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  1. Due Diligence

Der Umfang und die Komplexität der Due Diligence nehmen aufgrund der Berücksichtigung von ESG-Themen zu und gewinnen an ökonomischer Relevanz. Neben der Bewertung von ESG-Risiken wie korrupten Geschäftspraktiken, Verstößen gegen das Arbeitsrecht, Cybersecurity-Bedrohungen und Kohlendioxidemissionen müssen die Erwerber auch die damit verbundenen Prozesse und Verfahren prüfen, einschließlich des Ausmaßes der Aufsicht durch die Organe und des Umfangs sowie der Qualität der internen und externen ESG-Berichterstattung, um latente ESG-Schwachstellen zu erkennen.

Die Erwerber müssen auch die Pro-forma-ESG-Auswirkungen einer Transaktion definieren, einschließlich der Auswirkungen auf die Unternehmensreputation und die -kultur, wenn sie die Synergien des Geschäfts bewerten. Auf der Seite des Zielunternehmens muss sich die Geschäftsführung darüber im Klaren sein, dass ESG-Bedenken zunehmend in die Entscheidung der Aktionäre bzw. Gesellschafter über die Unterstützung oder Ablehnung einer geplanten Transaktion einfließen können, insbesondere wenn die Gegenleistung für die Transaktion Aktien des Erwerbers umfasst. Die Einbeziehung von ESG-Belangen in die Vendor Due Diligence kann Zielunternehmen dabei helfen, ihren Aktionären gegenüber stärker zu argumentieren.

  1. Bewertung

Die in letzter Zeit zunehmende Qualität und Verfügbarkeit von ESG-Informationen der Unternehmen hat die Bewertungsphase des M&A-Prozesses stark begünstigt. Zielunternehmen werden in der Regel mit einer Discounted-Cashflow-(DCF-)Analyse bewertet, und es gibt mehrere Möglichkeiten, ESG-Überlegungen in diese Methodik einzubeziehen.

Ein Ansatz besteht darin, den Diskontsatz anzupassen. Etliche Studien zeigen, dass Unternehmen mit höheren ESG-Bewertungen tendenziell weniger systematischen Risiken ausgesetzt sind, was die von den Anlegern geforderte Rendite und damit auch die Kapitalkosten dieser Unternehmen senkt. In einem DCF-Modell führen niedrigere Kapitalkosten bei sonst gleichen Bedingungen zu einer höheren Bewertung.

Ebenso sollten zukünftige Cashflows modifiziert werden, um ESG-Themen zu berücksichtigen, von denen wesentliche positive und/oder negative finanzielle Auswirkungen auf das Unternehmen erwartet werden. Dies können im Negativen ESG-bedingte Geldstrafen, Gerichtsverfahren und erhöhte Versicherungsprämien sein, aber auch indirekt durch Reputationsschäden, die zur Abwanderung von Kunden führen. Im Positiven wiederum kann ein Zielunternehmen, welches besonders gut im Bereich der Energieeffizienz oder der erneuerbaren Energien aufgestellt ist, Optionen zur Reduzierung der Betriebskosten bieten.

  1. Post-Merger-Integration

Die Post-Merger-Integration ist eine der Phasen im M&A-Prozess, in der die ESG-Integration einen überdurchschnittlich positiven Einfluss haben kann. Dies liegt daran, dass viele der Faktoren, die in der Vergangenheit die Realisierung von Synergien erschwert haben, weitgehend mit den S- und G-Faktoren von ESG übereinstimmen, insbesondere Personal, Corporate Governance und Unternehmenskultur. Wir gehen davon aus, dass ESG-Überlegungen die Governance-Strukturen nach der Übernahme weiter prägen werden, insbesondere auf der Führungsebene, wo ESG-Aufsichts- und Überwachungsaufgaben angemessen übertragen und delegiert werden müssen. Bei den Integrationsbemühungen müssen u.a. die bestehenden ESG-Ziele, -Richtlinien und -Verfahren des fusionierten Unternehmens berücksichtigt werden, um dessen ESG-Profil nicht zu beeinträchtigen.

Fazit

Es besteht ein zunehmender Konsens darüber, dass M&A-Entscheidungen, die die ESG-Performance eines Unternehmens verbessern, langfristig auch der Unternehmensbewertung zugutekommen können, und wir beobachten einen wachsenden Einfluss dieses Verständnisses in den M&A-Strategien und -Transaktionen von Kunden. In Anbetracht dieser sich verändernden Prioritäten und einer wachsenden Zahl von Belegen, die die Bedeutung und den Einfluss von ESG bei M&A-Transaktionen unterstreichen, erwarten wir, dass die Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in die Unternehmens- und M&A-Strategie weiter voranschreitet und in den kommenden Jahren oberste Priorität genießen wird.

Autor/Autorin

Sven-Roger von Schilling

Sven-Roger von Schilling blickt auf langjährige Erfahrung als CFO börsennotierter Techunternehmen zurück. Als Partner der WTS Advisory berät er börsennotierte wie auch privat gehaltene Unternehmen bei IPO- und M&A-Themen.