Als eines der großen deutschen Prüfungs- und Beratungsunternehmen erwirtschaftete Ernst & Young (EY) im Jahr 2011/2012 mit rund 7.700 Mitarbeitern an 22 Standorten 1,22 Mrd. EUR Umsatz. Heute präsentiert EY nun seinen 14. Biotechnologie-Report, der in diesem Jahr ein eher düsteres Bild der Branche zeichnet. Während die Biotechnologie in den USA boomt, IPOs und Risikokapital im Überfluss zur Verfügung stehen (lesen Sie unsere 3-teilige Serie zum Sell-off nach dem Biotech-Boom) und für die schnelle Marktreife innovativer Produkte sorgen, zeigen die aktuellen Daten von EY ein bedenkliches Szenario für die Branche in Deutschland. Der Kapitalmarkt stagniere nicht nur, er trockne zunehmend aus, so die Schlussfolgerung der EY Experten, die in ihrem aktuellen Report auch gleich eine mögliche Lösung vorstellen.

Die aktuelle Lage deutscher Biotechs
Im aktuellen Report hat EY die Daten von 2012 und 2013 verglichen und kommt zu einem wenig erfreulichem Ergebnis. Die Anzahl der Firmen und Beschäftigen sei zwar gleich geblieben, Umsätze und F&E Ausgaben seien jedoch um 7 % bzw. um 6 % gesunken – und das in einer der innovativsten Industrien überhaupt. Für Studienautor und Leiter des deutschen Life Science Centers von EY, Dr. Siegfried Bialojan, sei die magere Finanzierung vieler Biotech-Unternehmen ein Hauptgrund für die Stagnation der gesamten Branche in Deutschland. Ein Blick auf einige Zahlen des aktuellen Biotechnologie-Reports zeigt, was Bialojan meint: Im Vergleich zu 2012 (294 Mio. EUR) warben deutsche Biotechs 2013 (325 Mio. EUR) zwar 10 % mehr Kapital ein, doch von den durchschnittlichen Zuflüssen vor der Finanzkrise (500 Mio. EUR p. a.) ist die Branche weit entfernt. Zudem verschleiert diese Gesamtzahl die wahren Verhältnisse: Ein Großteil der Mittel kam 2013 nämlich aus Kapitalerhöhungen, der Zufluss an Risikokapital sank dagegen von 214 auf 164 Mio. EUR. Davon entfielen fast 80 Prozent auf die großen Family Offices, so dass nur noch etwa 35 Mio. EUR für klassische Finanzierungsrunden übrig blieben. Dies sei, so Bialojan, ein Marktversagen mit volkswirtschaftlichen Konsequenzen, denn Biotechs würden in späteren Entwicklungsphasen meist hohe Umsatzzuwächse bieten.

Deutsche Anleger scheuen das Risiko
Auch wenn die gesamte deutsche Volkswirtschaft noch immer zu den Stärksten der Welt zählt, wenn es um Aktien und Wagniskapital geht, rangieren wir sogar noch hinter Ghana und Bolivien. Eine Schande für ein Land, das sich doch als globaler Innovationsmotor versteht. In anderen Ländern wie den USA, aber auch in Frankreich, Großbritannien und der Schweiz erfahren Biotechs aktuell einen Boom. Vor allem wenn es um Wirkstoffforschung geht, steht es schlecht um Deutschlands Unternehmen. Nur noch ein Drittel der Biotechs in unserem Lande forscht an neuen Medikamenten, dabei locken gerade hier im Erfolgsfall die höchsten Renditen. Gemessen an der Zahl der Wirkstoffe in Studien ist Deutschland im europäischen Vergleich von Rang zwei auf Rang drei abgerutscht. Bei den Wirkstoffen in den reiferen Phasen der klinischen Entwicklung (Phase II und III) nehmen wir, hinter Großbritannien, Israel, Frankreich, der Schweiz und Schweden, nur Rang sechs ein.

Ist eine Steuerbefreiung die Lösung?
Als Beratungsunternehmen hat EY natürlich eine elegante Lösung parat. Dabei setzt Bialojan auf eine Initiative der Biotech-Unternehmer Claus Kremoser (Phenex Pharmaceuticals AG in Ludwigshafen) und Holger Zinke (BRAIN AG in Zwingenberg). Danach sollen Anleger künftig bis zu einem Prozent ihres gesamten Vermögens kapitalertragssteuerbefreit in risikoreichere Eigenkapitalfonds anlegen dürfen. Zur Sicherheit und Verlustminimierung sollen solche Fonds nur zertifizierte Unternehmen beinhalten und das Investment auf ein Prozent des Vermögens begrenzt werden. Laut Kremoser und Zinke würde dies dem Staat lediglich 30 bis 50 Millionen EUR pro Jahr kosten. Außerdem würde sich der Fehlbetrag durch verschiedene Vorteile rasch amortisieren. Bedenkt man, dass die Life Sciences Innovationsmotor für eine ganze Reihe von Branchen sind, ist die Idee gar nicht so abwegig. Laut EY liegt das prognostizierte Umsatzvolumen für die EU heute bereits bei 2,1 Billionen EUR pro Jahr. Von der Chemie bis zur Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie steigt die Nachfrage nach biotechnologischen Produkten. Alleine für die chemische Industrie wird ein enormes Wachstum prognostiziert – von 92 Mrd. EUR in 2010 auf 515 Mrd. EUR in 2020 – so der Biotechnologie-Report. Die Biotechnologie sei ohne Zweifel auf dem Weg zur Schlüsselindustrie des Jahrhunderts und Deutschland sollt dies nicht verschlafen, so Siegfried Bialojan in seinem Pressestatement.

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