Bildnachweis: Yggdrasil SPAC 1 AG, www.pixabay.com.

GoingPublic: Sehr geehrter Herr Weiß, die Yggdrasil SPAC 1 AG notiert seit Oktober neu an der Börse Düsseldorf und dürfte noch nicht jedem Marktteilnehmer bekannt sein. Können Sie bitte einen kurzen Einblick zu der von Ihnen gegründeten Mantelgesellschaft geben.

Werner Weiß: Vor dem Hintergrund meiner Erfahrungen im Venture Capital- und Corporate Finance-Umfeld habe ich bereits vor einigen Jahren eine Beteiligungsgesellschaft mit dem Schwerpunkt Pre-IPO-Beteiligungen gegründet. Dabei wurde ich immer wieder mit Capital Pool Companies (CPC) konfrontiert, einer in Toronto üblichen Methode, um an die Börse zu gehen.

GoingPublic: Das müssen Sie etwas genauer erklären …

Werner Weiß: Das Verfahren wird als Reverse Merger, Reverse IPO oder Cold Listing bezeichnet. Das heißt, es wird zunächst eine Mantelgesellschaft gegründet und anschließend an die Börse gebracht. In diesen Mantel wird im dritten Schritt eine Zielgesellschaft eingebracht, die damit an der Börse gelistet ist.

GoingPublic: In Kanada ist diese Methode bisher populärer als in Deutschland?

Werner Weiß: Ja, in Kanada sind bereits mehr als 2.800 Gesellschaften auf diesem Wege an die Börse gegangen, in Deutschland ist dieser Modus weniger bekannt. Der Ablauf ist ja denkbar einfach: Die bereits gelistete Mantelgesellschaft beschließt eine Sachkapitalerhöhung über die Einbringung einer Zielgesellschaft gegen Ausgabe von neuen Aktien. Der Anteil der Altaktionäre an der gelisteten Mantelgesellschaft wird dabei planmäßig auf wenige Prozent verwässert, die „Neuaktionäre“, sprich die Gesellschafter des eingebrachten Unternehmens, halten anschließend die Mehrheit und haben nunmehr das Sagen. Anschließend wird der Name der börsengelisteten AG geändert, Vorstand und Aufsichtsrat ausgetauscht und die Satzung neu geschrieben.

GoingPublic: Aber der neuen Gesellschaft fließt durch die Einbringung doch kein Kapital zu, also warum wird nicht einfach ein normaler Börsengang umgesetzt?

Werner Weiß: Ein „normaler“ Börsengang, sprich ein „Initial Public Offering (IPO)“, ist natürlich die Komplettlösung, bestehend aus dem öffentlichen Angebot inklusive Kapitalerhöhung, der anschließenden Notierungsaufnahme und begleitenden PR/IR-Aktivitäten. Diese drei Funktionen werden bei einem IPO als ein Paket umgesetzt, bei einem Reverse IPO hingegen Schritt für Schritt. Man beginnt mit dem Listing, wenn dieser Prozess abgeschlossen ist, folgen PR/IR-Maßnahmen und zu einem späteren Zeitpunkt opportunistisch eine Kapitalerhöhung.

GoingPublic: Das klingt jetzt aber nach einem längeren Prozess …

Werner Weiß: Im Gegenteil, ein normaler Börsengang braucht sicherlich 12 bis 16 Monate Vorbereitungszeit und hat erhebliche Vorlaufkosten. Ein Reverse IPO hingegen kann in wenigen Wochen umgesetzt werden, und selbst wenn sich die anschließende PR/IR-Phase in die Länge ziehen würde, besteht immer noch ein erheblicher Zeitvorteil und Kostenvorteil – es geht sozusagen auf der Überholspur an die Börse. Dazu kommt noch das Timing-Risiko beim klassischen IPO.

GoingPublic: Timing-Risiko?

Werner Weiß: Ja, es gibt immer wieder Zeiten, in denen sich ein IPO aufgrund eines eingetrübten Marktumfeldes nicht realisieren lässt. Der Worst Case besteht darin, dass nach mehr als einem Jahr Vorbereitungszeit eine internationale Krise, ein Krieg o. Ä. stattfindet und ein normaler IPO in dieser Phase nicht umsetzbar ist. Im Gegensatz dazu ist ein Reverse IPO in jeder Börsenphase möglich.