Aus Sicht der mittelständischen Chemieunternehmen hat sich die Standortqualität Deutschlands in den vergangenen fünf Jahren verschlechtert. Zudem wurden die Stärken des Chemiestandorts nicht durch geeignete industriepolitische Maßnahmen weiterentwickelt. Gleichzeitig haben sich die Schwächen durch externe Faktoren, wie die niedrigen Energiepreise in den USA, sowie politische Entscheidungen in Berlin und Brüssel weiter vergrößert.

Das ist das zentrale Ergebnis einer repräsentativen Umfrage unter 150 mittelständischen Betrieben aus der chemisch-pharmazeutischen Industrie, die die Unternehmensberatung Dr. Wieselhuber & Partner für ihre Studie „Die Wettbewerbsfähigkeit des Chemiestandortes Deutschland“ durchgeführt hat. Die mittelständischen Chemieunternehmen stellen über ein Drittel aller Arbeitsplätze in der chemischen Industrie in Deutschland. Sie erwirtschaften rund 30% des deutschen Chemieumsatzes. Insgesamt zählen mehr als 90% der rund 2.000 deutschen Chemiebetriebe zum Mittelstand.

Der Vorsitzende des VCI-Ausschusses Selbständiger Unternehmer (ASU), Reinhold von Eben-Worlée, kommentierte: „Das globale Wettbewerbsumfeld entwickelt sich zu Ungunsten des Standorts Deutschland. Dennoch reagiert die Politik nicht auf diesen Wandel. Bereits 5% der befragten Mittelständler haben angegeben, in den kommenden Jahren überhaupt nicht mehr in Deutschland zu investieren. Außerdem investiert bereits ein Drittel aller mittelständischen Firmen im Ausland.“

Für die Studie haben die befragten Chemieunternehmen die Standortqualität in Deutschland anhand von 14 Faktoren bewertet. Demnach sind das „Innovationsklima“, die „Infrastruktur“, die „Verfügbarkeit von Fachkräften“ und die „Rechtssicherheit“ Rahmenbedingungen, mit denen Deutschland international punkten kann, allerdings nicht mehr uneingeschränkt. Das „Innovationsklima“ hat sich seit 2009 verschlechtert. Die Qualität der „Infrastruktur“ sehen die Unternehmen als zukünftig gefährdet an und fordern, die Zuverlässigkeit in diesem Bereich zu erhalten. Außerdem wurde es für die Betriebe in den vergangenen fünf Jahren deutlich schwieriger, ihren Fachkräftebedarf zu decken. Mit Blick auf die „Rechts- und Planungssicherheit“ fällt es den Unternehmen zunehmend schwer, sich auf die ständigen Änderungen einzustellen.

Wichtige Standortfaktoren haben sich aus Sicher der mittelständischen Chemieunternehmen in den vergangenen Jahren negativ entwickelt. Am stärksten verschlechterten sich die Kategorien „Energiekosten“ sowie der „Bürokratie- und Regulierungsaufwand“. Eine gefühlte „Überregulierung“ in der EU, wie beispielsweise durch die Chemikalienverordnung REACH – die Verordnung für Biozidprodukte oder die GMP-Richtlinie zur Qualitätssicherung von Produktionsabläufen-wird von mehr als 50% der Befragten als Belastung empfunden. Insgesamt klagt mit 45% knapp die Hälfte der Unternehmen über eine zu hohe Bürokratie. Hinzu kommen aus Sicht der Unternehmen hohe Produktionskosten, eine hohe Steuerbelastung und das schwache Marktwachstum in Deutschland und Europa.

Die Studie kommt jedoch auch zu dem Ergebnis, dass die mittelständischen Chemieunternehmen am Standort Deutschland festhalten wollen. Sie ergreifen verschiedene Maßnahmen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Dazu gehören eine zunehmende Spezialisierung und Verbesserungen in der Kundenorientierung ebenso, wie mehr Investitionen in Forschung und Entwicklung. Gleichzeitig sollen Effizienz und Produktivität verbessert und die Internationalisierung des Geschäfts ausgebaut werden. Allerdings bestehe auch industriepolitisch dringender Handlungsbedarf durch die Bundesregierung für bessere Rahmenbedingungen.

Konkret werden vier Bereiche genannt, in denen die Politik handeln müsste. Dazu gehöre eine zügige Deckelung der staatlich verursachten Energiekosten im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) und die Schaffung von Rechtssicherheit bei der Erbschaftsteuer ohne rückwirkende Regulierung. Weiterhin die Einführung einer steuerlichen Forschungsförderung für Unternehmen aller Größenklassen, wie sie die meisten EU- und OECD-Staaten bereits haben, und ein Eintreten der Bundesregierung für einen erfolgreichen Abschluss des transatlantischen Freihandelsabkommens TTIP.

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