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Selten zuvor standen für eine Berichtssaison derart zahlreiche Neuerungen und zu erfüllende Auflagen an. Das ­GoingPublic Magazin im Doppelinterview mit einem langjährigen Kapitalmarktemittenten und seinem Reportingdienstleister.

GoingPublic: Frau Kaufhold, Herr Gramkow, nicht die einfachste Frage zum Start: Was sehen Sie beide jeweils als größte Herausforderung für die kommende Berichtssaison?

Diana Kaufhold: Einerseits wird uns ganz konkret das XBRL-Textblock-Tagging in Schach halten und anderseits die Sustainability-Strategieentwicklung bis hin zum Reporting. Nach der Veröffentlichung der ED ESRS, der Exposure Drafts of European Sustainability Reporting Standards, bleibt abzuwarten, ob z.B. auf die Vielzahl und Granularität der vorgeschla­genen Berichtspflichten eine Komplexitätsreduzierung erfolgt oder die Möglichkeiten der optionalen integrierten Nachhaltigkeitsberichterstattung geprüft werden. Zwei ­Aspekte, die sich auch in der Stellungnahme des Deutschen Rechnungslegung Standards Committee, DRSC, wiederfinden.

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Diana Kaufmann ist seit zehn Jahren Managing Director bei firesys und verantwortet u.a. das Kundengeschäft.

Stephan Gramkow: Die nächste Stufe der Umsetzung des ESEF verkürzt unsere Zeit für die Erstellung der Jahresfinanzberichte nochmals, da für das XBRL-Textblock-Tagging der Bericht noch früher stehen muss. Eine Herausforderung sehe ich für uns darin, wieder mehr in eine gestaltende Rolle zu kommen. Die Vielzahl an neuen Regelungen und die damit einhergehende Verunsicherung binden sehr viel Ressourcen. Ich würde hoffen, dass wir als Unternehmen mehr Klarheit und konkrete Handlungsempfehlungen hätten, um uns wieder mehr auf die aktive Gestaltung und Weiterentwicklung der Berichte fokussieren zu können.

GoingPublic: Wie steht es mit ESG und Nachhaltigkeit bei der United Internet und wie unterstützt firesys dabei?

Diana Kaufhold: firesys unterstützt seit 2019 dabei, das externe Reporting der United Internet softwarebasiert und im Corporate Design des Unternehmens umzusetzen. Sowohl der Geschäfts- als auch der Nachhaltigkeits­bericht werden von der Datenanbindung über das XBRL-Tagging bis hin zum Onlinereport mit firesys produziert. United Internet hat frühzeitig Verantwortung für künftige Pflichtthemen übernommen und entsprechende Maßnahmen eingeleitet, die Einführung von firesys war eine davon.

Stephan Gramkow ist Co-Head of Investor Relations bei United Internet und hat über 15 Jahre Erfahrung im Bereich Investor Relations

Stephan Gramkow: Wir bauen beim Nachhaltigkeitsbericht und beim Jahresfinanzbericht gleichermaßen auf firesys. In der Vergangenheit haben wir die Berichte zunächst mit ­Office erstellt und erst zu einem späten Zeitpunkt im Prozess mithilfe unserer Inhouse-Agentur in ein ansprechendes Layout überführt. Am Ende mit einem tollen Ergebnis, aber der Erstellungsprozess war aufwendig und zeitlich zu lang. Mit firesys erstellen wir den Bericht direkt im Ziel-Layout, ohne die gewohnte „Office-Welt“ zu verlassen. Die ­Datenanbindung reduziert Übertragungsfehler und spart zusätzliche Iterationsschleifen. Darüber hinaus liegt der Onlinebericht quasi mit der Veröffentlichung vor. Das wäre früher undenkbar gewesen.

GoingPublic: Ist ESG bei United Internet eine lästige zusätzliche Pflicht im Reporting oder die Möglichkeit, sich mindestens innerhalb der Branche abzuheben?

Stephan Gramkow: Ich glaube, alle Unternehmen in ­unserer Branche leisten in diesem Bereich großartige Arbeit. Nachhaltig zu operieren ist für uns als Unter­nehmen ein Selbst­verständnis. Die Schwierigkeit bestand in vielen Bereichen bisher eher darin, dies auch messbar zu machen, mit den ent­sprechenden Regeln zu unterlegen und zu strukturieren.

Abb 1.: End-to-End mit firesys, zum Vergrößern bitte auf das Bild klicken. Quelle: firesys

GoingPublic: In diesem Bereich ist vieles im Fluss, und das von Jahr zu Jahr; auch über die Taxonomie wird weiterhin und viel diskutiert. Wie stellt man sich auf jährlich wechselnde Anforderungen ein?

Diana Kaufhold: Im Fluss bleiben und am besten nicht von Jahr zu Jahr denken, sondern ­vorausschauend planen. Die Taxonomie ist ein Klassifikationssystem, das EU-weit als Informationsquelle und Steuerungsmöglichkeit fungieren soll, um u.a. öffentliche und private Finanzströme in nachhaltige Inves­titionen zu lenken. Das lässt sich nicht einfach umsetzen. Schon allein die damit einher­gehende Konkretisierung und Verein­heit­lichung der Berichtspflichten ist ein ­großes Unterfangen, da haben wir über die Umsetzung noch nicht gesprochen.

Stephan Gramkow: Beim Thema Nachhaltigkeit gibt es keine Zeit zu verlieren. Für die Unternehmen ist der verbleibende Zeitraum für die letztliche Umsetzung von neuen Anforderungen aber sportlich. ­Daher ist es wichtig, beim Reporting die richtigen Tools zu haben, mit denen wir ­flexibel auf neue Anforderungen reagieren können. Ich finde es beruhigend, zu wissen, dass die Technik schon mal nicht das ­Problem sein wird.

