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Dr. Halvor Jaeger, CEO, Clinpharm Reform GmbH

 

„Big Pharma“ wächst stetig, der rasant zunehmende Wettbewerb und steigende Produktanforderungen erzwingen immer höheren Kapitaleinsatz. Mit zunehmender Größe gehen jedoch Flexibilität und Schlagkraft verloren, die für eine erfolgreiche Entwicklung unabdingbar sind. Letztere wird dann zunehmend in kleinere schlagkräftige Unternehmen verlagert, die dann ihre neu geschaffenen Rechte an Pharma-Unternehmen auslizenzieren.

Neue Medikamente

Die erfolgreiche Arzneimittelentwicklung ist ein komplexer Vorgang, der Teamarbeit, Koordination und gute Kenntnis der Wissenschaft und der internationalen Regularien erfordert. Neue Wirkstoffe (Moleküle) führen ein neues Wirkprinzip ein oder verbessern eine bestehende Therapie. Diese Gruppe hat mit Abstand das größte Entwicklungsrisiko (Erfolgschancen 0,01 bis max. 3%, allerdings auch das größte Renditepotenzial bei einer Entwicklungsdauer von zehn bis 20 Jahren).

„Me Toos“ oder Analogpräparate sind Molekülvariationen von bekannten Wirkstoffen. Diese Präparate kosten in der Entwicklung das Gleiche wie neue Wirkstoffe, jedoch bei reduziertem Risiko, da ein ähnlicher Wirkstoff bereits erfolgreich eingeführt wurde. Entsprechend ist der wirtschaftliche Erfolg deutlich geringer, da das Präparat im Markt gegen mindestens einen bereits erfolgreich eingeführten vergleichbaren Wirkstoff bestehen muss. Entwicklungsdauer zehn bis 15 Jahre. Generika sind direkte Kopien von zugelassenen Arzneimitteln nach Patentablauf. Risiko und Renditen sind gering. Entwicklungsdauer zwei bis drei Jahre.

Ein reformuliertes Produkt kann die Wirksamkeit wesentlich verbessern und Nebenwirkungen reduzieren. Foto: werg – Panthermedia

Reformulierung – eine Chance?

Reformulierungen verbessern die Therapie mit bekannten Wirkstoffen über eine optimierte Galenik (Formulierung), deren Prinzip (Plattform) in der Regel auch patentiert ist. Dieser kommt nach dem Wirkprinzip des Moleküls die entscheidende Bedeutung für die Wirksamkeit zu, da sie Geschwindigkeit und Ausmaß der Arzneimittelaufnahme im Körper bestimmt. Orale Arzneimittel werden nach der Resorption im Magen-Darm-Trakt zunächst durch die Leber geleitet, mit der Folge, dass bis zu 100% des Wirkstoffes direkt nach der Resorption inaktiviert werden können. Alternative Formen mit Resorption durch die Haut, Nasen- oder Mundschleimhaut bzw. Lunge verhindern dies.

Ein reformuliertes Produkt kann die Wirksamkeit wesentlich verbessern, Nebenwirkungen reduzieren oder schafft neue Indikationen für bekannte Wirkstoffe. Daraus ergibt sich annähernd das Renditepotenzial eines neuen Wirkstoffes, bei erheblich verringertem Entwicklungsrisiko. Es können durchaus höhere Umsätze als bei den ursprünglichen Formulierungen erreicht werden. Bekanntestes Beispiel ist Nifedipin, das in der 3 x täglichen Form in den USA einen Umsatz von etwa 40 Mio. USD generierte. Die reformulierte 1 x tägliche Form erzielte rasch weit über 1 Mrd. USD. Die Entwicklungskosten liegen deutlich unter denen eines neuen Wirkstoffes. Entwicklungsdauer drei bis fünf Jahre.

Der Entwicklungsplan folgt im Wesentlichen dem von neuen Wirkstoffen, ist allerdings deutlich verkürzt. In der Designphase wird der Arzneimittelmarkt auf Lücken und Möglichkeiten zur Verbesserung der Therapie untersucht. Nach Design der Innovation werden Patentierbarkeit und „Freedom to Operate“, aber auch Innovationsgrad, Marktchancen und Rendite des neuen Produktes geprüft. In der galenischen Entwicklung werden die Anforderungen an die zu entwickelnde Arzneiform im „Target Product Profile (TPP)“ definiert und Formulierungsansätze festgelegt. Die geeignetste Lösung wird festgelegt, es entsteht der erste Prototyp – die „Präformulierung“. In dieser Stufe werden häufig Patente angemeldet. Die neue Arzneiform wird zunächst im „Labormaßstab“ in Pilot-Chargen produziert. Per „Scaling-up“ steht am Ende des Prozesses die großtechnische Herstellung.

Die Erfüllung der Anforderungen an das Medikament hinsichtlich Stabilität, Dosiergenauigkeit, Freisetzungsverhalten, Wirkstoffgehalt und -verteilung werden kontinuierlich in validierten in-vitro-Verfahren geprüft. Alle Schritte folgen der Good Manufacturing Practice (GMP), einem umfangreichen gesetzlichen Regelwerk, dessen Einhaltung regelmäßig durch Behörden inspiziert und zertifiziert wird. Private Institutionen (z.B. DQS) stellen durch kontinuierliche Audits vor Ort sicher, dass nicht von diesen Regeln abgewichen wird.

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