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Ziel: ökologische und soziale Nachhaltigkeit für die Leitung und ­Kontrolle börsennotierter Unternehmen zum Maßstab machen.

Die Regierungskommission will zum einen die Grundsätze und Empfehlungen an jüngste Änderungen des Aktiengesetzes durch das Gesetz zur ­Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG) und das Zweite Führungspositionen-­Gesetz (FüPoG II) anpassen. Zum anderen sollen – und hierauf liegt klar der Schwerpunkt der geplanten Änderungen – die Grundsätze und Empfehlungen verstärkt die ökologische und soziale Nachhaltigkeit bei der Leitung und Überwachung börsennotierter Unternehmen berücksichtigen.

Erweiterung der Präambel

Die novellierte Präambel soll künftig u.a. auch der geänderten Corporate Sustai­nability Reporting Directive (CSRD) gerecht werden, die eine klare Anforderung an die Unternehmen enthält, nicht nur die Outside-in-Perspektive, sondern auch die ­Inside-out-Perspektive zu berücksichtigen (sogenannte doppelte Maßgeblichkeit). Vorstand und Aufsichtsrat müssen künftig beide Perspektiven bei der Führung und Überwachung des Unternehmens beachten.

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Präzisierung von Umwelt- und Sozialfaktoren

Mit der Einführung einer neuen Empfehlung A.1 des DCGK 2022-E soll der ­Vorstand verpflichtet werden, die mit den Sozial- und Umweltfaktoren verbundenen Risiken und Chancen für das Unternehmen sowie die ökologischen und sozialen Auswir­kungen der Unternehmenstätigkeit systematisch zu identifizieren und zu bewerten. Ferner soll die Unternehmensstrategie Auskunft darüber geben, wie die wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Ziele in einem ausgewogenen Verhältnis umzusetzen sind. Die Unternehmens­planung soll finanzielle und nachhaltigkeitsbezogene Ziele enthalten. Nach der Begründung zum DCGK 2022-E soll die ­Unternehmensstrategie künftig den Ausgleich von Ökonomie, Ökologie und Sozialem darstellen, was wiederum seinen Niederschlag in der Unternehmensplanung finden soll. Von der Praxis wurde im Rahmen des Konsultationsverfahrens u.a. zu Recht kritisiert, dass die systematische Identi­fikation und Bewertung von ökologischen und sozialen Auswirkungen der Unternehmenstätigkeit sehr weitgehend ist und ­insbesondere für international tätige ­Unternehmen, die in unterschiedlichen Märkten tätig sind, nur schwer umsetzbar sein wird. Gleichzeitig gibt es keine Maßstäbe, ab wann eine Abweichung von ­dieser Empfehlung zu erklären ist, weshalb eine Konkretisierung dieser Empfehlung wünschenswert ist.

Internes Kontroll- und ­Risikomanagementsystem

Gemäß der neuen Empfehlung A.3 des DCGK 2022-E sollen das interne Kontroll- und Risikomanagementsystem sowohl auf finanzielle als auch auf nachhaltigkeits­bezogene Belange ausgerichtet sein, was die Prozesse und Systeme zur Erfassung und Verarbeitung nachhaltigkeitsbezogener Daten miteinschließen soll. Nach der Begründung des DCGK 2022-E sollen ­hierdurch u.a. systematische Voraus­setzungen für die Berichterstattung der CSRD geschaffen werden.

Nachhaltigkeit und Aufsichtsrat

Gemäß der neuen Empfehlung A.6 DCGK 2022-E soll der Aufsichtsrat insbesondere überwachen, (i) wie die ökologische und soziale Nachhaltigkeit bei der strategischen Ausrichtung des Unternehmens und deren Umsetzung berücksichtigt wird, (ii) dass strategische und operative Pläne finanzielle und nachhaltigkeits­bezogene Ziele umfassen, (iii) dass das ­interne Kontroll- und Risikomanagementsystem auch auf nachhaltigkeitsbezogene Belange ausgerichtet ist. Die Empfehlung A.6 DCGK 2022-E überträgt die den ­Vorstand betreffenden Empfehlungen
A.1 DCGK und A.3 DCGK auf den Aufsichtsrat, dem somit auch in Bezug auf nach­haltigkeitsbezogene Themen eine Überwachungsaufgabe zukommen soll.

