Bildnachweis: Foto: Indivumed.

Beim Tumor selbst: Was finden Sie da Neues? Und ist dabei nicht die Hetero­genität des Tumors in einem Patienten ein nahezu unlösbares Problem?

Mit unserem Datensatz schauen wir nicht auf „den“ Brustkrebs allein oder irgendeine andere Krebsform, sondern wir können dies direkt vergleichen mit beispielsweise Darmkrebs und anderen Entitäten. Bei Targets suchen wir daher auch nicht in ­einer Tumorentität – wir schauen eher nach therapeutischen Ansätzen, die über Organentitäten hinausgehen. Einzelne Targets wird es sicherlich dabei auch spezifisch für eine Entität geben, die sollte man nicht ignorieren.

Die KI vereinfacht hier die Suche, ist aber besonders abhängig von der Qualität der verwendeten Daten. Darum ist ja die Grundlage der Qualität der Probe so ­elementar. Ich komme darauf immer wieder zurück, weil es wichtig ist, aber weil es auch oft übersehen wird.

Die Heterogenität ist immer noch ein Problem, ganz klar, da schneiden Sie ein Thema an. Wir versuchen, dieser Herausforderung Herr zu werden, indem wir ­unter histopathologischer Kontrolle ­unterschiedliche Gewebsbereiche und auch Metastasen vergleichend analysieren. Überraschenderweise ist die Varianz gar nicht so hoch, denn viele biologische Marker sind konserviert und tauchen ­immer auf, da sie zum Wesen eines „Krebsgeschehens“ dazugehören.

Sprechen wir über die Daten: Fast 4.000 Patienten-omics-Daten haben Sie bisher aus dieser Datenbank analysiert und bis zu 25.000 wollen Sie demnächst verfügbar haben. Das wird sicherlich einige Serverschränke belegen. Bei der Bearbeitung und dem weltweiten Austausch in Forschungsprojekten werden riesige Datenmengen um den Globus bewegt. Wie meistern Sie das?

Das Datenvolumen pro Patient beträgt zurzeit ca. 250 Gigabyte. Jemand bei uns hat ausgerechnet, dass Indivumed bereits heute 33.000-mal mehr Speichervolumen benötigt als Netflix für alle abrufbaren Filme. Wir ­arbeiten daher mit der größten Cloud­lösung in Europa zusammen, AWS; physikalisch liegt das in Frankfurt. Wir schicken diese Daten dutzendweise über den Globus, da wir auch Dienstleister auf der Welt ­verteilt haben, eng mit Personalis für die Sequenzierung und mit Biognosys für die Proteomics verbunden sind. Die Arbeit hinter der reinen Datenmenge ist aber die von uns entwickelte automatisierte Prozessierung der Daten, nicht nur das ­Verschicken. Da haben wir uns sehr viel eigene Bioinformatik- und IT-Kompetenz erarbeitet. Unser Alleinstellungsmerkmal ist, dass wir mit der Perspektive des ­Operationssaals an die Analytik gehen und uns die nötige IT dazugebaut haben. Andere sind vielleicht größere IT-Cracks – sie verfügen aber nicht über die Daten, ­deren Qualität für den Patientennutzen entscheidend ist.

Natürlich fallen mir dazu Stichworte wie Cybersicherheit und Datenschutz ein.

Natürlich. Wir haben die größtmöglichen Sicherheitsvorkehrungen, wir lassen sogar Hacker regelmäßig auf uns selbst los. Die Balance zwischen Sicherheit und Kooperationsfähigkeit zu schaffen ist in unserer digitalisierten Welt in jeder Industrie eine große Herausforderung. An die persön­lichen Patientendaten kann man über uns in jedem Fall nicht herankommen, da wir diese gar nicht abspeichern, sondern ausschließlich mit pseudonymisierten Daten arbeiten – sie sind absolut getrennt und verbleiben bei den klinischen Koopera­tionspartnern.

Noch einmal zurück zu den digitalen Tools und neuen Analysemöglichkeiten. Künstliche Intelligenz ist auch in der Politik, in vielen Landesinitiativen ein wichtiges Thema. Hat Indivumed hier Eigenentwicklung betrieben?

Wir arbeiten mit verschiedenen hochka­rätigen Einrichtungen zusammen. Eine Kooperation mit Gnosis, einer KI-Firma, die auf Kreta in Griechenland beheimatet ist, ist dabei von besonderer Bedeutung. Wir sind an dem Unternehmen beteiligt und haben uns exklusive Nutzungsrechte an deren führender KI-Technik für unsere Datenbank gesichert. Aber wir investieren auch in ein eigenes Team – sowohl im Software-Engineering als auch in der Datenanalytik, welches in einem Jahr von fünf auf 40 Personen gewachsen ist und weiter stark ausgebaut wird. Damit einher geht der ­Ausbau der Datenbank, wo nicht nur das ­Datenmaterial „abgelegt“ wird, sondern auch die Nutzbarkeit immer im Vordergrund steht, um beispielsweise auch in die Lage zu kommen, Reports an Kliniken ­liefern zu können.

Wie finanziert Indivumed das alles – heute, morgen und in Zukunft?

Hier müssen wir noch mal in die Historie zurück. Die Finanzierung von Indivumed ging bisher über eine Gruppe privater ­Investoren aus dem Hamburger Kaufleutekreis. Ein schneller Exit war überhaupt nie der Plan von uns Gründern und auch nicht von diesen Investoren, sondern ein solider Aufbau auf Basis einer als richtig angesehenen Idee. Damit konnten wir auch das Wachstum der digitalen Entwicklungen bis heute darstellen. Hinzu kamen Mittel der Europäischen Investitionsbank (EIB), die uns kürzlich 40 Mio. EUR als Darlehen gegeben hat. Kombiniert mit einer weiteren Finanzierungsrunde des Gesellschafterkreises haben wir für ein kontinuierliches Wachstum damit eine gute Grundlage. Wir wollen, ja wir müssen eigentlich nun ­wesentlich schneller größer werden – dazu brauchen wir Kapital im dreistelligen Millionenbereich, um die Power und ­Geschwindigkeit zu bekommen, aus unserem Datenschatz den berühmten Return of Investment zu generieren. Wir sprechen mit Private Equity, sind mit JP Morgan sehr gut beraten – und es gibt alle denk­baren Langzeitperspektiven wie auch ­einen Börsengang. Das wird sich zeigen.

Prof. Dr. Juhl, wir danken für das ­Gespräch.

Das Interview führte Dr. Georg Kääb.

Das vollständige Interview findet sich in Heft 2-2021 „Smarte Medizin“ der Plattform Life Sciences, hier kostenlos zum Nachlesen

Autor/Autorin