Aufschläge von weit mehr als 50 % des Grundgehaltes waren durchaus üblich. Die Banken konnten schließlich aus dem Vollen schöpfen. Das ist mittlerweile jedoch anders. Weil Investment-Mandate ausbleiben, knausern die Banken an allen Enden. Seit der Spitze des Börsenbooms zahlten die Banken durchschnittlich 59 % weniger, allein in diesem Jahr sanken die Boni um 37 %. Der unglückliche Nebeneffekt der Sparmaßnahmen: Viele Top-Leute packt die Wechsellust. Barton Biggs von Morgan Stanley packte genauso seine Koffer wie David Baum von Goldman Sachs oder Juda Krausharr von Merrill Lynch, um nur die renommiertesten Namen zu nennen.

Doch nicht nur die Gehälter sinken, auch die Umgangformen sollen sich ändern. Das zumindest will die Chefetage von JP Morgan und gab unlängst umfangreiche Benimm-Regeln für ihre Investmentbanker heraus. Polohemd und Knitterlook sind damit passé. Der oberste Benimm-Chef David Hitchcock erwartet wieder gebügelte Hemden, Anzug, polierte Schuhe, und nicht zu vergessen eine geschliffene Konversation mit dem Kunden. Man hat ja schließlich einen Ruf zu verlieren…

SEC-Kommissar Paul Atkins warb auf einer Veranstaltung des Deutschen Aktieninstitutes nicht nur für die nun leicht modifizierten Richtlinien des Sarbanes-Oxley-Act, sondern auch um die Börsengänge ausländischer Firmen. Die schärferen Anforderungen an die Corporate Governance, die mit den deutschen teils unvereinbar waren, hatten viele Unternehmen von einem Listing abgebracht. Primäres Ziel ist es, so Aktins „daß sich internationale Unternehmen eingeladen fühlen, ihre Aktien in den USA anzubieten und zu notieren.“ Und weil er insbesondere deutsche Unternehmer so freundlich ermutigte, werden sich sicher bald einige finden, die trotz der jährlichen Mehrkosten von 3 bis 8 Mio. US-$ und einiger anderer Regelungen den Schritt an die Wall Street wagen.

Eine Notierung im Land der unbegrenzten Möglichkeiten könnte sich schließlich als wahrer Glücksfall entpuppen. Vielleicht schafft es dann auch der ein oder andere ausländische Konzern in Dimensionen vorzustoßen, die bisher nur Blue-Chips wie AOL Time Warner erreichten: 100 Mrd. US-$ Verlust… Das muß man erst einmal schaffen. Wäre die Bubble nicht geplatzt, die Börse hätte applaudiert. Jetzt aber bricht die Aktie ein und selbst knallharte Burschen wie Ted Turner schmeißen angesichts solch einer Schieflage das Handtuch…

Dieser Beitrag ist auch im GoingPublic Magazin 03/2003 erschienen.

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