Korrespondierend hierzu soll gemäß dem in Empfehlung C.1 DCGK 2022-E neu eingefügten Satz 3 das Kompetenzprofil der Mitglieder des Aufsichtsrats auch ­Expertise zu den für das Unternehmen ­bedeutsamen Nachhaltigkeitsfragen umfassen. Die Änderungen der Empfehlungen den Aufsichtsrat betreffend sind die logische Konsequenz des neuen Nachhaltigkeitsfokus des DCGK 2022. Gleichwohl werden, insbesondere unter Berücksichtigung von § 100 AktG, die Anforderungen an die persönlichen Voraussetzungen der Mitglieder des Aufsichtsrats immer ­komplexer.

Anpassungen des Compliance-­Managements

Auch das Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG) hat Auswirkungen auf den DCGK. So soll Grundsatz 4 um ­einen Satz 2 erweitert werden. Nach ­diesem Satz 2 soll das interne Kontroll- und Risikomanagementsystem auch ein an der Risikolage des Unternehmens ­ausgerichtetes Compliance-Management-System umfassen. Demgegenüber wurden der erste Satz in Empfehlung A.2 DCGK (neu A.4 DCGK 2022-E) sowie Grundsatz 5 gestrichen. Auch die (vorgenannte) neue Empfehlung A.3 DCGK-E gründet im FISG.

Zudem soll zutreffend die bisherige Formulierung der Empfehlung D.3 gestrichen werden, da die Überwachungs­aufgaben des Prüfungsausschusses nun in § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG geregelt sind. Stattdessen soll nun in Empfehlung D.3 DCGK 2022-E die Beschreibung der Best Practice der Vorgehensweise des Prüfungsausschusses treten. Neu eingefügt wurde auch Empfehlung A.5 DCGK 2022-E, wonach im Lagebericht die wesentlichen Merkmale des internen Kontroll- und ­Risikomanagementsystems beschrieben werden und zur Angemessenheit und Wirksamkeit dieser Systeme Stellung ­genommen werden soll.

Schließlich soll durch die neue ­Empfehlung D.11 DCGK 2022-E dem ­Gedanken, dass regelmäßige Beratungen zumindest des Prüfungsausschusses mit dem Abschlussprüfer ohne Vorstand ­erforderlich sind, Rechnung getragen ­werden.

Geschlechtergerechte ­Stellenbesetzung

Grundsatz 9 wird durch eine Änderung von Satz 2 an die durch das Zweite Füh­rungs­positionen-Gesetz (FüPoG II) geschaffene Rechtslage (§ 76 Abs. 4 AktG; § 111 Abs. 5 AktG) angepasst. Demnach soll der ­Aufsichtsrat die verpflichtende Mindestbeteiligung der Geschlechter gewährleisten oder bei nicht-börsennotierten oder nicht der paritätischen Mitbestimmung unterliegenden Unternehmen Zielgrößen für den Anteil von Frauen im Vorstand festlegen.

Fazit

Die Vorschläge zur Anpassung des Deutschen Corporate Governance Kodex sind längst überfällig. Mit den geplanten ­Anpassungen aufgrund des FISG und des FüPoG II würde der DCGK endlich dem ­aktuellen Rechtsstand angepasst werden. Auch die avisierten Änderungen zur ­besseren Berücksichtigung von Nach­haltigkeitsaspekten sind begrüßenswert, obgleich an der einen oder anderen Stelle noch Optimierungsbedarf besteht. Es bleibt abzuwarten, ob und wie die zahl­reichen Anregungen im Rahmen des ­Konsultationsverfahrens Berücksichtigung finden werden. Darüber hinaus sollten ­neben dem wichtigen Thema ESG weitere anstehende Herausforderungen, wie die Digitalisierung, nicht in den Hintergrund rücken. Zudem dürften mit Inkrafttreten der CSRD bald weitere Anpassungen des DCGK erforderlich werden.

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Autor/Autorin

Markus Joachimsthaler
Anwalt at Pinsent Masons

Markus Joachimsthaler, LL.M., ist Senior Associate bei Pinsent Masons Rechtsanwälte Steuerberater Solicitors Partnerschaft mbB mit Schwerpunkt auf digitale Wertpapiere. Er berät Unternehmen und Unternehmer im Zusammenhang mit allen aktienrechtlichen und kapitalmarktrechtlichen Fragestellungen.