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Der März 2020 stellt eine Ausnahmesituation dar. Fast täglich stürzen die Indizes ab. Ein zweistelliger Tagesverlust im DAX: keine Seltenheit mehr. Es regieren Angst und Panik, die Zahl der mit dem Coronavirus infizierten Personen steigt. Ganzen Branchen brechen die Umsätze weg, Läden müssen schließen, Belegschaften ins Homeoffice, Produktionslinien stehen still. Deshalb mag ein Rückblick auf das Jahr 2019 Trost und Hoffnung geben, dass zumindest die zweite Jahreshälfte 2020 wieder in den Normalitätsmodus übergeht sowie den Unternehmen ein verlässlicher und günstiger Zugang zum Kapitalmarkt erhalten bleibt. Von Dr. Marc Feiler

Nicht umsonst wies Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Ansprache an das deutsche Volk darauf hin, dass wir eine solche Krise seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr zu bewältigen hatten. Trotz der heftigen Ausschläge an den Märkten funktionierten und funktionieren die Börsensysteme reibungslos. Heute ist an der Börse München kein Publikumsverkehr nötig, das altbackene Börsenparkett längst abgeschafft. Eine zeitweise Schließung des Börsenhandels steht nicht zur Debatte und würde die Verunsicherung nur noch weiter vorantreiben. Nur die Börsen leisten eine faire und transparente Kurspflege und geben Orientierung über die Stimmung an den Märkten. Und eines ist sicher: Damit die Wirtschaft und gerade auch die besonders betroffenen kleineren und mittleren Unternehmen nach der Bewältigung der Corona-Krise jenseits kurzfristiger staatlicher Hilfe langfristig mit notwendigem Kapital ausgestattet werden können, braucht es einen reibungslos funktionierenden Kapitalmarkt – einen Kapitalmarkt, der sich für mittelständische Unternehmen bewährt hat und ihnen in guten wie in schlechten Zeiten zur Verfügung steht.

Mittelständische Unternehmen behaupten sich

Die Börse München hat das Regelwerk für ihr Mittelstandssegment m:access seit dem Start 2005 nicht wesentlich geändert. Die dort gelisteten Unternehmen schlugen sich bis jetzt besser als die großen Konzerne. Dies zeigt der im Oktober 2019 neu aufgelegte m:access All-Share-Index, der sich im Vergleich zum DAX passabler durch die Krise manövrierte: Während der DAX in den vergangenen vier Wochen (19. Februar bis 19. März) etwa 39% verlor, waren es beim m:access All-Share-Index 27% – eine Outperformance der

besonderen Art. Selbstverständlich muss sich noch erweisen, wie sich die Unternehmen bei einem längeren Stillstand der Wirtschaft behaupten; insgesamt aber, so unsere erste Beobachtung, halten sie sich überdurchschnittlich gut. Es zeigt sich auch in der Krise: Eigenkapital ist Trumpf!

Die Börse für den Mittelstand: m:access

Schriftzug der Bayerischen Börse, Börse München

Doch zurück ins Jahr 2019: Trotz des vorherrschenden Börsenbooms war es ein insgesamt schlechtes Jahr für Börsengänge. In Frankfurt gingen nur drei Unternehmen an den Prime Standard, das Freiverkehrssegment Scale verzeichnete keinen Neuzugang. International stützte nur der Börsengang von Saudi Aramco – mit fast 30 Mrd. USD für gerade einmal 1,5% des Aktienkapitals – zumindest das Volumen. Doch auch hier war die Anzahl der IPOs um 20% rückläufig. Ob sich 2020 positiver entwickeln wird, bleibt abzuwarten. Da 2019 einige IPOs verschoben wurden, besteht die Hoffnung, dass zumindest in der zweiten Jahreshälfte und bei Eindämmen der Corona-Pandemie weltweit wieder IPOs erfolgen könnten. Ein krisenbedingter Mittelbedarf wird trotz staatlicher Hilfszusagen und Programme unternehmensseitig jedenfalls bestehen.

2019 bestätigte, dass m:access die Börse für den Mittelstand in Deutschland ist: Neben dem Start des m:access All-ShareIndex erfolgte ein aufsehenerregendes IPO über das börsliche Zeichnungstool und eine Reihe von Unternehmen kam auf unterschiedlichen Wegen an die Börse und in m:access.

