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Nachdem Deutschland seine erste HV-Saison nach neuer Legislatur abgeschlossen hatte, ist am 14. Juli 2023 nach zähem Ringen das Gesetz in Kraft getreten, welches es auch österreichischen Emittenten ermöglicht, virtuelle Hauptversammlungen durchzuführen. Auch wenn es vielen börsenotierten Gesellschaften derzeit an der für die Durchführung nötigen ­Ermächtigung im Gesellschaftsvertrag fehlt, so ist es dennoch ratsam, sich frühzeitig mit den praktischen Umsetzungsmöglichkeiten auseinanderzusetzen. 

Damit eine virtuelle Hauptversammlung als wirklich virtuell, also ohne physische Anwesenheit der Teilnehmer abgehalten werden kann, muss eine akustische und optische Zweiwegeverbindung in Echtzeit bestehen. Der Versammlungsleiter kann dabei die Zuschaltungen auch moderieren. Um die Rechtssicherheit zu gewährleisten, bietet es sich an, den Aktionären ein zugangsgeschütztes Portal zur Verfügung zu stellen.

Zugangsgeschützte ­Kommunikationswege

Solche Portale wurden in der vergangenen HV-Saison in Deutschland eingesetzt und auch in Österreich wurde es unter ­anderem im Rahmen der hybriden Hauptversammlung der RBI erfolgreich ange­boten. Der Vorteil eines solchen Portals besteht darin, dass jeder Aktionär seine ­individuellen Zugangsdaten hat und somit eine eindeutige Identifikation für alle Aktionen möglich ist. Im Gegensatz zu „offenen“ Meetingsystemen – z.B. Teams oder Zoom – ist zudem eine geführte Moderation der Redner durch den Einsatz professioneller Mediendienstleister darstellbar. Das geübte Zusammenspiel verschiedener Anbieter ist dabei insbesondere für größere Hauptversammlungen unentbehrlich.

Digitale Abstimmung

Ein Aktionärsportal ermöglicht auch die rechtssichere Möglichkeit der Stimmabgabe und Bevollmächtigung. So wird die Anforderung der Möglichkeit einer Stimmabgabe im Vorfeld der Hauptversammlung erfüllt, und auch der Widerruf während einer Versammlung kann problemlos umgesetzt werden.

Auch die Bevollmächtigung einer der beiden Stimmrechtsvertreter der Gesellschaft ist problemlos technisch vorzuhalten und Weisungen können eindeutig erteilt werden. Dies bietet den Vorteil, dass die Verarbeitung der Vollmachten und Weisungen sowie deren Bereitstellung ohne Medienbruch stattfinden können.

Fragen, Anträge und Widersprüche

Des Weiteren können über zugangsgeschützte Portale die Anforderungen der Vorabeinreichung von Fragen, der Antragserteilung an einen der Stimmrechtsvertreter sowie der Erteilung von Widersprüchen rechtssicher erfolgen – denn auch hier bietet der Passwortschutz die Sicherheit, dass nur für die Hauptversammlung angemeldete Aktionäre sich der Funktionen bedienen können. Denkbar wäre natürlich, derartige Aktionärsrechte im Wege der E-Mail-Kommunikation ausüben zu lassen. Eine automatische Prüfung, ob der Aktionär hierzu auch berechtigt ist, ist nicht möglich: Die Verifizierung müsste mühsam händisch erfolgen.

Hybride Hauptversammlung

Interessant ist, dass sich in Österreich die Rechte, die bei einer virtuellen Hauptversammlung ausgeübt werden können, auch bei einer hybriden Hauptversammlung anwenden lassen. Hier geht der österreichische Gesetzgeber deutlich über die deutsche Anforderung hinaus: Eine klare Definition, was eigentlich als hybride Hauptversammlung verstanden werden kann, ist in Deutschland nicht vorhanden. Auch eine Übertragung der virtuellen Hauptversammlungsmerkmale nach § 118a AktG ist undenkbar, wenn es eine gleichzeitige physische Präsenz der Aktionäre geben soll. Hier bleibt vielmehr die Ausgestaltung als Onlineteilnahme ein Mittel der Wahl. Dies bedeutet aber auch, dass die einladenden Gesellschaften durch Bekanntgabe in der Einberufung der Hauptversammlung die Rechte der online Teilnehmenden bei einer deutschen hybriden Hauptversammlung deutlich einschränken können.

Problem: Kurze Anmeldefristen

Ein echtes Problem stellt das Fristenregime für die österreichische Hauptversammlung für die Abhaltung virtueller Versammlungen dar: Nachdem die Anmeldung und Einreichung der Aktionärsnachweise regelmäßig spätestens erst bis zum dritten Werktag vor der HV erfolgen muss, besteht praktisch keine Möglichkeit, die Zugangsdaten für die Portale aktiv, z.B. per Post oder E-Mail, an den ­Aktionär zu übermitteln. Als Lösung bleibt die Option, dass Aktionäre die Zugangs­daten bei der Gesellschaft abrufen können. Dies könnte telefonisch oder digital abgebildet werden. Auch wenn die Umstellung von „Push“ auf „Pull“ bislang problemlos funktioniert hat, wäre eine Anpassung der Fristen seitens des Gesetzgebers wünschenswert, um den Emittenten und Dienstleistern mehr Zeit für die Übermittlung bzw. den Abruf der Zugangsdaten zu Portallösungen zu geben.

Ausblick

Nachdem das österreichische Gesetz keine Übergangsfrist für die Abhaltung einer virtuellen Hauptversammlung ohne Satzungsregelung vorsieht, werden entsprechende Anträge zur Satzungsänderung in der kommenden HV-Saison in Österreich sicherlich in erster Linie auf Tagesordnungen zu finden sein, weniger als zur Durchführungsform selbst. Auf jeden Fall sollten sich die Gesellschaften auch die Möglichkeit der Abhaltung einer virtuellen Hauptversammlung explizit in die Satzung schreiben lassen: Denn sollte es aus welchen Gründen auch immer in Zukunft untersagt sein, Präsenzveranstaltungen abzuhalten, ist es sehr unwahrscheinlich, dass es erneut Notfallgesetze gibt. Insofern ist dieser Tagesordnungspunkt eine Absicherung für die Zukunft.

Interessant ist, dass sich in Österreich die Rechte, die mit einer virtuellen Hauptversammlung ausgeübt werden können, auch bei einer hybriden Hauptversammlung ­anwenden lassen.

Dieser Beitrag erschien in unserem Special Kapitalmarkt Österreich 2023.

Autor/Autorin

Bernhard Orlik

Bernhard Orlik ist Head of Client Services bei der Computershare Deutschland GmbH & Co. KG.