Die Rheinmetall AG ist in der breiten Öffentlichkeit wohlbekannt. Bei Kleinaktionären ihrer Tochtergesellschaften wie Kiekert oder Rheinmetall Elektronik, der früheren KIH, wirkt die Erwähnung des Namens Rheinmetall eher gesundheitsschädlich. Man bekam die Praktiken der großen Konzernmutter schon des öfteren zu spüren, wenn deren Legionen von Rechtsanwälten die Grenzen der deutschen Wirtschaftsgesetze austesteten. Aktionäre der großen Mutter, allen voran die Familie Röchling, können sich entspannt zurücklehnen, da sie merken, daß ihr Vorstand sehr um deren Vermögensmaximierung bemüht zu sein scheint. Und das so gut, daß vor wenigen Monaten sogar Profi-Investor Guy Wyser-Pratte maßgeblich mit dabei sein wollte – was der Familie Röchling gar nicht gefiel und mit viel Geld abgewendet wurde.

Rheinmetall hält bzw. hielt zum 31.12.2001 über ihre 100 %ige Tochter Rheinmetall Maschinenbau GmbH 67,5 % der Jagenberg-Aktien und 99,1 % der Stimmrechte.

Auch die Deutsche Balaton AG ist keine unbekannte Größe am Markt. Seit dem kometenhaften Auf- und Wiederabstieg von net.IPO ist es um die Heidelberger Beteiligungsgesellschaft ruhig geworden. Doch deren Vorstand Dirk Schellenberger, einst Analyst bei Jens Ehrhardt, ruht keineswegs und tut, was er am liebsten tut: unterbewertete Value-Aktien aufstöbern. Nach und nach landeten daher 36,3 % der Jagenberg-Vorzugsaktien im Balaton-Depot.

Doch zwischen dem 10. und 31. Dezember "verschwanden" aus der Jagenberg-Bilanz gut 106 Mio. Euro Eigenkapital, rund 76 %. Der Jagenberg-Vorstand begründet dies mit diversen Wertberichtigungen, Abschreibungen und Forderungsverzichten – darunter diversen KONZERNINTERNEN MASSNAHMEN. Frage: Sind die sachlichen Tatbestände, die plötzlich 106 Mio. Euro Aktionärsgeld verdampfen ließen, am 10. Dezember völlig unbekannt gewesen?

Schellenberger will eine Sonderprüfung bemühen, um die Vorgänge zu klären – und nutzt damit ein Mittel des Minderheitenschutzes, das in deutschen Hauptversammlungen allzu gerne von düpierten Kleinaktionären angedroht, aber mangels Stimmgewicht selten tatsächlich eingesetzt wird. Die Aktienprofis im In- und Ausland werden – wieder einmal – vermerken, wie schnell sich doch drei Viertel des Eigenkapitals verflüchtigen können und wieviel Wert die Aussagen eines Vorstands selbst kurz vor Geschäftsjahresende haben. Ein Richter muß sich zwischen den Abhandlung vieler kleiner Eierdiebe mit einer dieser arbeitsreichen, komplexen Wirtschaftsangelegenheiten befassen.

Rheinmetall-Aktionäre können das Übliche tun: zurücklehnen und sich an der Vorstandsarbeit erfreuen. Die Aktionäre der Rheinmetall-Tochtergesellschaften müssen sich, je nach Ergebnis des Vorgangs, über ihre „Funktion“ Gedanken machen.

Die Kolumne erscheint jeweils montags, mittwochs und freitags in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

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