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Die GmbH ist nicht nur bei Start-ups, sondern auch bei reiferen Wachstumsunternehmen, die bereits mehrere Finanzierungsrunden hinter sich gebracht haben, die meist anzutreffende Rechtsform (1). Sie tritt in Form einer Kapitalgesellschaft als eigenständige Rechtsperson auf. Somit ist die Eignerhaftung ohne weitere Sicherheiten auf das Stammkapital begrenzt. Die GmbH unterliegt der Körperschaftsteuer sowie der Gewerbesteuer, die zusammen je nach Gemeinde etwa 30% des erzielten Jahresüberschusses beträgt. Bei Holdingstrukturen werden erzielte Gewinne aus Anteilsveräußerungen sowie vereinnahmte Dividenden bei Kapitalgesellschaften mit einer Besteuerungsgrundlage von 5% besteuert, was die Kapitalgesellschaft attraktiv macht. Aus Sicht von Finanzinvestoren bietet die GmbH vor allem den Vorteil, dass der Gesellschaftervertrag (Satzung) keinem strengen gesetzlichen Korsett unterliegt und flexibel den Interessen der Gesellschafter angepasst werden kann. So ist die Bestellung eines Beirats fakultativ und im Allgemeinen ohne Personalverantwortung. Die Geschäftsführung kann von der Gesellschafterversammlung direkt bestellt und abgerufen werden, sodass die Befugnisse des Geschäftsführers zugunsten der Gesellschafter stark beschränkt werden können. Dazu wird ein Katalog zustimmungspflichtiger Geschäfte in die Satzung aufgenommen. Damit erhält die Gesellschafterversammlung ein Weisungsrecht gegenüber der Geschäftsführung. Für Finanzinvestoren mit Mehrheitsanteil ist die Rechtsform der GmbH somit sehr attraktiv.

Da geschäftsführende Gründer von Wachstumsunternehmen grundsätzlich immer mit Finanzierungsrunden konfrontiert werden, sollte man sich neben der potenziellen Anteilsverwässerung auch der zusätzlichen Kompetenzbeschneidung in der Geschäftsführung bewusst sein, die das GmbH-Modell bedingt. Alternativ bietet die Aktiengesellschaft (AG) Strukturen, die den Interessen der Gründer besser entgegenkommen, indem sie Kapital und Management trennen. Die AG ist ebenfalls eine Kapitalgesellschaft und unterliegt demselben Besteuerungsregime. Der wesentliche Unterschied liegt in der Corporate-Governance-Struktur, die durch das Aktiengesetz (AktG) strikte Vorgaben macht und die Stellung der Geschäftsführung (Vorstand) deutlich stärkt. Das AktG unterscheidet zwischen den Organen Hauptversammlung (Gesellschafter), Aufsichtsrat und Vorstand und definiert deren Rechte sowie Pflichten sehr weitgehend. So wird der Vorstand nicht wie bei der GmbH direkt von der Hauptversammlung, sondern vom Aufsichtsrat bestellt. Der Aufsichtsrat, der von der Hauptversammlung gewählt wird, übernimmt gegenüber dem Vorstand eine reine Überwachungs- und Beratungsfunktion. Zwar kann in der AG-Satzung ebenfalls ein Katalog zustimmungspflichtiger Geschäfte aufgenommen werden – jedoch dürfen sie im Gegensatz zur GmbH kein Weisungsrecht beinhalten. Damit wird der Vorstand in seiner Leitungskompetenz geschützt. Eine Ausnahme bildet der „Vertragskonzern“ in der Rechtsform der AG.

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Neben der starken Stellung des Vorstands eröffnet die AG durch die Schaffung eines „Bedingten Kapitals“ sowohl Finanzierungs- als auch Beteiligungsinstrumente, die eine GmbH nicht kennt. Die Ausgabe von Wandel- oder Optionsschuldverschreibungen kann auch für vorbörsliche Finanzierungsrunden ein interessantes Instrumentarium darstellen, das sonst nur über ein Wandlungsdarlehen abgebildet werden muss. Darüber hinaus erlaubt das AktG die Ausgabe von Aktienoptionen, die eine standardisierte Beteiligung am Unternehmen für Vorstände und Mitarbeiter ermöglicht. In der GmbH finden sich häufig virtuelle Aktienbeteiligungsprogramme, die bei einem späteren IPO zuerst aufwendig angepasst werden müssen, da sie den Kapitalmarktanforderungen nicht genügen. Von Vorteil ist auch, dass bei Abtretung von AG-Anteilen keine notarielle Beurkundung notwendig ist; es wird kein Aktienbuch geführt.

Die AG stärkt die Stellung der Gründervorstände, vor allem dann, wenn bis zum späteren IPO noch mehrere Finanzierungsrunden zu erwarten sind und die Gründer frühzeitig die Organe mitentscheiden wollen. Es lohnt sich daher, sich nicht erst kurz vor einem IPO mit der Rechtsform AG auseinanderzusetzen. Eine frühe AG-Wahl hat auch den Vorteil, die Spielregeln zwischen den drei Organen zu üben und zu verinnerlichen, was die formelle Börsenfähigkeit fördert. Sollten die jüngsten Vorschläge zur Novellierung des AktG seitens des Deutschen Aktieninstituts (DAI) oder der Deutschen Börse AG umgesetzt werden (2), so wären sie ein weiteres Argument für die Wahl der AG in einem frühen Unternehmensstadium. Die SE ist noch erstrebenswerter, bedingt aber eine europäische Tochtergesellschaft, was Start-ups oft fehlt.

(1) Vgl. Rechtliche Einheiten/Unternehmen nach Rechtsform und Anzahl der Beschäftigten 2019.
(2) Siehe hierzu unsere Kolumne in GoingPublic Magazin 6/2021.

Autor/Autorin

Prof. Dr. Wolfgang Blättchen

Prof. Dr. Wolfgang Blättchen ist geschäftsführender Gesellschafter der BLÄTTCHEN FINANCIAL ADVISORY GmbH und seit drei Jahrzehnten als unabhängiger Berater für Kapitalmarktstrategien aktiv. In dieser Zeit konnte er über 100 Pre-IPOs, IPOs und Follow-on-Mandate begleiten. Er ist aktives Mitglied in Aufsichts- und Beiräten sowie Ansprechpartner der Börsen.

Uwe Nespethal

Uwe Nespethal ist ebenfalls geschäftsführender Gesellschafter der BLÄTTCHEN FINANCIAL ADVISORY GmbH und seit über 20 Jahren als unabhängiger Berater in Kapitalmarktstrategien sowie in der Auflegung von kapitalmarktorientierten Incentivierungsprogrammen für Führungskräfte und Mitarbeiter tätig.