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Eine aktive Auseinandersetzung mit der Corporate Governance geht über das Erfüllen der regulatorischen Vorgaben ­hinaus: Sie bietet Chancen, Erwartungen der Stakeholder zu erkennen und zu adressieren sowie das Vertrauen in ein Unternehmen und seine Prozesse zu festigen. DocMorris gehörte 2022 zu den Aufsteigern in der Corporate-Governance-Studie von ­zRating. Wie ist DocMorris vorgegangen und welche Erfahrungen wurden gesammelt?

Der Anstoß kam von Investoren und Analysten. In Gesprächen mit beiden Gruppen mehrten sich Fragen zu Umwelt-, Sozial- und Governance-Themen (ESG). Das ­Bedürfnis nach Informationen, die über die Finanzberichterstattung hinausgehen, war zunehmend spürbar. Unsere Stakeholder erwarten nicht nur, dass wir die ökologischen und sozialen Folgen unseres Geschäftsmodells erkennen und es den Anfor­derungen der nachhaltigen Entwicklung anpassen, sondern auch, dass DocMorris eine angemessene Offenlegung über die Art ihrer Unternehmensführung bietet: Transparenz und ein offener Austausch hierzu wurden gewünscht und werden geschätzt.

Dies bestätigte uns, dass wir mit dem eingeschlagenen Weg, ESG im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie von DocMorris gruppenweit zu verankern und in den kommenden Jahren auszubauen, richtig liegen.

Fakten und Zahlen zur Schweizer DocMorris

Die Schweizer DocMorris ist eine der führenden Onlineapotheken Europas. Nach dem Verkauf im Mai 2023 ihres Schweizgeschäfts an Migros hat sich die Zur Rose Group in DocMorris umbenannt – nach Deutschlands bekanntester Gesundheitsplattform.

  • Umsatz 2022: 1,16 Mrd. CHF
  • Marktkap. Sep 2023: ca. 800 Mio. CHF
  • Mitarbeiter 2022: 2.200

DocMorris legte im Geschäftsbericht 2020 zum ersten Mal offen, wie das Geschäftsmodell mit ESG verbunden ist, und publizierte im Folgejahr 2021 den ersten Nachhaltigkeitsbericht. Dazu wurde die Corporate Governance als ein zentrales Element des ESG-Reportings analysiert. Zudem fragten wir uns , wie sich DocMorris verbessern kann und wo wir die Transparenz erhöhen wollen. Hierzu nutzten wir auch Rückmeldungen des Kapitalmarkts, analysierten Richtlinien von Stimmrechtsberatern und Kriterien­kataloge von Ratingagenturen und Beratungs­unternehmen. Es zeigte sich, dass DocMorris zwar vielerlei Kriterien ­adressierte, der Detaillierungsgrad der Offenlegung aber nicht ausreichte – z.B. haben wir die Angabe der Anzahl an Sitzungstagen des Verwaltungsrats um die ­effektive Sitzungsdauer erweitert und die individuellen Sitzungsteilnahmen aufgeführt. Solche „Quick Wins“ lieferten nicht nur schnell Ergebnisse, sie ließen sich auch einfach umsetzen.

Verbesserungspotenziale sind wir aktiv angegangen. Ein Beispiel dafür ist das ­Diversitätsziel in der Zusammensetzung des Verwaltungsrats. Die Erhöhung des Frauenanteils auf mindestens ein Drittel hatte der Verwaltungsrat proaktiv als Ziel formuliert und im Corporate-Governance-Bericht offengelegt. Die Zielerreichung gelang dann ein Jahr früher als geplant.

Governance-Roadshow mit ­Verwaltungsratspräsident und CEO

Den bevorstehenden Wechsel des CEO von DocMorris in die Funktion des Verwaltungsratspräsidenten und weitere anstehende Veränderungen in der Zusammensetzung des Gremiums nahmen wir zum Anlass für eine Governance-Roadshow und luden die 20 größten Aktionäre sowie ausgewählte Stimmrechtsberater zu Einzel­gesprächen ein. Christoph Herrmann, der damals als IR-Verantwortlicher mit dem Verwaltungsratspräsidenten und dem CEO an den Gesprächen teilnahm: „Die Investoren wie auch die Analysten der Stimmrechtsberatungsunternehmen schätzten den proaktiven Austausch über Governance­themen ungemein. In diesen One-on-One-Gesprächen konnten wir unter anderem darlegen, warum ein guter Mix von langjährigen, erfahrenen Mitgliedern und jüngeren Mitgliedern im Verwaltungsrat wertvoll für DocMorris ist.“

Quelle: stock3.com

Eine wichtige Erfahrung aus diesen Roadshows ist, dass sich im persönlichen Dialog Beweggründe besser erklären lassen. Es ist möglich, auf individuelle Einzel­situationen einzugehen und diese in die ­Bewertung einfließen zu lassen. Wir erkannten zudem, dass es einen Ermessensspielraum für Entscheidungen gibt – sowohl bei Investoren als auch bei Stimmrechtsberatern. Last but not least erlangten wir ein tieferes Verständnis darüber, wie sich die Financial Community mit dem Thema ­Corporate Governance beschäftigt, wo sie Schwerpunkte setzt und wie die Entscheidungswege bis zur Stimmabgabe an der Generalversammlung sind. Grundsätzlich stellten wir fest: Transparenz und Dialog werden geschätzt – unabhängig davon, ob es sich um die Geschäftsentwicklung, die Strategie oder die Corporate Governance handelt. Zu guter Letzt, und das bestätigt uns in unseren Anstrengungen, führte die Summe aller Maßnahmen zu einer deut­lichen Verbesserung unserer Ratings bei zRating und beim ISS Governance Quality­Score.


Ursprünglich erschienen in: The Reporting Times, NO 22/2023, Zeitung des Center for Corporate Reporting.

reporting-times.com

Autor/Autorin

Lisa Lüthi

Lisa Lüthi leitete während zehn Jahren bis September 2023 die Unternehmenskom­muni­kation der Zur Rose Group AG in Frauenfeld, seit Mai 2023 umfirmiert in DocMorris AG. In früheren Stationen ver­antwortete sie die Kommunikation des Geschäftsbereichs „Accessories“ von Bosch und die Unterneh­menskommunikation der damals noch börsennotierten sia Abrasives.