Die Älteren unter den Lesern werden sich noch an einen alten Beatles-Song erinnern können: Taxman. Darin werden Edward Heath und Harold Wilson als gierige Geldeintreiber an den Pranger gestellt. Der Labour- und der Tory-Politiker amtierten zwar nicht als Finanzminister, sondern jeweils als Regierungschef, waren aber Inbegriff eines Feindbildes. So gesehen ist Steinbrück der Taxman reloaded.

In der Sache hat Steinbrück absolut Recht, und auch der Ton ist nicht zu beanstanden. Denn an diplomatischen Anläufen Richtung Schweiz, Luxemburg, Liechtenstein oder Österreich hat es nicht gemangelt. Wäre die Schweizer Regierung eine Fußballmannschaft, jeder einzelne Spieler hätte schon zig Rote Karten wegen Zeitspiels gesehen. Mit den üblichen Floskeln und geduldigem Polit-Bla-Bla ist gegen die dichtgestaffelte Abwehr des Gegners nicht anzukommen. Hier bedarf es schon eines Mittelstürmers mit Durchsetzungsvermögen. Gut, der jüngste Vergleich Steinbrücks, der Zürich, Vaduz und Luxemburg in einem Atemzug mit Ouagadougou genannt hatte, schießt über das Ziel hinaus. Über kurz oder lang wird sich der Finanzminister in Burkina Faso entschuldigen müssen. Aber so etwas kann in der Hitze des Gefechts passieren.

Die Auseinandersetzung ist nebenbei auch ein gutes Beispiel für allgegenwärtige Heuchelei. Der  Schweizer Boulevard war – jedenfalls für eidgenössische Verhältnisse – richtig mutig und titelte mit Steinbrück als „hässlichem Deutschen“. Dabei bellt der nur deutsch und beißt allenfalls im europäischen Kontext, während die USA die UBS und das Bankgeheimnis tatsächlich nach allen Regeln der Kunst auseinander nimmt und Barack Obama aktuell eine Initiative gegen Steuerflüchtlinge gestartet hat. Wenn der „Blick“ sich wirklich was trauen würde gäbe es einen Schmäh-Titel mit einem farbigen Konterfei – wenn, ja wenn.

Auch hierzulande werden auf der nach oben offenen Peinlichkeits-Skala immer neue Höchstwerte erreicht. Südbadische Provinzpolitiker biedern sich im kleinen Grenzverkehr mit vorauseilenden Entschuldigungen an, und auch auf Bundesebene mangelt es nicht an Dolchstößen. Verwunderlich, dass die öffentliche Meinung trotz Zumwinkel und Co. nicht nachhaltiger gekippt ist. Dem Vertrauen in den Standort Deutschland und in die ökonomische Elite würde ein gemeinsames, beherztes Vorgehen gegen die Steueroasen ausgesprochen gut tun. Was, eigentlich, soll man über die Beweggründe der Kritiker vermuten?

Stefan Preuß

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