machineMD entwickelt Lösungen zur Frühdiagnose neurologischer Erkrankungen inkl. Hirntumoren. Das erste medizinische Gerät des Unternehmens wird eine vollständige, standardisierte und automatisierte Messung von Augenbewegungen und Pupillenfunktion ermöglichen. Ihr Produkt steht kurz vor der Markteinführung. Die derzeitige ­Finanzierungsstrategie sieht eine tranchierte Series A vor, mit einer ersten Tranche von 2 Mio. CHF im Spätsommer dieses Jahres und einer zweiten von 3 Mio. CHF im ­Sommer 2024.


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in großer Teil unseres Hirns ist damit beschäftigt, visuelle Informationen zu verarbeiten. Wenn hier etwas nicht mehr einwandfrei funktioniert und beispielsweise ein Schlaganfall, ein Schädel-Hirn-Trauma, Multiple Sklerose oder gar ein Hirntumor vorliegt, kann dies oftmals an den Augen abgelesen werden. Bereits heute werden 40 % der Hirntumore und 35 % der Multiple-Sklerose-Erkrankungen anhand der Augen entdeckt. Diesen ­Zusammenhang macht sich das Schweizer Unternehmen machineMD zunutze. Es entwickelt ein Gerät, das durch die Kombination virtueller Realität und künstlicher Intelligenz Biomarker wie Augen- und Pupillenbe­wegungen messen können wird. Das ­Gerät ­basiert auf einem Varjo-Aero-Headset und ermöglicht eine vollständige, standardisierte und instrumentengestützte neuro-ophthalmologische Untersuchung unter Verwendung der im Headset integrierten VR-basierten Eye-Tracking-Lösung. Bereits jetzt sollen damit acht vollautomatische Untersuchungen innerhalb von zehn Minuten durchführbar sein, die quantitative, objektive und reproduzierbare Daten liefern. „Durch unsere schnelle und präzise Untersuchung wird Augenärzten und Neurologen die ­Ersteinschätzung und Wahl der Behandlungsform erheblich vereinfacht“, erklärt Dominic Senn, CEO von machineMD.

Foto: © machineMD

Hirnerkrankungen: Die unterschätzte Gefahr unserer alternden Gesellschaft

Hirnerkrankungen sind heute weltweit die wichtigste Ursache für den Verlust gesunder Lebensjahre und die zweithäufigste Todesursache hinter Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Aufgrund der Alterung der Bevölkerung wird sich die Situation noch verschärfen. Gleichzeitig besteht ein Mangel an klinischen Spezialisten in diesem Bereich und viele der Untersuchungen sind zeitaufwendig, subjektiv und schlecht quantifizierbar. Vor diesem Hintergrund werden viele Hirnerkrankungen sehr spät diagnostiziert und das Hirn ist bereits irreversibel geschädigt. Zudem dauert es für die Patienten oft lange, bis eine abschließende Diagnose vorliegt.

Eine Welt, in der Hirnerkrankungen deutlich früher, einfacher und schneller diagnostiziert werden – das ist die Vision des Teams von machineMD. Foto: © machineMD

neos soll Primär- und ­Sekundär­versorgung verbessern

Genau hier setzt machineMD an. Das Berner Start-up will die diagnostische Qualität hoch qualifizierter Spezialisten jedem Arzt und jeder Ärztin zugänglich zu ­machen. CEO Senn: „Unser Hauptprodukt, wir nennen es neos, ist ein großer Schritt in Richtung einer schnelleren, früheren und genaueren Diagnose von Hirnerkrankungen. neos wird die heute händisch durchgeführten Untersuchungen der Augen- und Pupillenbewegungen durch den ­Augenarzt oder Neurologen ersetzen durch eine komplett automatisierte und standardisierte Untersuchung, die innerhalb von zehn Minuten durch eine Praxis­assistenz vorgenommen werden kann. ­Damit können wir die Kompetenz eines klinischen Spezialisten dahin bringen, wo sie am meisten gebracht wird, in der ­Primär- und Sekundärversorgung.“