Ein Fußballclub steigt in die Börsenliga auf

Ein Highlight für die Börse München stellte der erfolgreiche und über die Grenzen Deutschlands hinaus medienwirksame Börsengang der SpVgg Unterhaching Fußball GmbH & Co. KGaA dar. Als erst zweiter deutscher Fußballverein an der Börse und als einziger Drittligist bedeutete dies für alle Beteiligten Neuland. Vor, während und nach dem IPO wurde dieser Schritt von der Mehrzahl der Medien als interessante Finanzierungsalternative für professionell arbeitende Fußballvereine bewertet. Aktueller Tabellenstand: Platz drei mit realer Aufstiegsperspektive. Bis zum Ausbruch der Corona-Krise lag die Aktie konstant über dem Ausgabepreis, und selbst in den vergangenen vier Wochen (bis 18. März) hat sie gerade einmal 7% eingebüßt. Eines hat der Börsengang von Unterhaching gezeigt: Die Börse ist nicht nur für Champions-League-Teilnehmer da, sondern gerade auch für kleinere Vereine – den Mittelstand.

Spieler der SpVgg Unterhaching

Neu in m:access

Neben diesem klassischen IPO kam die onoff AG über ein Direct Listing in m:access – Anfang des Jahres hatte das Unternehmen aus Wunstorf das geplante IPO in Frankfurt noch absagen müssen. Nach einem vorbörslichen Private Placement kamen auch die österreichisch-schweizerische Wolftank-Adisa Holding AG und die GORE German Office Real Estate AG an die Börse für den Mittelstand. Weitere Listings in m:access nahmen die Solutiance AG, die FCR Immobilien AG, die Xlife Sciences AG und die VST Building Technologies AG vor. Einen Segmentwechsel aus dem regulierten Markt in m:access vollzog der Automobilzulieferer SHW AG.

Dauerhafte Kapitalmarktfinanzierung

Doch die Qualität einer Börsennotierung zeigt sich nicht nur beim Börsengang, sondern auch bei den nachfolgenden Kapitalmaßnahmen. Durch die Neufassung der EUProspektverordnung können Kapitalerhöhungen bis 8 Mio. EUR ohne Prospektpflicht angeboten werden. Tatsächlich bewegten sich von den insgesamt 13 Kapitalerhöhungen der m:access-Unternehmen 2019 elf unterhalb dieser Grenze. Jenseits dieser Grenze stemmte die Umweltbank eine Kapitalerhöhung von 23 Mio. EUR, die Merkur Bank 13,5 Mio. EUR. Im Laufe der Jahre haben die Unternehmen deutlich mehr als 100 Kapitalerhöhungen als Folgetransaktionen in m:access durchgeführt.

Wachstumsimpulse setzen

Auch 2020 wird wieder eine ganze Anzahl neuer Unternehmen in m:access kommen, so die ABO Wind AG. Das Unternehmen mit Sitz in Wiesbaden ist als Projektierer und Errichter von Wind- und Solaranlagen mit einer geplanten Nennleistung von mehr als 10.000 MW in 16 Ländern auf vier Kontinenten aktiv und wird ab Ende März in m:access notiert. Ein sehr positives Zeichen in der aktuellen Situation.

Wie schnell sich die vor Ausbruch der Corona-Krise gut gefüllte Pipeline richtig öffnet, bleibt abzuwarten. Nach Überwindung der Krise wird das Hauptaugenmerk von EU-Kommission und Bundesregierung auf dem Wiederaufbau der europäischen und deutschen Wirtschaft liegen. Staaten und Zentralbanken allein werden den Finanzierungsbedarf aber nicht abdecken können. Auch die Finanzierungskraft des angeschlagenen Bankensektors ist unabhängig von Basel IV begrenzt. Es schlägt die Stunde des Kapitalmarkts, dem bei diesem Großprojekt eine entscheidende Rolle zukommt. Die Politik sollte alles tun, um das dort bestehende Potenzial zu heben. Die europäische Überregulierung der letzten Jahre muss auf den Prüfstand, und eine ernsthafte Incentivierung von Investments in mittelständische Unternehmen sollte angegangen werden. Viel bringen würde etwa eine Steuerfreiheit für Kursgewinne bei Erstinvestitionen in KMU nach Ablauf einer Haltefrist – darin sind sich die Experten einig.Börsengang

Jenseits der Politik bietet die Börse für den Mittelstand weiterhin einen leichten, günstigen und unbürokratischen Zugang zum Kapitalmarkt. Mit m:access werden wir unseren Beitrag leisten, damit die mittelständische Wirtschaft möglichst rasch dorthin zurückkehrt, wo sie noch Anfang des Jahres stand.

Dieser Artikel erschien zuerst am 28. März in unserem Jahres-Special Corporate Finance Recht 2020.

Autor/Autorin

Dr. Marc Feiler

Dr. Marc Feiler ist Geschäftsführer und Justiziar der Börse München. Nach fünfjähriger Tätigkeit in einer internationalen Wirtschaftskanzlei kam er 2004 zur Börse und hat dort das Mittelstandssegment m:access mit aufgebaut.