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Warum gehen Impfstoffhersteller wie BioNTech oder CureVac in den USA und nicht in Deutschland an die Börse? Warum ist das gesamtwirtschaftlich bedenklich und was sollte die Politik für die Finanzierung von Wachstumsunternehmen tun? Wir sind diesen Fragen nachgegangen und fordern, dass die nächste Bundesregierung die Rahmenbedingungen des Finanzierungsstandorts Deutschland verbessert.

Seit Schumpeter wissen wir: Die Umsetzung von Innovationen in marktreife Produkte ist die treibende Kraft der wirtschaftlichen Entwicklung, der Schaffung zukunftsfähiger Arbeitsplätze, von Wachstum und Wohlstand. An Innovationen mangelt es in Deutschland nicht. In der Rangliste der Zahl der Patentanmeldungen liegt Deutschland weltweit hinter den USA auf Platz zwei. Im Kampf gegen die Corona-Pandemie sind wir führend in der Impfstoffentwicklung. Die Gründerdynamik in Städten wie Berlin und München braucht den Vergleich mit anderen europäischen Start-up-Metropolen wie London oder Paris nicht zu scheuen.

Drohende Abwanderung von Arbeitsplätzen durch Auslands-Listing

Was aber die Bereitstellung von Wachstumskapital angeht, hat Deutschland ein strukturelles Problem. Es gibt nicht genügend heimische Investoren, die Wachstumsunternehmen aus der Biotechnologie und anderen Zukunftsbranchen das notwendige Kapital für Forschung und Entwicklung zur Verfügung stellen. In den letzten Finanzierungsrunden vor einem Börsengang dominieren ausländische Investoren. Für den Börsengang müssen diese Unternehmen dann meist in die USA gehen.

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Die immense Abhängigkeit von ausländischem Geld offenbart die Schwäche des Finanzierungsstandorts Deutschland. Vielversprechende Ideen, die kein ausländisches Kapital finden, bleiben auf der Strecke. Mit dem Listing im Ausland ist häufig die Gefahr verbunden, dass nach und nach Geschäftsbereiche dorthin abwandern und das Geschäftsmodell deutscher Gründer dort weiterentwickelt wird. Dies hat zur Folge, dass Arbeitsplätze nicht bei uns, sondern im Ausland entstehen. Es besteht also Handlungsbedarf, damit in Deutschland nicht nur großartige Ideen entwickelt, sondern auch finanziert werden.

Deutschland braucht kapitalstarke Pensionsfonds

Dafür braucht es, wie wir in unserer Studie Auslands-Listing von BioNTech, CureVac & Co. festgestellt haben, ein leistungsfähiges Ökosystem Kapitalmarkt, das die Finanzierung von Wachstumsunternehmen sicherstellen kann. A und O eines solchen Ökosystems sind Investoren, die über ausreichend Kapital und die erforderliche Expertise verfügen, Ertragsaussichten komplexer Geschäftsmodelle einschätzen zu können, wie sie für die Biotechnologie und andere Zukunftsbranchen typisch sind. In den USA sind es klassischerweise die Pensionsfonds, die aufgrund ihrer großen Finanzkraft, Wachstumsunternehmen Kapital zur Verfügung stellen können.

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Genau hier muss auch die Politik in Deutschland ansetzen und die Altersvorsorge grundlegend reformieren. Das Umlageverfahren muss um ein Ansparverfahren mit Aktien ergänzt werden. Nur so lassen sich die Probleme der umlagefinanzierten Altersvorsorge lösen. Gleichzeitig entstehen auch bei uns große Pensionsfonds, die das Geld am Kapitalmarkt, aber auch vorbörslich in vielversprechenden Unternehmen anlegen. Steht viel Anlagevermögen zur Verfügung, bilden sich bei diesen Fonds Spezialisten heraus, die entsprechende Expertise für die Geschäftsmodelle von Wachstumsunternehmen aufbauen und die dann diversifiziert in diese Unternehmen investieren.

Fazit

Mit der Ergänzung der Altersvorsorge um ein Ansparverfahren mit Aktien lassen sich somit zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Der einheimische Kapitalmarkt erfährt durch den Zustrom von Geldern aus der Altersvorsorge einen enormen Entwicklungsschub. Das zeigt sich in Länder wie den USA oder Schweden. Selbst wenn der größte Teil dieser Gelder gut diversifiziert international angelegt wird und ein geringerer Teil der Altersvorsorgegelder in hiesige Unternehmen fließt, ist das Potenzial, das zur Unternehmensfinanzierung bereitsteht, groß. Aber auch die Arbeitnehmer profitieren in hohem Maße. Die attraktiven Erträge einer langfristigen und breitgestreuten Aktienanlage kommen ihrer Altersvorsorge zugute und sichern so den Lebensstandard der Menschen im Alter.

Zu den Autoren
Birgit HomburgerBirgit Homburger ist Leiterin des Hauptstadtbüros des Deutschen Aktieninstituts. Sie beschäftigt sich mit der ganzen Bandbreite der Fragen der Kapital- und Finanzmarktpolitik und ist Mitautorin der Studie „Auslands-Listings von BioNTech, CureVac & Co.“

 

 

Dr. Norbert Kuhn ist Leiter Unternehmensfinanzierung und stellvertretender Leiter Fachbereich Kapitalmärkte im Deutschen Aktieninstitut. Er befasst sich unter anderem mit Aktien in der Mitarbeiterkapitalbeteiligung, der Altersvorsorge und der Bankberatung, oder den steuerlichen Rahmenbedingungen, die den Aktienbesitz fördern.

Autor/Autorin

Dr. Norbert Kuhn

Dr. Norbert Kuhn ist stellvertretender Leiter im Fachbereich Kapitalmärkte und Leiter Unternehmensfinanzierung beim Deutschen Aktieninstitut.

Birgit Homburger