Bildnachweis: Hansen & Rosenthal GmbH & Co. KGaA.

Die Hansen & Rosenthal GmbH & Co. KGaA produziert und vertreibt chemisch-pharmazeutische Spezialprodukte auf Rohölbasis sowie Präzisionskunststoffteile für eine Vielzahl von Industrien. Das bis 2014 im SDAX notierte hanseatische Familienunternehmen forciert dabei seit geraumer Zeit die Transformation des Geschäftsmodells hin zu mehr Nachhaltigkeit.

Heinrich Hansen und Emil Rosenthal gründeten 1919 in Hamburg die Firma Hansen & Rosenthal (H&R). 1923 schied Mitbegründer Rosenthal aus und Hansen führte die Geschäfte allein weiter. In den Jahrzehnten danach entwickelte sich H&R mit Produkten wie Weißölen, Paraffinen, Grundölen und Weichmachern zu einem weltweit operierenden Unternehmen. Aktuell leitet Nils Hansen das Familienunternehmen in dritter Generation, die Unternehmensanteile sind zu rund 61,5% in seinem Besitz.

Umfangreiches spezialchemisches Produktportfolio

Zu den heutigen drei Geschäftsbereichen zählt das größte Segment ChemPharm Refining (Rohstoffraffination), das zwei Raffinerien beinhaltet, in denen Weichmacher, Paraffine, Weißöle und Grundöle aus Rohöldestillat hergestellt werden. Der Umsatzanteil Ende 2022 betrug 64%. In diesem Segment verkauft H&R über 800 verschiedene Produkte an mehr als 100 unterschiedliche Absatzmärkte. Darunter sind z.B. die pharmazeutische und kosmetische Industrie, Reifen-, Kunststoff- und Farben- oder die Bauindustrie.

Das Segment ChemPharm Sales (Rohstoffvertrieb) bündelt Produktionsanlagen und Vertriebsstandorte im Ausland. Zu den Hauptprodukten des internationalen Bereichs gehören kennzeichnungsfreie Weichmacher für die Reifenindustrie sowie Wachsemulsionen für die Baustoffindustrie. Umsatzanteil: 33%. Im deutlich kleineren Bereich Kunststoffe werden Präzisionskunststoffteile insbesondere für die Automobilindustrie hergestellt. Umsatzanteil: 3%.

Das Unternehmen ist dabei in einigen Märkten nach eigenen Angaben Markt- und/oder Technologieführer und die Raffinerien sowie Misch- und Abfüllbetriebe zählen demnach (laut unabhängigen Studien) zu den effizientesten Anlagen weltweit.

Transformation zum nachhaltigen Unternehmen

H&R investiert bereits seit einiger Zeit in die Transformation hin zu einem nachhaltigen Geschäftsmodell. Das Firmenmotto lautet: „Öl ist zum Verbrennen viel zu schade!

Seit einigen Jahren berichten die Hamburger im Zuge der nichtfinanziellen Berichterstattung über ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten, seit dem letzten Jahr zusätzlich mit einem Nachhaltigkeitsbericht gemäß dem CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz. Produktionsverfahren sollen laut Satzung kontinuierlich verbessert und Einsatzstoffe effizient wie auch ressourcenschonend eingesetzt werden.

2017 nahm H&R in Hamburg die erste Wasserstoffelektrolyseanlage in Betrieb. Dabei wird Wasserstoff nicht nur als Energieträger gesehen, sondern mit Mehrwert als stoffliche Prozesskomponente eingesetzt. Auch der Wechsel hin zu Produkten wie synthetischen Kraftstoffen (E-Fuels) oder synthetischen Paraffinen wird forciert.

So hatte ein Joint Venture von H&R im Mai den Grundstein für eine nachhaltige Produktionsanlage für E-Fuels gelegt, die insbesondere für die Luftfahrt, aber auch für die chemische Industrie bestimmt sein soll. Die Anlage wird mit grünem Wasserstoff aus Wind- und Sonnenenergie sowie biogenem CO2 versorgt.

Aktuelle Halbjahreszahlen unter Vorjahresniveau

2022 war mit einem Umsatz von 1,58 Mrd. EUR (Vorjahr: 1,19 Mrd. EUR) das erfolgreichste Jahr der Unternehmensgeschichte. Das EBITDA von 125 Mio. EUR ging gegenüber 2021 jedoch um 6% zurück.

Nach einem schwachen ersten Vierteljahr 2023 konnten sich die Ergebnisse im zweiten Quartal wieder etwas erholen. Der Umsatz nach dem ersten Halbjahr 2023 erreichte 700 Mio. EUR, immer noch 13% weniger als im ersten Halbjahr 2022.

Das EBITDA lag mit 39,4 Mio. EUR deutlich hinter der starken Vorjahreshälfte, als 72,8 Mio. EUR erreicht worden waren. Das EBIT belief sich auf 11,1 Mio. EUR (2022: 46,2 Mio. EUR) und das Konzernergebnis auf 3,7 Mio. EUR (2022: 29,7 Mio. EUR). Dagegen verbesserte sich der Free Cashflow von -28,7 Mio. EUR auf 24,7 Mio. EUR.

Da sich die Kennzahlen wieder stabilisierten, erwartet H&R nun ein EBITDA im mittleren Bereich der Gesamtjahreserwartung (70 Mio. bis 90 Mio. EUR). Eine genauere Bewertung ließe die momentane Marktsituation nicht zu, die Guidance soll zu gegebener Zeit präzisiert werden. Die endgültigen Halbjahreszahlen werden am 15. August erwartet.

Quelle: stock3.com

Aktienentwicklung

Das Papier der H&R-Gruppe, die bis 2014 noch im SDAX notierte, erreichte seinen Höchststand 2007 bei gut 40 EUR. Nach den guten Ergebnissen 2021 und 2022 erklomm die Aktie wieder ein Zwischenhoch von über 10 EUR. H&R verzeichnet zwar höhere Umsatz- und Profitabilitätskennziffern als noch 2007, dennoch befindet sich die Aktie im Großen und Ganzen seither im Abwärtstrend.

Nachdem die Zahlen zum schwachen ersten Quartal 2023 publik geworden waren, verlor das Papier erneut und verharrt seitdem bei knapp über 5 EUR. Dieser Kurs bestand zuletzt zur Jahrtausendwende. Seit 2017 wurde zudem keine Dividende mehr ausgeschüttet.

Laut S&P Global Market Intelligence wird die Aktie aktuell mit einem 2023er-KGV von neun bewertet. Das Verhältnis Marktkapitalisierung/Umsatz (M/U) 2023 läge aktuell bei linearer Fortschreibung der Umsätze bei nur 0,13.

Foto: © Hansen & Rosenthal GmbH & Co. KGaA

Für die Konkurrenten gelten folgende Kennzahlen: LANXESS (KGV: 18; M/U: 0,33); Evonik Industries (KGV: 25; M/U: 0,53); Covestro (KGV: 82; M/U: 0,58); Wacker Chemie (KGV: 15; M/U: 1,04).

Insofern wäre die Aktie nach diesen Maßstäben sehr günstig bewertet. Auch wenn es für die chemische Industrie im Allgemeinen aktuell nicht besonders rosig läuft, sollte aus fundamentaler Sicht – sofern sich die Zahlen weiter stabilisieren – nichts gegen einen neuen Aufwärtstrend des breit aufgestellten Familienunternehmens sprechen.

Autor/Autorin

Ike Nünchert

Ike Nünchert ist freier Autor für das GoingPublic Magazin sowie für GoingPublic Online.