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Die diesjährige Studie von Peter Hajek Public Opinion Strategies zum Anlageverhalten der österreichischen Bevölkerung zeigt, dass vor allem junge Menschen unter 30 die Geldanlage an der Börse für sich entdeckt haben.

Niedrige Zinsen und Inflation sind eine Gemengelage, die selbst risikoaverse Bürgerinnen und Bürger den Aktienmarkt entdecken lässt. Tatsächlich ist das Interesse der Menschen in Öster­reich für Aktien, Anleihen und Wertpapiere seit 2016 signifikant gestiegen. Für knapp 30%, die bisher noch nicht auf dem Kapitalmarkt aktiv sind, kommt es prinzipiell infrage, in eine dieser Geldanlagen zu investieren. Vor sechs Jahren waren es nur 7%. Und zwischen 2021 und 2022 hat sich der Anteil von 25% auf 29% noch einmal ­signifikant erhöht, wie die Peter-Hajek-Studie zeigt (Abb. 1). „Die Inflation wird sich peu à peu bei den Anlegern bemerkbar ­machen, also schleichend“, erklärt Mag. Karl Fuchs, Geschäftsführer des Aktienforums – Österreichischer Verband Aktien-Emittenten und -Investoren. „Statistisch werden wir das aber stärker erst bei unseren nächsten Erhebungen messen können.“

Interesse in der Pandemie gestiegen

Diagramm zur Meinungsumfrage bezüglich Interesse an Anlageformen

Tatsächlich ist das Interesse an Anlageformen auch in den Pandemiejahren merklich gestiegen. So antworteten aktuell in einem repräsentativen Panel 29% der Befragten, dass sich ihr Anlage- und Sparverhalten durch die Coronapandemie zum Positiven für den Aktienmarkt verändert hat. Im vergangenen Coronajahr 2021 waren es nur 24% gewesen.

Insgesamt besitzen 2022 gemäß der Studie auch deutlich mehr Bürgerinnen und Bürger Aktien- und Anleihefonds (28%) als noch im vergangenen Jahr. Demgegenüber ist der Anteil derer mit einer staatlich geförderten Vorsorge leicht rückläufig (Abb. 2) – eine interessante Entwicklung, halten doch immer noch mehr als 70% der Befragten ebenjene staatliche Förderung von Vorsorgemodellen nach wie vor für einen sehr wichtigen oder eher wichtigen Anreiz zur Förderung der kapitalmarktorientierten Anlagekultur im Land. Die meisten Österreicher setzen allerdings nach wie vor auf das Instrument der staat­lichen Begünstigung bei der steuerlichen Veranlagung zur privaten Pensionsvorsorge (76%). Zur Einordnung relevant: Mit der ­Besteuerung von Veräußerungsgewinnen bei Wertpapieren ohne Freigrenzen oder Reduktionen der Bemessungsgrundlage zählt Öster­reich zu einer Minderheit von Staaten.

Steuerliche Förderung der Altersvorsorge nötig

Diagramm: Auflistung der Geldanlagen von Österreichern

Die steuerliche Komponente ist dem Aktien­forum als Vertreter der Aktienkultur im Land schon länger ein Dorn im Auge: Die österreichische Politik muss dringend steuerliche Maßnahmen setzen, um die private Altersvorsorge zu attraktivieren. Dieses Thema ist kein ideologisches mehr. Der Klassenkampf existiert nur noch in den Köpfen einiger weniger Parteifunktionäre“, erklärt Aktienforum-Geschäftsführer Mag. Fuchs auf Nachfrage von Going­Public.

Finanzbildung und Nachhaltigkeit wichtig

Neben den staatlichen Drehschrauben gehört aber auch nach wie vor Wirtschafts- und Finanzbildung an den Schulen und in den Lehrplänen (74%) nach Meinung der Befragten im Panel zu den wichtigsten Mitteln, um die Börsenaffinität der Bevölkerung zu stärken. Hinzu kommt last but not least das Nachhaltigkeitsargument: Die steuerliche Begünstigung klimafreund­licher Investitionen als Instrument zur Förderung der Börsenaffinität der Bevölkerung halten ebenfalls 74% der Befragten für eine sehr gute oder eher gute Idee. „Ein Trend in nachhaltigere Investments ist ohne Zweifel spürbar. Dies betrifft einerseits die sogenannten ‚Green Investments‘ als auch die soziale Komponente beim Inves­tieren, die hier eine nicht unerheb­liche Rolle spielt“, erläutert Aktienforum-Geschäftsführer Mag. Fuchs.

„Generation Aktie“ googelt Geldthemen

Diagramm: Auflistung diverser Informationswege für die Bevölkerung über Investitionsmöglichkeiten. Z.B. in der SchuleDie erhöhte Aufmerksamkeit für Börsen­themen ist vor allem auch auf ein deutlich gestiegenes Interesse bei der sogenannten Generation Aktie zurückzuführen. Wechselvollere Erwerbsbiografien, mehr Unsicherheit, niedrigere Zinsen und die damit verbundene Erkenntnis, auf sicherem Wege schlicht keine nennenswerte Rendite in puncto Altersvorsorge mehr erzielen zu können, wird hier in soziokulturellen Stu­dien meist als Begründung genannt. Tat­sache ist: Die 16- bis 29-Jährigen im Panel zeigen mit 65% die höchste Quote bei der Frage­ nach dem prinzipiellen Interesse an der Wertpapieranlage. Bei den 39- bis 59-­ Jährigen, die in der Regel deutlich mehr verdienen als ihre jungen Pendants, liegt dieser Prozentsatz nur bei 27%; bei den ­Älteren haben gar nur 11 % grundsätzliche Affinität zur Wertpapieranlage. Entsprechend überdurchschnittlich ist auch der Anteil der Aktionäre unter den U-30-Jährigen: So geben 26% an, bereits Aktien zu ­besitzen (gegenüber 22% und 19% in den beiden älteren Jahrgangskohorten). Die Jungen sind es auch, die am häufigsten ­angaben, ihr Sparverhalten während der Coronapandemie angepasst zu haben.

Ein Grund dafür, dass die Jugend so viel mehr für Geldanlage am Kapitalmarkt übrig­ zu haben scheint, liegt wohl auch im Informationsverhalten. „Soziale Kanäle werden auch in diesem Bereich immer wichtiger. Die U-30-Generation will sich rasch und unkompliziert informieren“, erklärt Mag. Fuchs vom Aktienforum, „Themen werden schnell gegoogelt oder in entsprechenden Facebook-Gruppen gepostet. Vor allem die Coronaphase war in diesem Bereich ein ­zusätzlicher Game Changer“, meint er, das habe Geldthemen bei den jungen Leuten populär gemacht.

Fazit

Summa summarum begrüßen Industrie und Politik das gestiegene Interesse der Bürger­innen und Bürger am Kapitalmarkt und Geldanlagethemen. Der Trend, dass vor allem die junge Generation angesichts schwindender Sicherheiten Wertpapieranlagen an der Börse für sich entdeckt, ist ein europaweites Phäno­men, das gefördert zu werden gilt. Man darf gespannt sein, was sich die österreichische Regierung hier einfallen lässt.

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Autor/Autorin

Simone Boehringer

Simone Boehringer ist die Redaktionsleiterin "Kapitalmarktmedien" der GoingPublic Media AG.