Dominic Senn, CEO und Co-Founder von machineMD, Serial Entrepreneur und Start-up-Manager. Foto: © machineMD

Produkt für Hirnerkrankungs-Diagnose kurz vor Markteinführung

machineMD beruht auf fünf Jahren klinischer Forschung am Universitätsspital Bern. Während dieser Zeit wurde die Technologie mit Hunderten von Patienten getestet und verfeinert. Aufgrund der ­guten klinischen Ergebnisse wurde schließlich Ende 2019 machineMD gegründet, wobei das Gründerteam nicht nur um ein klinisches Team, sondern auch mit ­Experten aus den Bereichen Geschäfts- und Produktentwicklung sowie Quality und Regulatory erweitert wurde. Über die letzten zwei Jahre wurde das Team auf 15 Mitarbeitende ausgebaut, eine Seed-­Finanzierung von 5 Mio. CHF abgeschlossen und die Produktentwicklung in Zusammenarbeit mit dem Universitätsspital Bern/Inselspital, Helbling, CSEM und ­Evoleen maßgeblich vorangetrieben. Ziel ist es, Ende 2023 das erste Produkt, neos, an den Markt zu bringen.

Das von machineMD entwickelte Diagnosegerät neos soll manuelle Unterschungungen der Augen- und Pupillenbewegungen durch den Augenarzt oder Neurologen durch eine komplett automatisierte und standardisierte Untersuchung ersetzen, die innerhalb von 10 Minuten durch eine Praxisassistenz vorgenommen werden kann. Foto: © machineMD

Eyetracking über VR-Headsets

neos nutzt die neuesten technischen Fortschritte beim Eyetracking über VR-Headsets, kombiniert mit der proprietären künstlichen Intelligenz von machineMD. Das kommerziell erhältliche VR-Headset sendet Licht- und Musterreize in das Auge und erfasst die Blickposition, die Pupillengröße und andere klinisch relevante ­Parameter als Reaktion auf diese Reize. Diese Daten werden von den Diagnose­algorithmen von machineMD verarbeitet, um die klinisch relevanten Daten in standardisierten Berichten bereitzustellen. Damit bietet neos 240.000 Augenärzten, Neurologen und Optometristen in Europa und den USA, welche diese Untersuchungen derzeit noch manuell durchführen, eine automatisierte und standardisierte Lösung, die ihnen zuverlässige Diagnosedaten verschafft.

Nächste Produktgeneration ist bereits geplant

Die wichtigsten Ziele der nächsten zwölf Monate sind die Fertigstellung der Produktentwicklung, die Marktzulassung in den USA und in Europa sowie der Aufbau einer kommerziellen Organisation für den Verkauf der ersten Geräte. Parallel dazu arbeitet machineMD bereits an der nächsten Produktgeneration, mit dem Ziel, basierend auf der Messung von ­zusätzlichen Biomarkern die AI-basierte Diagnostik von Hirnerkrankungen nochmals radikal zu verbessern. Hierzu ist eine größere Multi-Center-Studie geplant. Die ­Finanzierungsstrategie sieht eine tranchierte Series A vor, mit einer ersten Tranche von 2 Mio. CHF im Spätsommer dieses Jahres und einer zweiten von 3 Mio. CHF im ­Sommer 2024.

Kurzprofil machineMD

Gründung: 2019
Unternehmenssitz: Bern, Schweiz
Sektor: Medtech
Anzahl Mitarbeiter: 15
Internet: www.machinemd.com

Dieser Artikel ist in der Plattform Life Sciences-Ausgabe „Smarte Medizin“ 1/2023 erschienen, die Sie hier als E-Magazin abrufen können.

Autor/Autorin

Redaktionsleiter Plattform Life Sciences at GoingPublic Media AG | Website

Urs Moesenfechtel, M.A., ist seit 2021 Redaktionsleiter der GoingPublic Media AG - Plattform Life Sciences und für die Themenfelder Biotechnologie und Bioökonomie zuständig. Zuvor war er u.a. als Wissenschaftsredakteur für mehrere Forschungseinrichtungen tätig.