Die Gründerszene im Bereich Digital- und Smart-Medicine entwickelt sich derzeit sehr dynamisch. Doch viele Entwickler innovativer Ideen ticken anders als die klassischer Biotech-Start-Ups. Das stellt auch Healthcare-Acceleratoren vor neue Herausforderungen. Wir sprachen dazu mit Dr. Ilja Hagen von der BioPark Regensburg GmbH.

Plattform Life Sciences: Herr Dr. Hagen, was ist das Besondere an Smarte-Medizin-Gründerinnen?

Hagen: Das sind meist junge Menschen, die aus einer Forschungstätigkeit oder auch nur persönlichen Erfahrung heraus einen Bedarf für eine neue Technologie, für eine neue Anwendung oder ähnliches im Gesundheitsbereich sehen und dann einfach loslegen. Da steht zunächst nur die Weiterentwicklung der nackten Idee im Mittelpunkt. Oft handelt es sich um Quereinsteiger, Personen, die bisher keine Erfahrungen im Gesundheitswesen haben, beispielsweise aus der Informatik oder dem Digital Entrepreneurship. Oder aber sie kommen aus der medizinischen oder pflegerischen Anwendung. Aber auch hier fehlt in der Regel die Expertise zu den Besonderheiten unseres regulierten Gesundheitsmarkts.

Copyright: BioPark Regensburg GmbH
Copyright: BioPark Regensburg GmbH

Aber es sind diese Personen, die unsere Wirtschaft weiterentwickeln. Auf neuen, frischen Ideen gründen sich schließlich zukünftige Unternehmen, die auch das Gesundheitswesen voranbringen. Aber es fehlt vielen entscheidend am Blick nach innen: Teilweise sind Institutionen wie das BfArM oder andere systemrelevante Akteure völlig unbekannt.

Aber in einer so frühen Innovationsphase steht doch erst einmal die Weiterentwicklung der eigenen Idee, Technologie oder Anwendung an erster Stelle.

Aber genau das ist das Problem. Viele Ideen und auch Produkte scheitern meist nicht, weil sie nicht „gut“ genug oder nicht „ausgereift“ genug waren. Sie scheitern, weil der Business Case nicht an den tatsächlichen Gesundheitsmarkt angepasst war. Es war schlicht kein Profiteur vorhanden oder die Innovation wurde an der falschen Stelle im Gesundheitssystem positioniert. Oft ist es so: Die Technik ist toll, die potenzielle Zielgruppe ist vorhanden, die medizinische Evidenz liegt vor oder könnte erbracht werden, das Gründer:innen-Team ist toll, auch der Mut und die Ausdauer sind vorhanden. Aber dann scheitert ein Gründerteam beispielsweise, weil ein innovatives Produkt keiner passenden Ziffer im Hilfsmittelkatalog zugeordnet werden kann.

Logo BioPark Regensburg. Copyright BioPark Regensburg GmbH

Wie geht das besser?

Viele Gründer-Programme sind technologie- und nicht branchenorientiert aufgebaut. So wird über einen längeren Zeitraum vornehmlich an der Ausarbeitung einer innovativen Technologie und den sog. Entrepreneurship Essentials gefeilt. Das ist in der Gesundheitswirtschaft auch wichtig, aber nicht ausreichend. Hier sind die Hürden höher als in anderen Branchen und dieser „Jump“ braucht eine Hilfestellung. Der „Sprung“, den man gleich zu Anfang ins kalte Wasser wagen und überstehen muss, ist die folgende Frage zu beantworten: Wer kann, nicht sollte, von meiner Idee profitieren? Also: Wer braucht’s und wer bezahlt’s? Wer das nicht frühzeitig klärt, wird später scheitern. Es geht letztlich um die Passfähigkeit des eigenen Businessmodells in bestehende und ziemlich starre Erstattungssysteme. Wenn die nicht gegeben oder geklärt ist, ist der Rest hinfällig oder sollte zumindest frühzeitig angepasst werden.

Schreckt dieser zielgerichtete Fokus in einer so frühen Phase Gründer nicht eher ab?

