, wenn der Anspruch auf Einzelverbriefung ausgeschlossen ist und die Sammelurkunde bei einer Wertpapiersammelbank hinterlegt wird. Solange die Aktien nicht verbrieft sind, sind bei Inhaberaktien die Vorschriften über das Aktienregister entsprechend anzuwenden (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 AktG-E). Bei Namensaktien sind die Vorschriften über das Aktienregister künftig anzuwenden (§ 67 Abs. 1 AktG-E).

Zwar erhält die Gesellschaft selbst durch die Hinterlegung der Sammelurkunde keine Kenntnis über ihren Aktionärskreis. Es liegen dann aber bei der Wertpapiersammelbank die Daten der Inhaber der Wertpapierdepots vor, auf die der Aktienbestand der Gesellschaft verteilt ist. Der mögliche Zugriff von Strafverfolgungsbehörden und Geheimdiensten auf diesen Datenbestand (und im Fall der Namensaktien auf die Aktienregister) ist der unter der Überschrift „Transparenz“ verbrämte eigentliche Zweck der Neuregelung. Denn diese trägt dem Wunsch der Financial Action Task Force (FATF), einer zwischenstaatlichen Organisation, deren Mitglied die Bundesrepublik Deutschland ist, Rechnung, wirksamere Bekämpfung von Geldwäsche und von Terrorismusfinanzierung sicher zu stellen. Die unmittelbare praktische Bedeutung der Neuregelung wird zudem durch die Übergangsvorschrift des § 26f AktG-E stark reduziert. Die Neufassung ist nämlich nicht auf Gesellschaften anzuwenden, deren Satzung vor dem 23. Dezember 2011 notariell beurkundet wurde. Erst im Laufe der Jahre wird sich allmählich eine zunehmende Relevanz des neuen Rechts ergeben, das Verbriefungsrecht noch für Jahrzehnte zweigleisig sein (wenn es bei der Fassung des Regierungsentwurfs bleibt).

Vorzugsaktie

Stimmrechtslose Vorzugsaktien erfordern bisher die Nachzahlung der nicht oder nicht vollständig gezahlten Vorzugsbeträge (§ 139 Abs. 1 AktG). Dies führt dazu, dass diese Aktien für Kreditinstitute die regulatorischen Eigenkapitalanforderungen nicht erfüllen (§ 10 Abs. 2a Satz 1 Nr. 2 KWG). Der Gesetzgeber hat sich deshalb nunmehr entschlossen, hinsichtlich des Vorzugs ein Wahlrecht zwischen einem nachzuzahlenden und einem nicht nachzuzahlenden Vorzug vorzusehen (§ 139 Abs. 1 AktG-E). Ist die Nachzahlung des Vorzugs nicht vorgesehen, haben die Vorzugsaktionäre das Stimmrecht, wenn in einem Jahr der Vorzug nicht vollständig gezahlt wurde, nur, bis der Vorzug in einem Jahr vollständig gezahlt ist. Nur wenn die Nachzahlung des Vorzugs (weiterhin) vorgesehen wird, besteht das Stimmrecht weiter, bis sämtliche rückständigen Vorzugsbeträge nachgezahlt sind (§ 140 Abs. 2 AktG-E).

Wandelanleihen und bedingtes Kapital

Wandelanleihen sehen in der Regel ein Wandlungsrecht des Anleihegläubigers vor. Unstreitig kann jedoch schon bisher durch eine entsprechende Gestaltung der Anleihebedingungen auch oder stattdessen ein Wandlungsrecht der Gesellschaft oder eine Zwangswandlung vorgesehen werden. Durch § 192 Abs. 1 AktG-E wird dies nun gesetzlich klar gestellt. Dies mag, auch wenn sich hierdurch die Rechtslage nicht ändert, insoweit psychologische Bedeutung haben, als die ein Wandlungsrecht der Gesellschaft vorsehenden Anleihen nun nicht mehr als ein kautelarjuristisches Produkt minderer Seriosität eingestuft werden können.

Von noch größerer, weil die Rechtslage tatsächlich ändernder Bedeutung ist die Neuregelung in § 192 Abs. 3 Satz 3 u. 4 AktG-E, durch die die Begrenzung des zur Bedienung einer solchen Wandelanleihe zur Verfügung stehenden bedingten Kapitals auf die Hälfte des Grundkapitals zur Zeit der Beschlussfassung aufgehoben wird. Zwar gilt die Beseitigung dieser Höchstgrenze des bedingten Kapitals nun – anders als noch im Referentenentwurf vorgesehen – nicht generell für alle „umgekehrten“ Wandelanleihen. Sie ist vielmehr nur anwendbar auf solche bedingten Kapitalerhöhungen, die zur Bedienung einer Wandelanleihe beschlossen werden, bei der die Gesellschaft zur Ausübung des Wandlungsrechts für den Fall ihrer drohenden Zahlungsunfähigkeit berechtigt ist. Auch dies eröffnet aber zur rein vorsorglichen Krisenprophylaxe interessanten Gestaltungsspielraum, zumal schon hinsichtlich der Frage, wie das Vorliegen der „drohenden Zahlungsunfähigkeit“ festgestellt wird, zahlreiche Gestaltungsoptionen in Erwägung zu ziehen sind.

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