GoingPublic: Gleiches gilt auch ein wenig im Bereich XBRL, aber immerhin steht dort die Taxonomie einigermaßen fest. Wie leicht oder schwer fällt Ihnen dieses ebenfalls seit einigen Jahren zusätzliche Reporting?

Diana Kaufhold: Als Softwareanbieter und Berater empfinden wir Veränderungen nicht als ­Ballast, sondern als Motivationsschub, uns für unsere Kunden weiterzuentwickeln. Es ist unsere Passion, effiziente und nachhal­tige Lösungen zu entwickeln. Im Bereich ESEF ist es uns bislang ausgezeichnet gelungen, unseren Kunden ein Setup zur Verfügung zu stellen, welches zum uneingeschränkten Testat führt, problemlos vorgerollt werden kann und regulatorische Veränderungen ­berücksichtigt. Schwierigkeiten sehen wir eher bei Unternehmen, welche keine klare Reportingstrategie haben, wo versäumt wurde, Know-how in Teams aufzubauen, oder Personal fehlt. Wer beim XBRL-Tagging weder eine eigene Software noch kompetentes Personal im Einsatz hat, wird dies nicht nur beim anstehenden Textblock-Tagging zu spüren bekommen, sondern auch beim künftigen ESG-Reporting. Reporting muss ganzheitlich gedacht werden, Insellösungen werden nicht von Dauer sein.

Stephan Gramkow: Wir haben im Bereich XBRL von Anfang an auf einen „Built-in-Prozess“ ­gesetzt und setzen das Tagging rein intern um. Dabei hilft uns natürlich, dass die ­Software einen gewissen Rahmen vorgibt. Wer jetzt allerdings darauf hofft, von einem Softwareassistenten durch das Tagging ­geführt zu werden, der wird enttäuscht sein. Hier ist sehr viel eigenes Know-how ­erforderlich. Ich bin froh, dass wir diesen Weg gegangen sind. Jetzt zahlt es sich aus, dass wir mit den erweiterten Pflichten „wachsen“ können.

GoingPublic: Einige Emittenten erzählen mit ihren Geschäftsberichten über Jahre hinweg eine Geschichte mit einem roten Faden. Wie stehen Sie zum Thema Storytelling?

Diana Kaufhold: Für mich geht es mehr um ­Authentizität als um den roten Faden. Wer unternehmerisch überzeugen will, braucht eine Geschäftsstrategie, die es schafft, ­Krisen zu bewältigen und Umweltziele entlang der Wertschöpfungskette zu berücksichtigen – der rote Faden muss dafür ­vielleicht sogar losgelassen werden. Unternehmen, die Verantwortung übernehmen und Haltung zeigen, werden ihre Unternehmenskommunikation glaubhaft und überzeugend ausgestalten können.

Stephan Gramkow: Ich glaube, man kann sagen, dass Storytelling etwas an Relevanz verloren hat. Natürlich möchten wir nicht nur Zahlen, sondern auch Botschaften transportieren: „Was haben wir erreicht, was sind unsere nächsten Schritte und Ziele“. Wir machen aber die Erfahrung, dass die ­Geschäftsberichte durch zusätzliche Berichts­pflichten für viele Leser zu umfangreich g­eworden sind. Unser Geschäftsbericht 2021 hat 300 Seiten, ohne den Nachhaltigkeitsbericht. Wer kann und will das lesen? Umso wichtiger ist für uns eine klare ­Berichtsstruktur und eine gute Umsetzung des Onlineberichts. So kann sich der Leser die für ihn relevanten Teile heraussuchen. Natürlich ist Wiedererkennung und konti­nuierliche Kommunikation wichtig, aber ich persönlich brauche keine Geschäftsberichte im Regal, deren Buchrücken über Jahre ein Bild ergeben.

GoingPublic: Nach ca. fünf Jahren wechseln viele Emittenten ihren Reportingdienstleister – vorgeblich, um „frischen Wind“ einzuhauchen. Bei Ihrer beider Kooperation kein Thema?!

Diana Kaufhold: Das kann ich für den Bereich Softwaredienstleistung nicht bestätigen. Wenn es um Unternehmenskommunikation, Strategieentwicklung und gute Designs geht, ist es zumindest so, dass ein Agenturwechsel in der Praxis gut funktionieren kann. Wenn die Softwareentwicklung sich an gesetzlichen Vorgaben und Kundenwünschen orientiert, gibt es keinen Wechselgrund. Mit United Internet sind wir regelmäßig im ­Austausch, dadurch haben wir sowohl beim Onlinereporting als auch beim Anbinden von ESG-Daten wertvollen Input für unsere Softwareentwicklung bekommen.

Stephan Gramkow: Wir setzen in der Regel auf langfristige Partnerschaften. Wichtiger ist doch, dass ich mein Reporting hinterfrage und ­dadurch weiterentwickeln kann. Wenn das nicht mehr funktioniert, mag auch ein Wechsel der Agentur sinnvoll sein. Von einer Software wie firesys erwarten wir ebenfalls, dass auf Änderungen oder neue Vorgaben reagiert und idealerweise nicht am Kunden vorbei entwickelt wird. Insbesondere beim Onlinereporting gab es einen engen Austausch mit firesys – und im Ergebnis eine deutlich vereinfachte Weiterverarbeitung zum Full-HTML-Bericht.

Frau Kaufhold, Herr Gramkow, vielen Dank für die interessanten Einblicke.

www.firesys.de
www.united-internet.de

Das Interview führte Falko Bozicevic.

Autor/Autorin

Falko Bozicevic

Falko Bozicevic ist Mitglied des Redaktionsteams des GoingPublic Magazins sowie verantwortlich für das Portal BondGuide.