Mag sein, aber wenn solche Fragen nicht gleich in der Anfangsphase einer möglichen Unternehmensgründung geklärt werden, hat man später doppelte Arbeit und viel Zeit und Geld verloren. Der frühe Fokus schützt vor späteren Enttäuschungen. Neben dem Profiteur und den damit verbundenen Vergütungsmöglichkeiten sind natürlich auch die regulatorischen Anforderungen frühzeitig in den Fokus zu nehmen.

Logo BioPark Jump. Copyright BioPark Regensburg GmbH

Wie geht der BioPark Regensburg auf diese Quereinsteiger ein?

Bisher haben wir vor allem bereits gegründete Start-ups begleitet, die schon einen Prototyp oder ein Proof of Concept vorlegen konnten. Doch wir haben verstanden: in vielen Fällen ist es erfolgversprechender, Gründerinnen und Gründer früher abzuholen. Hier haben wir eine Lücke identifiziert. Wir adressieren also Pre-Seed-Teams aus dem regionalen Umfeld. Die docken dann bei unserem neuen Healthcare-Accelerator „BioPark Jump“ an. Teams kommen zum Beispiel aus unserer „StartUp-Factory“, einem klassischen Gründungs-BootCamp, das wir einmal im Jahr am Standort durchführen. Daneben fördern wir mit einem Innovationspreis anwendungsbezogenen Ideen aus den Bereichen Lebenswissenschaften und Gesundheit und setzen damit Anreize, sich als potenzieller Gründer zu outen und in diesem Sinne weiterzuentwickeln.

Dr. Ilja Hagen. Copyright: BioPark Regensburg GmbH

Und wenn das Andocken erfolgreich war?

Wir stellen den Gründerteams auf der einen Seite Räumlichkeiten, Büro- und Laborflächen zur Verfügung. Auf der anderen versehen wir sie zusammen mit unseren Partnern mit dem für den Marktzugang in die Gesundheitsbranche relevanten Wissen. Unser Partnernetzwerk umfasst Anwender aus Kliniken und Pflegeeinrichtungen und auch Vertreter von Krankenkassen. Diese agieren als Sparringspartner. Daneben stellen wir den Gründerinnen und Gründern passende Experten an die Seite: Personen mit langjähriger Erfahrung im Bereich Zertifizierung und Kostenerstattung. Wir sorgen damit für dynamische Teams, die sich Prozess- und Themengenau an die gerade aktuellen Gründungsbedürfnisse anpassen. Hinzu kommt eine, für unseren Standort nicht gerade kleine Anzahl von Role-Models, also ehemalige, erfolgreiche Gründerinnen und Gründer, die den Neulingen in der „Community“ mit ihrer Erfahrung zur Seite stehen.

Uns geht es um Realitas! Stellt man sich denen direkt, ist der spätere Exit, ist die Investor Readiness auch zu schaffen.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

Zum Interviewpartner:

Dr. Ilja Hagen, Biologe (Promotion an der Universität Regensburg), ist seit 2016 Projektmanager und Clustermanager Gesundheitswirtschaft bei der BioPark Regensburg GmBH. Bis 2006 war er Projektkoordinator des KFB – Kompetenzzentrum Fluoreszente Bioanalytik im BioPark. Zwischen 2006 und 2016 war er Projektmanager bei der Bayern Innovativ GmbH in Nürnberg und dort für das Cluster- und Netzwerk Forum MedTech Pharma e.V. und den Bayerischen Cluster Medizintechnik zuständig.

Weitere Infos zum BioPark Jump Accelerator in Regensburg finden Sie hier: Pressemitteilung der BioPark Regensburg GmbH

Autor/Autorin

Redaktionsleiter Plattform Life Sciences at GoingPublic Media AG | Website

Urs Moesenfechtel, M.A., ist seit 2021 Redaktionsleiter der GoingPublic Media AG - Plattform Life Sciences und für die Themenfelder Biotechnologie und Bioökonomie zuständig. Zuvor war er u.a. als Wissenschaftsredakteur für mehrere Forschungseinrichtungen tätig.